Wie berichtet, soll ein Lehrer einer Wiener Mittelschule zahlreiche Schüler missbraucht sowie kinderpornografisches Material angefertigt haben. Einen Verdacht auf Mittäter sah die Staatsanwaltschaft bisher nicht.

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Im Missbrauchsfall rund um einen Wiener Lehrer hat eine Opferanwältin vergangene Woche eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft eingebracht. In dieser wurde der Verdacht auf zwei Mittäter geäußert. Nun liegt eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft vor: Diese entschied, kein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wie eine Sprecherin der Behörde am Mittwochnachmittag auf STANDARD-Anfrage sagte. "Der geschilderte Sachverhalt stellt sich so dar, dass er derzeit für sich alleine nicht den Anfangsverdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung begründen konnte", sagte die Sprecherin.

Sollte es Opfer geben, seien diese selbstverständlich eingeladen, sich an die Sicherheitsbehörden sowie an Opferschutzeinrichtungen zu wenden. Werden in weiterer Folge zusätzliche Sachverhaltsdarstellungen eingereicht, würden diese erneut auf einen Anfangsverdacht geprüft. Damit gibt es im gesamten Missbrauchskomplex vorerst keine Ermittlungen.

Gegen die zwei namentlich bekannten Personen wurde von Opfer-Anwältin Herta Bauer, die nach Eigenangaben mehrere Opfer vertritt, der Verdacht des Missbrauchs von Unmündigen sowie der Verdacht des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses geäußert. Die beiden Betroffenen waren mit dem Wiener Pädagogen gut bekannt und über die Sportvereinsszene vernetzt. Rechtsanwältin Bauer wird das Vorgehen der Staatsanwaltschaft nicht hinnehmen. Sie kündigte einen Fortführungsantrag beim Landesgericht für Strafsachen an, um die Staatsanwaltschaft zur Aufnahme von Ermittlungen zu zwingen. "Darüber hinaus erwägen wir eine Sachverhaltsdarstellung an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Behördenversagens", sagte Bauer.

Zumindest 25 Opfer polizeilich identifiziert

Wie berichtet, soll ein Lehrer einer Wiener Mittelschule zahlreiche Schüler missbraucht sowie kinderpornografisches Material angefertigt haben. Es gibt zumindest 25 Opfer, die bei den polizeilichen Ermittlungen identifiziert werden konnten. Der mutmaßliche Täter beging kurz nach der erfolgten Hausdurchsuchung – bei der eine große Menge an belastenden Fotos und Videos sichergestellt wurde – im Mai 2019 Suizid. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen kurz danach ein.

Rund um den Missbrauchsfall dürfte es aber mehr Opfer geben, als bisher bekannt wurde. Wiens Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs sagte zum STANDARD, dass es "eine Vielzahl von Betroffenen und Zeugen" gebe, die sich in den vergangenen Tagen gemeldet hätten. Der Pädagoge war seit dem Jahr 1996 als pragmatisierter Lehrer tätig. Daneben war er jahrelang in Wiener Sportvereinen sowie zwischen 1990 und 2010 in einem Feriencamp am Wolfgangsee engagiert. Auch im Zuge des Ferienlagers dürfte es zu Übergriffen gekommen sein – DER STANDARD berichtete. Eine erste Anzeige gegen den Pädagogen, die bereits im Jahr 2013 einlangte, ist aber versandet.


(David Krutzler, 5.10.2022)