Am Freitag wurden 2.096 Corona-Normalbetten benötigt, 80 mehr als tags zuvor.

Foto: APA / Helmut Fohringer

Monatelang wurde das Covid-19-Register von der Bundesregierung vorbereitet, um auch einen fast tagesaktuellen Überblick über die Corona-Spitalszahlen zu haben. Seit Anfang September ist dieses Register öffentlich zugänglich. Mit dem deutlichen Anstieg der Belagszahlen vor allem im Bereich der Corona-Normalstationen rückt das Register vermehrt in den Fokus. Immerhin sollen Entscheidungen über mögliche Verschärfungen wie ein Comeback der FFP2-Masken-Pflicht in bestimmten Bereichen vor allem mit Blick auf die Situation in den Spitälern getroffen werden. Darauf nahm auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zuletzt Bezug.

Am Donnerstag benötigten erstmals seit einem halben Jahr wieder mehr als 2.000 Infizierte ein Corona-Normalbett. Die Tendenz ist stark steigend: Alleine in den letzten zwei Wochen erhöhte sich die Zahl um 1.021 Patientinnen und Patienten auf Normalstationen. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass der Anstieg vorerst weiter anhalten wird. Am Freitag wurden 2.096 Corona-Normalbetten benötigt, 80 mehr als tags zuvor.

Laut dem Covid-Prognose-Konsortium des Gesundheitsministeriums ist der erwartete Anstieg in den Spitälern aber auch "vor dem Hintergrund eines sehr hohen Anteils an Covid-Zufallsbefunden" zu beurteilen. Denn mit Verweis auf das Covid-19-Register des Bundes wurden nur rund 22 Prozent der aktuell hospitalisierten Covid-Fälle auch mit Covid-19-Symptomatik aufgenommen. Im Bereich der Intensivstationen beträgt dieser Anteil überhaupt nur zwölf Prozent. Die Schlussfolgerung laut dem Prognose-Konsortium: Der Covid-Belag tritt "in geringerem Ausmaß in Konkurrenz zur Regelversorgung als in vergangenen Epidemiephasen, in denen noch der Großteil der Covid-19-Patientinnen und -Patienten eine mit Covid assoziierte Hauptdiagnose aufwies".

Stadt Wien übt Kritik

An diesen Zahlen des Covid-19-Registers übt die Stadt Wien nun aber Kritik. Man könne diese niedrigen Werte nicht nachvollziehen, heißt es aus dem Ressort des zuständigen Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ) zum STANDARD. Im Bereich der Wiener Normalstationen gab es zuletzt in etwa eine 50:50-Verteilung: 50 Prozent der Personen wurden "wegen" Covid hospitalisiert, bei 50 Prozent war Corona eine Nebendiagnose (neben einer anderen primären Diagnose) oder ein Zufallsbefund.

Lungenfacharzt Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie an der Klinik Floridsdorf, berichtete, dass eine klassische Covid-19-Pneumonie (Lungenentzündung) sogar weniger als 50 Prozent aller Covid-Aufnahmen in seiner Abteilung betreffe. Allerdings gebe es viele Personen, bei denen Covid-19 auch "eine Verschlechterung etwaiger Grunderkrankungen (Lunge, Herz, Niere)" bedinge. Die Frage sei, wie man diese Fälle zähle.

Factsheet mit Detailzahlen

Neben dem fast tagesaktuellen Covid-19-Register gibt es auch ein regelmäßig aktualisiertes "Factsheet Covid-19-Hospitalisierungen", für beides zeichnet die Gesundheit Österreich (GÖG) des Bundes verantwortlich. Das Factsheet hat den Nachteil, dass Daten zur Hospitalisierung mit Verzögerung zur Verfügung stehen. Dafür sind diese äußerst umfang- und detailreich. Das jüngste Factsheet wurde am 5. Oktober aktualisiert, die Daten reichen bis Ende Juli 2022 – und sagen somit noch nichts über die aktuelle Omikron-Herbstwelle aus.

Bemerkenswert ist aber, dass von Jänner bis Juli 2022 der Anteil jener Corona-Hospitalisierten, bei denen Covid-19 als Hauptdiagnose festgestellt wurde, noch 56 Prozent betrug. Betrachtet man sowohl Haupt- als auch Nebendiagnosen, zeigt sich, dass in dieser Phase bei 60 bis 70 Prozent eine Covid-Assoziation festgestellt werden konnte. Im Bereich der Corona-Intensivstationen beträgt dieser Anteil 44 bis 62 Prozent.

Geht es nach dem Covid-19-Register, muss der Anteil von Hauptdiagnosen bei Covid-19-Fällen zuletzt – seit Anfang August – also deutlich nach unten gegangen sein.

Ein Sprecher der GÖG verwies auf STANDARD-Anfrage darauf, dass Factsheet und Covid-19-Register auf unterschiedlichen Datenquellen basieren würden. Der Anteil von Covid-19 als primärem Grund der stationären Spitalsaufnahme bei Corona-Fällen gehe aber jedenfalls zurück, heißt es zum STANDARD. "Dieser Trend ist klar ersichtlich." Der Anteil von Covid als Nebendiagnose werde größer.

Mehr als 139.000 aktive Corona-Fälle in Österreich

Mit Stand Freitag stieg die Zahl der aktiven Corona-Fälle auf mehr als 139.000. Gemäß Daten des Abwasser-Monitorings dürfte die Dunkelziffer – auch aufgrund einer geringen Anzahl von Corona-Tests – deutlich höher sein.

Auch Spitalspersonal wird positiv getestet, was zu immer mehr Personalausfällen führt. Im Österreich-Durchschnitt gebe es "überdurchschnittlich hohe ungeplante Personalausfälle", die bei mehr als sechs Prozent – bezogen auf das gesamte Spitalspersonal – liegen, wie es laut den Experten des Covid-Prognose-Konsortiums heißt.

Rauch setzt vorerst auf Maskenempfehlung

Eine Verschärfung von Corona-Maßnahmen ist vorerst aber nicht geplant. "Ist eine Überlastung des Gesundheitssystems zu befürchten, werden wir natürlich rechtzeitig Maßnahmen setzen. Aktuell ist das aber nach Einschätzung fast aller Expert:innen nicht zu erwarten", heißt es auf STANDARD-Anfrage aus dem Gesundheitsministerium.

Minister Rauch begrüßte aber "die gemeinsame Empfehlung der Gecko und der Corona-Kommission, in öffentlichen Innenräumen wieder FFP2-Schutzmasken zu tragen und das breite Testangebot in Anspruch zu nehmen", sagte er. "Jeder und jede Einzelne kann dazu beitragen, dass wir gut durch die kommenden Wochen kommen und insbesondere vulnerable Personen geschützt werden." Vorerst bleibt es also laut Rauch bei der Empfehlung. Der Minister hatte zuletzt aber nicht ausgeschlossen, dass im Herbst auch eine Maskenpflicht in einzelnen Bereichen wie den Öffis und dem Lebensmitteleinzelhandel wieder kommen könnte. (David Krutzler, 7.10.2022)