Auch XXX Lutz muss Energie sparen. Der riesige rote Stuhl, Markenzeichen des Konzerns, erstrahlt nächtens nicht länger in hellem Schein. Um 22 Uhr gehen rundum die Lichter aus.

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Wien – Die Krise der vergangenen Jahre macht Unternehmen günstig und zu einem gefundenen Fressen für expansionsfreudige Rivalen. Gut beobachten lässt sich die Marktbereinigung im europäischen Möbelhandel. In diesem richtet sich XXX Lutz gerade quer durch alle Vertriebskanäle auf großer Fläche ein.

Der Schlüssel dazu sind gut gefüllte Kriegskassen. Hohe Liquidität und gute Zahlungsziele der Lieferanten erleichtern dem Konzern die internationale Einkaufstour.

Fast 80 Jahre ist es her, dass Gertrude Seifert in Haag am Hausruck in Oberösterreich Spanschachteln und handbemalte Bauernmöbel an Hotelkunden wie das Weiße Rössl am Wolfgangsee verkaufte. Heute zählt der nach wie vor familiengeführte Händler zu den drei größten Einrichtungskonzernen der Welt.

Seit Jänner hakte Lutz auf seiner Akquisitionsliste vier Übernahmen ab. Auf den Schweizer Diskonter Lipo folgte die 50-Prozent-Beteiligung an der polnischen Black-Red-White-Gruppe – was in Summe mehr als 110 Standorte einbrachte. Seit September ist das Schweizer Möbelhaus Meubles Pesse unter dem Dach der Österreicher. Noch im selben Monat kauften diese die Hälfte der deutschen Handelskette Braun Möbel.

Weiße Flecken besetzen

Nun begibt sich XXX Lutz auf das Börsenparkett. Der Konzern mit Sitz in Wels steigt beim Berliner Onlinehändler Home 24 ein. 60 Prozent der Anteile hat er sich schon gesichert.

"Wir lassen keinen Zug an uns vorbeifahren", sagt Unternehmenssprecher Thomas Saliger. Man habe das Internetgeschäft als einer der wenigen stationären Möbelhändler von Anfang ernstgenommen.

Dass dieses künftig Filialen ersetzen wird, bezweifelt er. Es helfe jedoch dabei, weiße Flecken zu besetzen und sich in rascherer Expansion zu üben. Beide Welten könnten viel voneinander lernen.

Eine "gmahde Wiesn" sind übers Internet vertriebene Möbel freilich nicht. Der von den Lockdowns während der Pandemie angeheizte Onlineboom hat sich heuer stark eingebremst. Mit viel Werbegeld lässt sich auf Onlineplattformen zwar zügig Frequenz erzeugen. Die Logistik dahinter ist aber vor allem für sperrige Güter hochkomplex. Unter dem Strich liegt der Onlineanteil im Möbelhandel bei zehn bis 15 Prozent.

Hartes Pflaster

Home 24 steckt wie andere Mitbewerber in der Verlustzone. Die Aktie brach seit 2021 von 14 auf zeitweise 2,5 Euro ein. XXX Lutz bietet für sie einen Kaufpreis von 7,5 Euro an, woraufhin sich ihr Kurs am Donnerstag mehr als verdoppelte. Auch Westwing, engster Rivale der Deutschen, der angesichts mieser Konsumlaune in der Krise steckt, holte sich an der Börse infolge des Offerts ein paar verlorene Meter zurück.

Home 24 setzt mit knapp 2.100 Beschäftigten in Europa und Brasilien gut 615 Millionen Euro um. XXX Lutz will das Unternehmen von der Börse nehmen. Mit im Paket ist Butlers mit europaweit 125 Filialen.

Die Dekokette frischte vor 20 Jahren den Einrichtungshandel auf, bis immer mehr Anbieter auf den kleinteiligen Markt aufsprangen. Butlers rutschte 2017 in die Pleite, seit 2021 übt sich Home24 mit dem Unternehmen im stationären Geschäft.

Wer mit Accessoires und Kleinmöbeln reüssieren will, muss hart am Wind segeln: Das Sortiment gehört laufend neu bestückt, der Rest abverkauft. Für vertretbare Margen braucht es Aufschläge von bis zu 300 Prozent auf den Einkaufspreis.

XXX Lutz sieht sich gut durch die Krise fahren und weiter flächenbereinigt wachsen, sagt Saliger. In Österreich investiert der Konzern in die Renovierung bestehender Standorte. Sein Ziel ist es zudem, mit kleineren Verkaufsflächen von 2000 bis 3000 Quadratmetern in Innenstädte einzuziehen. Fix sei ein Mömax in der Wiener Mariahilfer Straße, eröffnet werde 2024. Geschmack an der größten Einkaufsstraße Österreichs fand der Möbelriese schon bisher: Er ist dort als zweitgrößter Systemgastronom des Landes hinter dem Burgerbrater McDonald‘s mit einem seiner Restaurants vertreten.

Absage an "green monday"

Von der Schließung von Einrichtungshäusern am Montag, um Energie einzusparen, hält Saliger nichts. Die Idee, die in Deutschland aufgebracht wurde, sei absurd. "Was löst das in den Köpfen der Konsumenten aus? Wir sind keine Krisenbranche."

15 bis 20 Prozent Energie reduzieren ließe sich anderswo besser. Statt um Mitternacht gehen bei XXX Lutz Lichter rund um die Filialen künftig teils schon um 20 Uhr aus. Im Lager werde ebenso gespart wie beim riesigen roten Stuhl, der zum Markenzeichen wurde: Beleuchtung rund um die Uhr spielt es hier keine mehr.

Dem Marktforscher Regiodata zufolge gaben die Österreicher 2021 rund 5,9 Milliarden Euro aus, um Haus und Heim zu möblieren. Christian Wimmer, der als Chef der Einkaufsverbände Garant und Wohnunion knapp 300 mittelständische Händler vertritt, rechnet heuer für die gesamte Branche mit einem Minus von real sieben bis acht Prozent. "Die Kundenfrequenz ist vor allem bei Großflächenanbietern erheblich gesunken."

Auch er kann einem Einkaufstag weniger nichts abgewinnen. Der Fachhandel öffne in der Regel montags bis freitags. Noch mehr schätzten seine Kunden Termine auf Vereinbarung.

Diskretion

Anders als Eigentümer kleinerer Möbelhäuser, die meist höchstpersönlich im Geschäft stehen, scheut Familie Seifert, in deren Händen Lutz seit drei Generationen liegt, die Öffentlichkeit. Sie sei nie eitel geworden, sagt Saliger. Vor allem aber lege sie viel Wert auf ihr Privatleben. "Man geht halt gern in aller Ruhe auf Frankfurter am Würstelstand." (Verena Kainrath, 7.10.2022)