In Österreich zeichnen sich die Superreichen nicht mit großer Spendenbereitschaft aus, dafür gibt es viele gemeinnützige mittelständische Stifter.

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Reich und gut: Dieser Kombination menschlicher Eigenschaften in einem Satz steht eine Vielzahl von Menschen misstrauisch gegenüber, als ob das Vermögen der einen die Armut der anderen bedinge. Praktisch alle Wohlfahrtsstaaten beinhalten darum Modelle der Umverteilung von einkommensstarken zu einkommensschwachen Gruppen und progressive Steuersätze, die höheres Einkommen stärker besteuern. In Finnland ist der Spitzensatz mit 56,95 Prozent weltweit am höchsten, gefolgt von Dänemark (56,5 Prozent), Japan (55,97 Prozent), Österreich (55 Prozent) und Schweden (52,85 Prozent).

Solche Steuersätze ändern wenig daran, dass es Reichtum und Reiche gibt. Und derselbe gesellschaftliche Konsens, der in den meisten wohlhabenden Ländern für Umverteilung, staatliche Wohlfahrt und progressive Steuern sorgt, duldet auch Reichtum und Reiche. Steuern auf Kapital und Vermögen, gar auf vererbtes Vermögen, sind meist bescheiden, selbst wenn wohlhabende Menschen dies (häufig lautstark) anders sehen.

Was bleibt also Milliardären, die es satthaben, sich für ihren Platz auf der jährlichen Reichstenliste von Forbes anfeinden zu lassen? Die wahrscheinlich radikalste Lösung fand vor kurzem der Gründer der US-amerikanischen Outdoor-Modekette Patagonia, Yvon Chouinard: Er vermachte 98 Prozent seiner Firmenanteile unwiderruflich einer Non-Profit-Organisation (NPO) und zwei Prozent der Aktien – die alle Stimmrechte des Unternehmens besitzen – einer Stiftung, dem Patagonia Pur pose Trust. Patagonia wird wie bisher als gewinnorientiertes Unternehmen geführt, wobei der Trust die Lenkung als "sozial verantwortliches Unternehmen" in der Hand behält. Der Gewinn, genauer: 98 Prozent von rund 100 Millionen US-Dollar im Jahr, fließt in die NPO, die sich dem Klimaschutz verschrieben hat. Yvon Chouinard, zuvor als Eigentümer mit der Unternehmensbewertung von drei Milliarden US-Dollar in der Forbes-Liste, wird sich hier nie wiederfinden.

In Österreich noch wenig Wohltätigkeit unter Superreichen

In Österreich werden naturgemäß kleinere Brötchen gebacken – obwohl es dem Land nicht an Superreichen mangelt. Das Wirtschaftsmagazin Trend zählt in seinem Ranking 2022 hierzulande 49 Euro-Milliardäre. Inmitten der Pandemie hat die Liste um stolze drei Neuzugänge zugenommen. Angeführt wird die illustre Runde von Red-Bull-Miteigentümer Dietrich Mateschitz (rund 25 Mrd. Euro) und der Piëch-Porsche-Autodynastie (rund 42 Mrd. Euro). Das Vermögen der 15 reichsten Milliardäre beläuft sich derzeit auf rund 100 Milliarden Euro – eine Summe, mit der Österreichs Bildungssystem rund 20 Jahre lang finanziert werden könnte (oder bei guter Anlage: für immer, ohne dass dieses Vermögen weniger würde).

Durch besondere Wohltätigkeit, die dem Umfang ihrer Vermögen entsprechen würden, sind Österreichs Milliardäre bisher jedoch nicht aufgefallen. Kein Einziger von ihnen hat den von Bill und Melinda Gates mit Warren Buffet initiierten "Giving Pledge" unterzeichnet: eine freiwillige Selbstverpflichtung, noch zu Lebzeiten zumindest die Hälfte des privaten Reichtums für gemeinnützige Zwecke auszugeben. Immerhin 24 Europäer finden sich auf der Liste der 236 "Pledgers", darunter aber kein Österreicher.

Mittelstand spendet öfter gemeinnützig

Österreichs gemeinnützige Stifter kommen dagegen eher aus dem "Mittelstand" des Reichtums. Nicht selten sind es Menschen, die aufgrund einer guten beruflichen Karriere oder eines Familienerbes mehr haben, als sie für ein gutes Leben brauchen. Ein Beispiel dafür ist die "Stifterin des Jahres 2022", zu der eben erst Wanda Moser vom Verband für gemeinnütziges Stiften gekürt wurde. Das Gründungskapital für die im Jahr 2000 gegründete Unruhe-Stiftung kam aus einer Erbschaft. "Wir wollten mit dem Geld, das wir nicht für uns brauchen, Sinnvolles tun", beschrieb Moser es im STANDARD. Seit 2005 wird darum die "SozialMarie" für soziale Innovation vergeben, ein früher Anstoß für die Stifterszene in Österreich. Moser war auch die treibende Kraft hinter den "Sinnstiftern", einer Plattform von 13 Stiftungen, die gemeinnützig tätig sind.

Ähnlich wie Moser, die aus dem für das eigene Leben nicht benötigten Erbe die SozialMarie schuf, will die erst 29-jährige Marlene Engelhorn 90 Prozent des Millionenerbes spenden, das sie als Nachkommin des BASF-Gründers Friedrich Engelhorn von ihrer Großmutter erben soll. In einem Gespräch mit dem STANDARD nannte sie eine zweistellige Millionensumme, aus einem geschätzten Gesamtvermögen der Engelhorn-Familie von 4,2 Milliarden US-Dollar. "Ich habe für das Geld keinen Tag gearbeitet und zahle für den Erhalt keinen Cent Steuer. Das kann es doch nicht sein", sagt sie und will am eigenen Beispiel eine Debatte über die Fairness von Steuern führen. Dieses Ziel verfolgt auch das Netzwerk "Millionaires for Humanity", dem Engelhorn angehört und das für eine Vermögenssteuer eintritt.

Zu wenig Kapital

Viele Stifter in Österreich machen nach ihren ersten Projekten die Erfahrung, dass ihr Kapital für große Programme nicht ausreicht. Jedoch können Preise und Projektzuwendungen für NPOs eine wichtige Anschubfinanzierung sein. Anders als Stiftungen von Superreichen – wie die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die unter anderem zur Bekämpfung von Malaria Milliarden an die WHO (Weltgesundheitsorganisation) bezahlt hat, oder die Hasso-Plattner-Foundation des SAP-Mitgründers, die wissenschaftliche Institute finanziert – konzentrieren sich Österreichs gemeinnützige Stifterinnen und Stifter oft auf Innovationspreise wie die SozialMarie oder die "Mega Bildungsmillion".

Auch wenn dies die Frage nach langfristiger Finanzierung für gemeinnützige Organisationen offenlässt, können solche Zuwendungen eine wichtige Rolle spielen. Sie ermöglichen Innovation und Erneuerung im eingefahrenen Betrieb des Sozialstaats. Zieht man eine Parallele mit der kommerziellen Start-up-Szene, dann sind gemeinnützige Zuwendungen das "Seed-Money", um eine Idee an den Start zu bringen und ein paar Jahre am Laufen zu halten. Was hingegen in Österreich fehlt, sind große, gemeinnützige Investoren, die zur Etablierung großer Projekte einen hinreichend langen finanziellen Atem haben.

Österreichs Staat steht den gemeinnützigen Stiftungen ambivalent gegenüber. Das zeigt sich an der ungleichen Besteuerung von Zuwendungen: Während für Kultur oder Wissenschaft keine Kapitalertragssteuern bei der Entnahme aus einer Stiftung anfallen, müssen Gelder für Bildungsprojekte versteuert werden. Überspitzt ausgedrückt: Wer Schulen, die eine zentrale Aufgabe unseres Staates sind, unterstützen will und damit indirekt diesen Staat entlastet, muss dafür demselben Staat noch ein Viertel davon extra bezahlen. Dasselbe gilt für andere Aufgaben, die von der Republik nicht als steuerlich begünstige Spendenzwecke anerkannt werden, etwa gemeinnützige journalistische Projekte.

Die Motivation – irrelevant

Ähnlich ambivalent wie der Staat zeigt sich oft der gesellschaftliche Diskurs. Misstrauen begleitet die Großmut: Als Motiv für große Spenden werden oft Schuldgefühle vermutet, seinen Namen auf einer Plakette sehen zu wollen oder gar die Absicht, sich über Umwege zusätzlichen Reichtum zu erwirtschaften. Der deutsche Philanthrop Jan Philip Reemtsma, der aus seinem Erbe das Hamburger Institut für Sozialforschung gründete, hält die Forschung nach Motiven für sinnlos. "Warum irgendwer überhaupt etwas tut, wissen wir nicht ernstlich", argumentiert er zum Thema, ob Stiften und Spenden steuerlich begünstigt werden sollen. Und vor allem: Würde es für ein Kind einen Unterschied machen, ob eine lebensrettende Impfung nur möglich wurde, weil der Geldgeber seinen Namen verewigen will?

Die pragmatische Antwort auf die Frage nach der Legitimation der privaten gemeinnützigen Finanzierung wäre: Alles Geld ist willkommen, wenn es hilft. Und wenn Österreichs 49 Euro-Milliardäre Schuldgefühle und schlaflose Nächte wegen ihres Vermögens hätten (keine Sorge, sie haben es nicht) und deshalb die Hälfte ihres Geldes – oder besser noch, wie Patagonias Yvon Chouinard, ihr ganzes Vermögen – guten Zwecken zukommen lassen wollen: umso besser. Dabei werden sie sich der kritischen Beobachtung über ihre Tätigkeiten stellen müssen – so wie unser Staat auch. (Helmut Spudich, 13.10.2022)