Vier Tage Arbeit, drei Tage frei: So sieht für viele Beschäftigte die ideale Arbeitswoche aus.

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Donnerstag ist der neue Freitag. Nine-to-Five und das fünf Tage die Woche als "normale" Arbeitszeit? Das klingt für viele nach einer Welt von gestern. Denn immer mehr Länder und Unternehmen probieren nun aus, wie sie dem Wunsch ihrer vielgesuchten Arbeitskräfte und Fachleute besser entsprechen können – nämlich mit einem zusätzlichen freien Tag.

Die Beliebtheit der Viertagewoche ist nach wie vor ungebrochen. Das zeigt auch eine aktuelle Studie des Umfrageinstituts Yougov im Auftrag der Versicherer HDI in Hannover: Mehr als drei Viertel der Beschäftigten gaben an, dass sie die Einführung der Viertagewoche in ihrer Firma begrüßen würden. Eine große Mehrheit allerdings nur bei vollem Lohnausgleich. Befragt wurden dafür im Juni und Juli mehr als 3800 deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Zur selben Zeit startete das österreichische Recruitingunternehmen epunkt einen dreimonatigen Testlauf zur Viertagewoche. Über den Sommer hinweg wurde die Arbeitszeit auf 32 Stunden die Woche reduziert, die Bezahlung blieb gleich. Die Regel ist das allerdings nicht: In vielen experimentierfreudigen Unternehmen wird stattdessen die jeweilige Normalarbeitszeit auf vier Tage zusammengeschoben. Denn die Produktivität dürfe keinesfalls leiden.

Positive Effekte

Ob die Umsetzung ein Erfolg ist, wurde bei dem Recruitingunternehmen aber nicht nur an der Arbeitsleistung, sondern auch an der Attraktivität als Arbeitgeber gemessen. Fehlende Fachkräfte, die hohe Wechselbereitschaft im Job und die schwindende Bindung an die Arbeit, die zahlreiche Studien attestieren, bereiten vielen Unternehmen Kopfzerbrechen. Die Recruitingbranche ist dabei keine Ausnahme: "Unsere Mitarbeiter werden umworben, wie man es bislang nur von Beschäftigten aus der IT-Branche kannte", sagt CEO Daniel Marwan.

Pro Monat hätten das Unternehmen im Durchschnitt ein bis zwei Personen verlassen. Seit der Ankündigung des Pilotversuchs im Frühjahr und dem vorläufigen Ende der Viertagewoche im September habe es nur eine einzige Kündigung gegeben. Die Anzahl der Bewerbungen sei im selben Zeitraum stark gestiegen. "Wir sind zum Magnet für neue Kandidatinnen und Bewerber geworden. Gleichzeitig hat sich die Viertagewoche zum Kleber für unsere bestehenden Mitarbeiter entwickelt", bilanziert Marwan.

Ähnliche Ergebnisse wie andere Studien erzielten auch die Umfragewerte zum Wohlbefinden. Mehr als 90 Prozent der Beschäftigten des Recruitingunternehmens gaben an, sich erholter und motivierter zu fühlen als zuvor. Und wie steht es um die Produktivität? Experimente und Beispiele aus aller Welt zeigten immer wieder positive Effekte auf die Arbeitsleistung – diese sei gleichbleibend und teilweise sogar gestiegen. Beim bislang größten Versuch in Island wurden Produktivitätseinbußen verhindert, indem die Arbeitsroutinen der Versuchsteilnehmer überarbeitet wurden.

Weniger Produktivität

So sei man auch bei epunkt vorgegangen: Die Meetings wurden reduziert und ihre Dauer verkürzt, Termine und Aufgaben, die sich erübrigten, ersatzlos gestrichen. Die Produktivitätswette habe man dennoch nicht gewonnen, räumt Marwan ein. Ob die Viertagewoche eine direkte Auswirkung hatte, könne man aufgrund verschiedener Einflussfaktoren weder mit Sicherheit sagen, noch komplett ausschließen. Zum Beispiel sei heuer mehr Urlaub genommen worden als im Vorjahr, sowohl im Unternehmen als auch auf Kunden- und Kandidatenseite. Die Geschäftsführung will trotzdem an der verkürzten Arbeitswoche festhalten – künftig aber mit 34 statt 32 Wochenstunden. Man wolle lieber mit gut ausgebildeten und erholten Mitarbeitenden an der Produktivität schrauben, als über Fluktuation zu grübeln, heißt es.

Das Bekenntnis zur neuen Arbeitsweise komme auch aus Lehren, die man seit der Pandemie gezogen habe. "Vor Corona war Remote Work in diesem Ausmaß bei uns nicht üblich", sagt Marwan. Doch auch als eine Rückkehr an den Arbeitsplatz wieder möglich war, habe man der Belegschaft die freie Wahl gelassen – ob im Büro, zu Hause oder im Sinne einer Workation in den Bergen oder am Strand gearbeitet wird.

Blick in die Zukunft

"Eine Befragung unserer Mitarbeiter hat gezeigt, dass der Wunsch nach mehr Freizeit groß ist. Mehr Geld wollten nur die wenigsten", sagt Marwan. Neben dem Feedback der Belegschaft treibe ihn der Blick in die Zukunft an. Eine sechste Urlaubswoche könne man sich auch in einem neuen Job aushandeln, die Viertagewoche erfordere hingegen eine Umstellung der gesamten Firma. Der Wettbewerbsvorteil im Kampf um begehrte Fachkräfte werde sich daher langfristig rechnen, glaubt er.

Dass der Hype um Arbeitszeitreduktion ein Ausdruck dessen sei, dass die junge Generation nicht mehr arbeiten wolle, möchte Marwan nicht bestätigen: "Die Jungen trauen sich nur öfter, das auch auszusprechen." Dennoch kann sich der Personalexperte nicht vorstellen, dass die Viertagewoche für alle bald zur Norm wird. Schließlich gebe es auch genug Firmen, die nach wie vor kein Homeoffice anbieten. (Anika Dang, 10.10.2022)