Das Schmelzen der Gletscher wirkt sich langfristig auch auf die Wasserversorgung aus.

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Linz/Obertraun/Nuuk/Reading – Der Hallstätter Gletscher auf dem Dachstein hat 2022 ein "Negativrekordjahr" verzeichnet. 2,9 Meter hat der Gletscher an Länge verloren, ähnlich schlecht war es nur 2015 und 2011 mit jeweils zwei Metern, bilanzierte Klaus Reingruber von Blue Sky Wetteranalysen am Donnerstag in einer Pressekonferenz mit dem oberösterreichischen Umweltlandesrat Stefan Kaineder (Grüne). Auch anderswo wurden "Negativrekorde" gebrochen: In Grönland war es offiziellen Angaben zufolge im September 2022 an einigen Orten mehr als acht Grad wärmer als im mehrjährigen Schnitt für diesen Monat.

Der Hallstätter Gletscher ist mit einer Fläche von knapp 2,4 Quadratkilometern der größte Gletscher der Nördlichen Kalkalpen. In den 1850ern – zum Höhepunkt seines letzten Vorstoßes – maß er 5,3 Quadratkilometer, damals lagerten dort rund 400 Millionen Kubikmeter Eis. Heute, 150 Jahre später, seien drei Viertel dieses Volumens verloren, so Kaineder und Reingruber, der seit 16 Jahren gemeinsam mit dem Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung den Massehaushalt des Gletschers in Abhängigkeit vom Klima analysiert.

Wasserprobleme vorprogrammiert

Die Eisdicke ist im abgelaufenen Jahr im Durchschnitt um 2,5 Meter weniger geworden, in manchen Bereichen waren es sogar sechs Meter. Der Sommer hat ungewöhnlich viele Gletscherspalten hervorgebracht, und "wenn man in Gletscherspalten hineinschaut, sieht man das Ende der Fahnenstange", schilderte Reingruber die Situation in manchen Bereichen. Die Eisdecke sei bereits sehr dünn.

Ursachen des heuer besonders großen Eisverlustes waren wenig Schneefall im Winter, das völlige Ausbleiben von Schneefall im Frühjahr und Frühsommer, Saharastaub, der das Eis dunkel färbt, und anhaltend hohe Temperaturen im Sommer. Erstmals sei heuer die gesamte frische Schneedecke des Winters bis zum Gipfel hinauf wieder abgeschmolzen. Reingrubers Fazit: "Das Ablaufdatum ist nicht mehr sehr weit weg."

Verhindern lasse sich das Abschmelzen aus heutiger Sicht nicht mehr, prognostiziert er. Irgendwann werde dann auch der Kipppunkt erreicht sein, an dem weniger Wasser als derzeit vom Berg herunterkomme, weil der Vorrat aufgebraucht ist. "Wenn wir von der Vergänglichkeit von ewigem Eis reden, wissen wir, dass wir ein Problem haben", fasste es Kaineder zusammen.

Mehr als acht Grad wärmer in Grönland

Ähnlich unumkehrbar wirkt die Situation in Grönland: Offiziellen Angaben zufolge war es im September 2022 an einigen Orten mehr als acht Grad wärmer als im mehrjährigen Schnitt für diesen Monat. "In Grönland war es ungewöhnlich warm, und der größte Teil des Gebiets erlebte den wärmsten September seit 1979", sagte die Klimaforscherin Freja Vamborg vom EU-Klimawandeldienst Copernicus am Donnerstag einer Mitteilung zufolge. Weltweit lag die Durchschnittstemperatur fast 0,3 Grad über dem Schnitt.

In Grönland schmilzt das Eis.
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Als Referenzzeitraum gelten die Jahre von 1991 bis 2020. Gemeinsam mit dem September 2016 war der diesjährige September global der viertwärmste bisher gemessene. In Europa lagen die Temperaturen hingegen etwas unter dem Durchschnitt. In der Antarktis lag die Ausdehnung des Meereises im September drei Prozent unter dem Durchschnitt. Dieser Wert rangiert unter den fünf niedrigsten Werten für September. In mehreren Monaten wurde in diesem Jahr eine rekordverdächtig niedrige Ausdehnung festgestellt.

Für seine Messungen und Auswertungen nutzt der EU-Klimawandeldienst Satelliten, Schiffe, Flugzeuge und Wetterstationen auf der ganzen Welt. Monatlich werden mithilfe von Computeranalysen Daten zu Temperaturen, der Meereisdecke und anderen Aspekten veröffentlicht. (APA, red, 6.10.2022)