Der Krieg in der Ukraine hält seit über einem halben Jahr an, ein baldiges Ende ist nicht abzusehen. Bei allen Diskussionen, wie wichtig die gute militärische Verteidigung für ein Land ist und wie sehr globale Bemühungen um Friedensverträge und Abrüstung nötig sind, fällt eine Thematik unter den Tisch. Der Klimaschutz rückt bei den drängenden tagesaktuellen Themen in den Hintergrund, obwohl Kriege und Klima direkt miteinander verbunden sind.

Die wahren Ausmaße der Umweltzerstörung und Klimaschädigung durch die Russland-Invasion lassen sich noch gar nicht abschätzen.
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Wissenschaftlich problematisch ist allerdings, dass die Datenlage hinsichtlich klimaschädlicher Effekte von Krieg und Militär dünn ist. Bei der Erarbeitung des Kioto-Protokolls 1997 wurden auf Drängen der USA die Emissionen von Militärkräften von der Berichtspflicht ausgenommen. Bei den Verhandlungen zum Pariser Klimaabkommen 2015 wurde der Bann gelockert: Jede Nation entscheidet selbst, ob Zahlen und explizite Daten zum CO2-Fußabdruck der Armeen erhoben und veröffentlicht werden.

Bundesheer will Zahlen vorlegen

"Wir versuchen seit dem Vorjahr, einen Überblick über den CO2-Fußabdruck des Heeres zu bekommen, allerdings handelt es sich bei dem Modell um einen Prototypen, der noch keine belastbaren Daten liefert", sagt Ottokar Jindrich, Biologe und Leiter des Referats für Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Ökologie im Verteidigungsministerium.

Im Nachhaltigkeitsbericht für 2021 werden Projekte zur Alternativenergiegewinnung und zur Abfallvermeidung an Kasernen beschrieben, zum CO2-Ausstoß finden sich aber keine Angaben. "Der derzeit vermutete CO2-Fußabdruck des Bundesheers ist nicht hoch. Im Bereich von Betriebsmitteln und Heizung haben wir einen Ausstoß, der im Gesamtsystem Österreichs kaum Relevanz hat", sagt Jindrich. Konkrete Zahlen sollen kommendes oder übernächstes Jahr veröffentlicht werden.

Vor allem militärische Weltmächte wie die USA, Russland oder China geben Informationen über Emissionen wegen des sicherheitspolitischen Risikos nicht gerne preis. Aus präzisen Daten könnten Rückschlüsse auf Truppengrößen, Fuhrparks oder die Besatzung an einzelnen Standorten gezogen werden. Neta Crawford, Politikwissenschafterin an der Boston University, errechnete anhand von Daten des amerikanischen Energieministeriums, dass das US Pentagon mit hunderten Militärbasen weltweit der größte institutionelle Erzeuger von CO2-Emissionen und der größte Verbraucher von Treibstoff sei.

Uniformierte Soldatinnen und Soldaten stehen während der Fleet Week Parade in New York an Deck der USS Bataan.
Foto: Imago / John Angelillo

2017 produzierte allein die US-Regierung so mehr Treibhausgase als die Länder Schweden, Dänemark oder Portugal. Stuart Parkinson, Direktor der "Scientists For Global Responsibility", hat errechnet, dass die globalen Emissionen von Militär und Rüstungsindustrie etwa fünf Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes der Welt ausmachen. Inkludiert man die Auswirkungen von Krieg und die damit einhergehende Umweltzerstörung, so könnten es sechs Prozent sein. Noch nicht inkludiert sind dabei die Menge an Zement, Stahl und anderen Baustoffen, die man benötigt, um Städte wiederaufzubauen, oder die Ressourcen für die medizinische Versorgung Verwundeter.

USA sind größte Militärnation

Auch finanzielle Mittel können Hinweise geben, wie ressourcenintensiv ein Heer betrieben wird. Das internationale Ranking führen die USA mit rund 780 Milliarden US-Dollar an, die 2020 für das Militär ausgegeben wurden. Dahinter folgen China mit 250, Indien mit 73 und Russland mit 62 Milliarden. Das "Conflict and Environment Observatory" bemängelt die unzulängliche Datenlage und schlägt einen Standardisierten Bericht zu militärisch verursachten Klimagasen in vier Bereichen vor: Treibstoffverbrauch, Energieaufwand, Treibhausgase in der Lieferkette und Emissionen aus kriegerischen Aktivitäten.

Wolle man die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen erreichen, "dann ist das ein globale Anstrengung, die viele Hunderte Milliarden Dollar kostet", sagt Umwelthistorikerin Verena Winiwarter. "Im positiven Sinne schaffen diese Kosten Arbeitsplätze und Infrastruktur. Aber wenn wir hunderte Milliarden Dollar in Waffen stecken, dann fehlt jeder davon bei der Erreichung des post-fossilen Lebensstils."

Atommüll und Uranmunition

Die ehemalige Boku-Professorin ist Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und in der Fachgruppe "Klimakrise, Militär, Konflikt" der Scientists For Future engagiert. "Dass wir lernen, miteinander in Frieden zu leben, ist eine Voraussetzung dafür, in eine postfossile Zeit übergehen zu können", sagt sie. In ihrem mit Hans-Rudolf Bork verfassten Buch Geschichte unserer Umwelt beschäftigt sie sich auch mit den Umweltfolgen von Kriegen. Im Vietnamkrieg etwa setzten die Amerikaner das dioxinhaltige "Entlaubungsmittel" Agent Orange ein.

Laut Schätzungen wurden bis zu 40 Prozent der Waldfläche Vietnams vernichtet, manche Gebiete sind noch immer verseucht. Eine Hauptaltlast des Kalten Kriegs befindet sich in Hanford, Washington. Bis 1987 wurde dort eine Plutoniumfabrik für Atomwaffen betrieben. Heute lagern dort über 200 Millionen Liter Atommüll in dutzenden Tanks – und es entstehen immer mehr Lecks. Bis 2087 soll der Atomabfall in Kanistern gebunden und endgelagert sein, falls die Finanzierung gesichert werden kann.

Fraglich ist auch die Auswirkung von Uranmunition, die beim Einschlag auf harte Ziele feinste Uran- und Uranoxidpartikel freisetzt. Eine Literaturstudie des Klimaschutzministeriums bewertet in diesem Zusammenhang die Zunahme der Kernkraftnutzung als kritisch. Diese habe Staaten in die Lage versetzt, Plutonium zu gewinnen oder Uran für Atomwaffen anzureichern.

Sozial nachhaltige Rüstung?

Für Diskussionen sorgte Anfang des Jahres auch die Überlegung, die Rüstungsindustrie in die soziale Taxonomie der EU aufzunehmen. Analog zur "grünen" Taxonomie bei der Atomkraft hätte es damit als sozial nachhaltig gelten können, in Rüstung zu investieren. In einem geleakten Entwurf seien Medienberichten zufolge zwar Landminenproduzenten ausgeschlossen gewesen, nicht aber reguläre Waffenhersteller.

Die Rüstungsindustrie argumentierte, dass Waffen Sicherheit und Stabilität herstellen – die Grundvoraussetzung für Nachhaltigkeit. Auf scharfe Kritik hin wurden die Pläne für die Einführung der sozialen Taxonomie aufgeschoben, ein Veröffentlichungszeitpunkt steht noch nicht fest. (Sarah Kleiner, 10.10.2022)