Ein Artikel über Google-Smartphones kommt üblicherweise nicht ohne den folgenden Hinweis aus: Zwar mag deren Verkaufszahl im Vergleich zu anderen Herstellern überschaubar sein, ihr Einfluss auf die gesamte Android-Welt ist aber nicht zu unterschätzen – alleine schon, weil Google darauf neue Softwaregenerationen entwickelt und auch mit manchen Features die Richtung vorgibt.

Umdenken

Eine Charakterisierung, die man bei Google aber nicht (mehr) so gerne hört. Immerhin hat das Unternehmen zuletzt stark in seine Hardwareabteilung investiert, sogar eine eigene Chipentwicklung aufgebaut. Das Ziel: den Marktanteil bei Smartphones und Co massiv auszubauen. Und wie die eben vorgestellten Pixel 7 und Pixel 7 Pro zeigen: mit aller Macht. Oder um es noch deutlicher zu formulieren: mit der Brechstange.

Die Pixel-7-Serie – im Bild das Pro-Modell – soll die Verkäufe von Google-Smartphones weiter beflügeln.
Foto: Google

Für neue Premium-Smartphones sind die Preise schon so bereits recht günstig. 649 Euro für das Pixel 7, 899 Euro für das Pixel 7 Pro verlangt Google. Zum Vergleich: Das billigste iPhone 14 gibt es um 999 Euro, der Listenpreis des schwächsten Galaxy S22 lag zum Start bei 849 Euro – und von der Hardware her sind diese eher mit dem kleineren als dem größeren Pixel vergleichbar.

Vorbestellbonus

Doch wer eines der beiden neuen Google-Smartphones vorbestellt, der hat die Chance auf ein echtes Schnäppchen. Gibt es doch beim Pixel 7 Pro kostenlos die brandneue Pixel Watch dazu – optional sogar die LTE-Version im Wert von 429 Euro. Beim Pixel 7 sind es noch immer die Pixel Buds, die sonst mit 219 Euro gelistet sind. Wenn man für eines dieser Geräte Verwendung hat – oder einen Abnehmer findet –, relativiert sich der Anschaffungspreis der Smartphones also gehörig.

Dass Google bei all dem noch einen Gewinn macht, darf mehr als bezweifelt werden. Das ist aktuell aber auch – noch – gar nicht das Ziel. Stattdessen sollen die Marktanteile vorangetrieben werden, und dafür sind ein guter Preis und nette Extras natürlich nicht das schlechteste Mittel

Ambitionierte Ziele

Die Ziele für die Pixel-7-Serie scheinen jedenfalls ambitioniert: Laut einem aktuellen Bericht von Nikkei Asia soll Google zum Marktstart acht Millionen Stück der neuen Smartphones produzieren haben lassen. Das wären erheblich mehr als je zuvor. Der gleiche Bericht spricht davon, dass Google 2023 seine Absätze im Vergleich zu diesem Jahr verdoppeln will – womit man auch erstmals im zweistelligen Millionenbereich landen würde.

Die Pixel Watch gibt es beim Pixel 7 Pro kostenlos dazu.
Foto: Google

Der Trend des vergangenen Jahres dürfte Google jedenfalls Hoffnung geben, dass man zumindest eine realistische Chance hat. Zumindest in jenen Ländern, wo das Pixel 6 auch stärker beworben wurde, zeigt sich nämlich ein signifikanter Anstieg der Marktanteile – allen voran in den USA. Laut den Zahlen der Marktforscher von Canalys hat Google im ersten Halbjahr 2022 dort seine Verkäufe im Vergleich zum Vorjahr fast vervierfacht, und es damit in die Top Five der Hersteller geschafft.

Alles ist relativ

Nun muss dieser Erfolg natürlich eingeordnet und ein bisschen relativiert werden. Selbst in den USA reicht das derzeit nur für einen Marktanteil von 2,6 Prozent. Und natürlich ist der – in den vergangenen Tagen durch soziale Medien und Blogs gehende – Einwand, dass Google im Vergleich zu Samsung und Apple noch sehr wenige Geräte verkauft, nicht ganz falsch. Tatsächlich hat etwa Samsung alleine im Jahr 2021 272 Millionen Smartphones verkauft.

Allerdings muss auch diese Zahl wieder in einen Kontext gesetzt werden, um nicht irreführend zu sein. Denn was Samsung hier verkauft, sind vor allem Smartphones in sehr günstigen Preisklassen. Das – mit großem Abstand – erfolgreichste Modell des Unternehmens war 2021 das Galaxy A12, und damit ein Smartphone, das um rund 170 Euro verkauft wird.

Samsung verkauft auch bei High-End-Geräten deutlich mehr, aber ...

Schon eher mit den Pixel-Geräten vergleichbar wäre die S-Reihe von Samsung. Im Jahr 2021 wurden laut IDC 20 bis 25 Millionen Stück unterschiedlicher S21-Modelle verkauft. Da wären die anvisierten Absätze für das Pixel 7 zumindest nicht mehr in einer ganz anderen Welt angesiedelt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Samsung-Smartphones in erheblich mehr Ländern verkauft werden.

Das Galaxy S22 Ultra von Samsung.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Was sich hier in Wirklichkeit zeigt, ist, wie dominant Apple im Premiumbereich – und damit auch bei mit Smartphones erzielten Gewinnen – ist. Apple hat 2021 nämlich 235 Millionen Smartphones verkauft – und das zu großen Teilen im obersten Preissegment.

Apple ist das Ziel

Damit erklärt sich auch logisch, wo Google hinwill: Es geht nicht darum, Samsung im Android-internen Wettbewerb Marktanteile abzuknabbern. Das Ziel heißt – zumindest langfristig – Apple. Genau deswegen baut Google derzeit sein Hardware-Ökosystem nach und nach aus. Die Pixel Watch wurde gerade erst vorgestellt, neue Earbuds gibt es schon seit ein paar Monaten, und selbst ein Tablet soll bald folgen.

Denn auch wenn sich Samsung redlich bemüht, bisher ist es keinem Android-Hersteller gelungen, Apple bei der nahtlosen Verzahnung aller Geräte Paroli zu bieten. Genau diese ist aber für viele ein entscheidender Grund, sich ein iPhone zuzulegen. Also will Google eine Alternative bieten – aber ohne die Vorteile der Offenheit von Android zu verlieren. Features, die nur im Zusammenspiel zweier Pixel-Geräte unterschiedlicher Kategorien funktionieren, gibt es entsprechend bisher kaum.

Was sagt Samsung?

Auffällig ist dabei, wie ruhig sich Samsung in dieser Situation verhält. Immerhin soll das Unternehmen in der Vergangenheit schon bei früheren Hardwareambitionen von Google mehrfach dazwischen gefunkt haben. Insofern verwundert es zunächst, dass derzeit so gar nichts von Unstimmigkeiten zwischen den beiden Firmen zu hören ist. Ganz im Gegenteil gibt man sich betont harmonisch. Samsung hat sich gar zu so etwas wie einem bevorzugten Partner von Google entwickelt, der etwa die aktuellste Wearable-Software – also WearOS 3 – recht lange exklusiv bekommen hat.

Diese Ruhe mag aber auch daran liegen, dass Samsung sehr gut an Pixel-Geräten verdient. Stammen doch viele der dort verbauten Komponenten von dem südkoreanischen Hersteller. Das reicht von den Displays über den Großteil der Kamerasensoren bis zur Kooperation rund um Googles Tensor-Chip. Einen Aufstieg der Pixel-Linie könnte man also finanziell sehr gut verkraften.

Ein koheräntes Ökosystem, nicht bloß ein Gerät, das will Google erreichen.
Foto: Google

Viele Unsicherheitsfaktoren

Ob Googles Plan aufgeht, ist freilich noch mal eine andere Frage. Denn auch wenn das Unternehmen bei der Entwicklung guter Hardware – und vor allem darauf abgestimmter Features, mit denen man sich vom Mitbewerb abhebt – zuletzt deutliche Fortschritte gemacht hat, so ist das doch nur eine Komponente auf dem Weg zum Erfolg. Der Notwendigkeit einer aggressiven Preisgestaltung – nach der Vorbestellphase werden sicher wieder viele Aktionen folgen – scheint man sich jedenfalls bewusst zu sein. Wie es mit der Bewerbung außerhalb der USA aussieht, muss sich hingegen erst zeigen.

Verfügbarkeit

Vor allem aber macht das Unternehmen nur langsam – eigentlich: zu langsam – Fortschritte bei der Länderverfügbarkeit. Beim Pixel 7 sind zwar ein paar Länder hinzugekommen, aber eben nur ein paar. Österreich gehört etwa nicht dazu, auch wenn die Google-Geräte trotzdem hierzulande recht einfach zu bekommen sind. Doch zur echten Unterstützung eines Landes gehört ohnehin erheblich mehr als nur der Online-Verkauf über den Google-Store. Etwa die direkte Verfügbarkeit bei großen Elektronikhändlern und vor allem auch bei den Mobilfunkern, über die noch immer ein bedeutender Teil aller Smartphones verkauft wird.

"Künstliche Intelligenz" ist Googles Stärke und Schwäche zugleich

Dabei zeigt sich aber auch ein strukturelles Problem für Google. Einige der besten Pixel-Features sind nur auf Englisch oder gar exklusiv in den USA verfügbar. Das ergibt sich schlicht daraus, dass es bei "künstlicher Intelligenz", auf die Google vor allem setzt, oftmals ziemlich schwer ist, mehrere Sprachen zu unterstützen – vor allem nicht vom Start weg. Das mag technisch verständlich sein, ändert aber nichts daran, dass ein Pixel-Smartphone in den USA schlicht ein besseres Gerät ist als in Europa.

Fazit

Aktuell hat Google zum ersten Mal ein Produktportfolio, das wirklich kohärent wirkt. Auch eine einheitliche Designlinie zieht sich durch – und ist unverkennbar. Die Grundlage ist also da. Entscheidend wird aber sein, ob Google auch wirklich den notwendigen Willen – und einen entsprechend langen Atem – hat, um den Plan wirklich durchzuziehen. Nämlich auch dann, wenn er nicht sofort greift – das gehört nämlich dazu. (Andreas Proschofsky, 8.10.2022)