Pöcksteiner sieht viel Druck auf Niemann zukommen.

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Hans Niemann wird künftig wohl eher selten eingeladen.

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Mayrhofen – Im schönen Zillertal, genauer gesagt: im Europahaus in Mayrhofen, gibt es derzeit nur ein Gesprächsthema: Schach. Schließlich steigt genau dort die Champions League vulgo der Vereins-Europacup. Etliche Superstars schmücken den Event, allen voran der norwegische Weltmeister Magnus Carlsen und Indiens Ex-Weltmeister Viswanathan Anand. Hans Niemann schmückt ihn nicht, der 19-jährige US-Amerikaner steht ja auch bei keinem europäischen Verein auf der Mitgliederliste.

Stünde er, würde er diese aber wohl dennoch nicht schmücken. Denn Niemann ist in der Schachwelt zur "persona non grata" geworden. Zunächst hatte ihn Carlsen, den er in St. Louis schlug, des mehrfachen Schachbetrugs "auch in jüngerer Vergangenheit" bezichtigt. Und zuletzt berichtete das "Wall Street Journal", die Online-Plattform Chess.com habe aufgedeckt, dass Niemann allein im Jahr 2020 bei mehr als hundert Online-Spielen nicht erlaubte Unterstützung erhielt. Dabei soll es sich auch um Partien gehandelt haben, bei denen Preisgelder vergeben wurden. 2020 war Niemann 16 bzw. 17 Jahre alt. Der US-Großmeister selbst hat bis dato lediglich zwei Betrügereien im Alter von zwölf bzw. 16 Jahren gestanden.

Die Konsequenzen

Chess.com will die Schummeleiein mithilfe von Betrugserkennungssoftware und Analysen nachweisen können. Dabei wurden etwa Niemanns Züge mit jenen der besten Schachcomputer verglichen. Dass Chess.com und Carlsen eine Geschäftsbeziehung verbindet, sei auch erwähnt. Allerdings ist fast auszuschließen, dass sich die Online-Plattform in dieser Causa aus reiner Liebdienerei eine Flanke aufmacht.

Der international seit Jahren höchst angesehene österreichische Schachfunktionär Johann Pöcksteiner, der den Vereinscup in Mayrhofen organisiert, geht davon aus, "dass die Luft für Niemann jetzt sehr, sehr dünn wird". Noch laufen Untersuchungen des Weltschachverbands Fide – unabhängig von deren Ausgang sieht Pöcksteiner "immer größeren Druck" auf Niemann zukommen. "Jeder Veranstalter wird sich künftig gut überlegen, ihn einzuladen", sagt der Ehrenvizepräsident der europäischen Schachunion ECU. "Spannend ist auch, wie lange Niemann von den Amerikanern noch eingeladen wird."

Pöcksteiner verweist auf die internationalen Strafbestimmungen im Schach und sagt, dass 14-Jährige noch mit Milde rechnen können, aber 16-Jährige schon unter die Erwachsenenregeln fallen. So gesehen könnte Niemann auch nachträglich noch gut und gerne für zumindest zwei Jahre gesperrt werden. "Natürlich hat er das Recht auf eine faire Beweiswürdigung", sagt Pöcksteiner. "Aber schon einmal schummeln ist einmal zu viel." (Fritz Neumann, 6.10.2022)