DeepMind-Gründer Demis Hassabis bei einer Preisverleihung.

Foto: EPA/Wu Hong

Die Google-Tochter DeepMind sorgt immer wieder mit spektakulären Anwendungen künstlicher Intelligenz (KI) für Aufsehen. 2010 in Cambridge als Start-up gegründet, ließ sich der US-Internetriese die Übernahme nur vier Jahre später etwa 500 Millionen US-Dollar kosten. Wohl ein gutes Investment, wie sich aktuell wieder einmal bestätigt, denn: DeepMind scheint einen neuen mathematischen Meilenstein gesetzt zu haben, der die Art, wie Computer Berechnungen durchführen, deutlich beschleunigen könnte.

Die von der KI AlphaTensor entdeckten Algorithmen zur Multiplikation von Matrizen könnten für bis zu 20 Prozent mehr Effizienz sorgen.

Erst Brettspiele, dann die Wissenschaft

DeepMinds Anfänge liegen in der Entwicklung von Brettspiel-KIs. Das asiatische "Go", in dem Computerprogramme lange Zeit nicht einmal gegen gute menschliche Amateure bestehen konnten, knackte die DeepMind-KI AlphaGo 2015 mit einem Sieg gegen den Europameister Fan Hui. 2016 legte man noch eines drauf und schlug medienwirksam den Südkoreaner Lee Sedol, einen der besten Go-Spieler der Welt, mit 4:1.

Während AlphaGo noch mit realen Go-Partien lernte, brauchte der 2017 vorgestellte Nachfolger AlphaGo Zero nur noch die Regeln des Tausende Jahre alten Brettspiels als Input, um selbstständig neue Strategien zu entwickeln – und seinen Vorgänger mit 100 zu null auf die Bretter zu schicken. Wenig später stellte DeepMind AlphaZero vor, eine KI, welche mit derselben Methode Schach und dessen japanische Variante Shōgi spielen kann und das bis dahin beste Schachprogramm Stockfish in die Schranken wies.

Und DeepMind ging noch einen Schritt weiter: Die Ende 2020 vorgestellte Weiterentwicklung von AlphaZero, Muzero, benötigt nicht einmal mehr das Regelwerk eines Spiels, um es zu meistern.

Mittlerweile scheint man bei DeepMind jedoch genug von derlei Spielchen zu haben. Denn: Statt der Brettspielszene mischt man in den letzten Jahren eher ganze Wissenschaftsbereiche auf. Seit 2016 tüftelt das Unternehmen etwa an einer KI, die nur aufgrund der Abfolge der Aminosäuren eines Proteins dessen dreidimensionale Struktur vorauszusagen kann, was biochemische Forschung stark vereinfacht und aufwändige Experimente vielerorts obsolet macht.

Kürzlich folgte der nächste große Durchbruch: Mehr als 50 Jahre lang biss sich die mathematische Forschung auf der Suche nach einem effizienterem Weg zur Berechnung von Matrizen die Zähne aus, bis kürzlich eine von DeepMind entwickelte KI quasi "beim Zocken" die bisher effizienteste Methode des deutschen Mathematikers Volker Strassen aus dem Jahr 1969 mit 47 statt 49 Rechenschritten übertraf.

Der auf der Brettspiel-KI AlphaZero basierenden künstliche Intelligenz AlphaTensor wurde dafür ein eigens entwickeltes Single-Player-Spiel, das TensorGame, vorgesetzt. Dieses funktioniert, grob umschrieben, so: Die Spielerin muss die verschiedenen Matrixteile miteinander multiplizieren und dabei mit möglichst wenigen Schritten auf ein Gesamtergebnis kommen. Je effizienter dabei vorgegangen wurde, desto mehr Punkte werden vergeben.

Matrizenmultiplikationen sind unter anderem die Basis digitaler Signalverarbeitung, was sämtliche Verfahren zur Übertragung, Aufzeichnung und Speicherung von Bild und Ton umfasst – ein großer Teil der Aufgaben, die heute von Computern übernommen werden. Weniger Rechenschritte bei der Multiplikation von Matrizen bedeuten somit eine Steigerung der Zeit- und Energieeffizienz solcher Prozesse. (Jonas Heitzer, 6.10.2022)