Freundinnen mit vielen Geheimnissen: Jasmin Gerat, Diana Amft, Franziska Weisz und Franziska Hackl in "Tage, die es nicht gab".

Foto: ORF / Hubert Mican

Er ist grausam, sadistisch, zerstörerisch. Eine Art "Gott Kupfer", der seine Schülerinnen und Schüler quält und dabei überzeugt ist, das Richtige zu tun. "Hier bilden wir keine Opfer aus", sagt der Direktor des Sophianum.

Loser und Versager sind ihm ein Gräuel, für sie ist kein Platz in seiner Eliteschule. Paul Paulitz (Harald Krassnitzer) regiert mit eiserner Hand. Und er treibt manches Kind in die Verzweiflung – und in den Suizid. So wie den kleinen Balthasar, der sich nach einer Demütigung durch Paulitz aus dem Fenster stürzt.

Nur zwei Tage später ist Paul Paulitz tot, er hat sich – so zumindest die offizielle Version, auf die sich die Ermittler damals geeinigt haben – von einer Staumauer in den Tod gestürzt.

Jetzt, Jahre später, wird dieser Fall wieder aufgerollt. In der neuen achtteiligen Serie Tage, die es nicht gab – zu sehen ab Montag in Doppelfolgen in ORF 1 – schickt Drehbuchautor Mischa Zickler (Walking on Sunshine, Familiensache) die mit staubtrockenen Humor ausgestattete Kommissarin Elfriede Grünberger (Sissy Höfferer) mit ihrem ehrgeizigen Kollegen Lukas Leodolter (Tobias Resch) in den noblen Vorort Zollberg. Die beiden sollen herausfinden, was damals wirklich geschah und wie und warum Paul Paulitz ums Leben kam.

Viel reden und wenig sagen

In diesem – nur an der Oberfläche ruhigen und idyllischen – Villenvorort trifft das Ermittlerduo auf die Freundinnen Miriam (Franziska Weisz), Doris (Diana Amft), Inès (Jasmin Gerat) und Christiane (Franziska Hackl). Und schon bald wird klar: Diese vier Frauen verbindet mehr als eine langjährige Freundschaft: nämlich etwas, das noch stärker zusammenhält. Da sind Geheimnisse – auch voreinander, Vorfälle aus der Vergangenheit und auch aus dem Jetzt, die sich ganz langsam nach und nach an die Oberfläche schleichen. Diese vier Frauen reden und trinken viel miteinander und sagen einander doch bei weitem nicht alles.

Auch sie waren Schülerinnen des Sophianum, auch sie haben dort gelitten und sich mit 13 geschworen, ihre Kinder nie in diese Schule zu schicken. Und doch kutschieren sie jetzt ihren, in schicken Schuluniformen gekleideten Nachwuchs mit ihren teuren SUVs dorthin. Warum? Was ist damals passiert? Und was haben die Ereignisse aus der Vergangenheit mit dem Tod von Paulitz zu tun? Vieles bleibt im Verborgenen, geschickt spielen die Regisseurinnen Anna-Katharina Maier – sie inszenierte die ersten vier Folgen und Mirjam Unger (Episode fünf bis acht) – mit alten Geheimnissen und immer neuen, unerwarteten Wendungen. Alles ist miteinander verwoben. Das Wie gibt Rätsel auf.

Schwere Packerln

Tage, die es nicht gab ist ebenso Krimi wie interessantes Psychogramm spannender Frauenfiguren. Jede der vier Freundinnen hat ihr eigenes, schweres Packerl zu tragen. Die toughe Miriam und ihr Mann Joachim (schön manipulativ: Andreas Lust) leben in Scheidung und im Sorgerechtsstreit um ihre drei Kinder. Doris hat mit ihrer Firma und ihrer dominanten Mutter (grausam: Jutta Speidel) zu tun. Perfektionistin Inès leidet unter der Drogensucht ihres Sohnes (Etienne Halsdorf). Christiane und ihr Mann Filip (Stefan Pohl) versuchen, nach dem Tod ihres Kindes zurück ins Leben zu finden.

"Den vier Frauen wird der trügerische Mantel des Schweigens, der sie über Jahre wohlig gewärmt hat, mit einem Ruck weggerissen. Es ist die Geschichte von Leuten, die viel miteinander sprechen, aber trotzdem immer aneinander vorbeireden – weil sie das Thema, um das es wirklich geht, meilenweit umschiffen", sagt Autor Mischa Zickler über seine Geschichte. Dass dieses Umschiffen bald nicht mehr möglich ist, dafür sorgen die schräge Kommissarin und ihr Gehilfe. Folge um Folge puzzeln sie an den Zusammenhängen. Und die haben es in sich.

Als ein "Big Little Lies auf Österreichisch" sieht Franziska Weisz die Produktion. Dem ORF ist hier ein recht großer Serienwurf gelungen. (Astrid Ebenführer, 8.10.2022)