Der Klimawandel setzt den höheren Gebirgslagen zu, was den Aufenthalt in den Bergen auch gefährlicher macht. Zielsicheres Lawinen-Monitoring ist daher wichtiger denn je. Forschende des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos haben nun eine Methode entwickelt, mit der sich Lawinen auf Satellitenbildern automatisch erkennen und kartieren lassen.

Mit Satellitenbildern lässt sich der ganze Alpenraum großflächig abbilden. Diese Vogelperspektive ist besonders aufschlussreich, weil sie auch Antworten liefert, in welchen Gebieten wiederholt Lawinen vorkommen, wie häufig dies passiert und welchen Weg die Lawinen dabei nehmen.

Das Lawinen-Monitoring wird in Zukunft immer wichtiger.
Foto: Reuters/MUNICIPALITY OF ANCHORAGE

Hilfe von der KI

Bisher ist die Kartierung mühsame Handarbeit: Man muss die Aufnahmen auf dem Bildschirm per Auge nach Lawinen absuchen und deren Umriss manuell nachzeichnen. Die Doktorandin Elisabeth Hafner und ihre Kollegen entwickelten daher eine auf Machine-Learning basierende Bildanalysemethode. Dazu kartierte Hafner zunächst auf Grundlage von Satellitenbildern vom 24. Jänner 2018 und dem 16. Jänner 2019 mehr als 24.000 Lawinen.

Diese manuelle Kartierung bildete die Grundlage, um den Computer zu trainieren – ihm also beizubringen, was in der Aufnahme eine Lawine ist und was nicht. Dabei wurden neben den optischen Daten auch topografische Informationen verwendet. Denn Lawinen entstehen praktisch nur an Hängen, die steiler sind als 30 Grad.

Licht und Schatten

Die ersten Ergebnisse waren nach Aussage Hafners "nicht sehr zufriedenstellend". Die Forschenden vermuteten allerdings, dass dies daran liegen könnte, dass sich selbst Fachleute bei der Existenz und den Umrissen von Lawinen nicht immer einig sind.

Hafner ließ in der Folge ein Satellitenbild von fünf Lawinenexpertinnen und -experten manuell kartieren und verglich deren Übereinstimmung. Dabei stellte sich heraus, dass in besonnten, gut sichtbaren Gebieten die Übereinstimmung höher war als in schattigen Bereichen.

Satellitenbild von Pralong im Val d’Hérémence im Schweizer Kanton Wallis. Die Bereiche, die der Computer als Lawine einstuft, sind gelb (unsicher) bis rot (sehr sicher) eingefärbt. Als Referenz sind die von Hand kartierten Lawinen, mit denen das Modell verglichen wurde, blau umrandet dargestellt. Wo die farbigen Bereiche innerhalb der Umrisslinien liegen, stimmen Modell und manuelle Kartierung überein.
Grafik: WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF

Unterschiede im Visier

Insgesamt erkannten die Expertinnen und Experten gleich viel Lawinenfläche wie das Modell. Dies zeige, dass der Computer Lawinen praktisch genauso verlässlich erkenne wie verschiedene Fachleute, berichten die Forschenden im Fachjournal "Cryosphere".

In einem nächsten Schritt wird Hafner untersuchen, wie Fachleute bei der manuellen Kartierung vorgehen und warum sie die Aufnahmen in bestimmten Fällen unterschiedlich bewerten. "Wenn wir diese Unsicherheiten ermitteln, haben wir eine Chance, unser Modell entsprechend anzupassen", wurde die Doktorandin in der Mitteilung zitiert. (red, APA, 8.10.2022)