Schaulustige blicken am frühen Morgen des 8. Oktober auf die brennende Brücke.

Foto: Imago / Itar-Tass / Alyona Popova

Die Krim-Brücke gilt als längstes Bauwerk Europas. Über 19 Kilometer erstreckt sie sich über die sogenannte "Straße von Kertsch", die Meerenge zwischen den Halbinseln Krim und Taman. Die Brücke ist ein strategisches Prestigeprojekt Putins: Eine vierspurige Autobahn und eine zweigleisige Bahnstrecke auf zwei parallel verlaufenden Brücken verbinden die annektierte Krim mit dem russischen Festland.

Die Idee der Brücke auf die Krim ist über hundert Jahre alt. Doch die Bauvorhaben scheiterten wiederholt oder wurden von den Weltkriegen vereitelt. Während der ersten Amtszeit Wladimir Putins wurde die Landverbindung über die Ukraine und der Fährverkehr für ausreichend angesehen.

Die Brücke verbindet die Krim im Westen mit der russischen Halbinsel Taman im Osten.

Brücke als Lebensader

Erst mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland bekam das Projekt wieder strategische Bedeutung. Die Ukraine blockierte alle Versorgungslinien auf die Halbinsel, Russland musste Güter und Lebensmittel auf dem See- oder Luftweg transportieren. Andere Infrastrukturprojekte wurden zurückgestellt, um die Brücke als Lebensader der Krim zu ermöglichen.

Nach drei Jahren und drei Milliarden Euro Baukosten wurde im Frühjahr 2018 die Autobahnbrücke eröffnet, im darauffolgenden Winter weihte Präsident Putin im Führerhaus einen Zuges die Bahnstrecke ein. Mit Beginn der Invasion der Ukraine wurde die Krim-Brücke zum wichtigen Transportweg für Nachschub und Versorgung der russischen Truppen.

Russland Präsident Putin als Lokführer bei der Eröffnung der Brücke.
Foto: EPA / Sputnik

Detonation in Lkw-Transporter

Am frühen Morgen des 8. Oktober brach auf der Brücke Feuer aus. Bilder in russischen und ukrainischen Medien zeigen, wie Flammen aus einem Zug stießen und das gesamte Gleisbett der Eisenbahnbrücke brannte. Auch zwei Straßenabschnitte der parallel verlaufenden Autobahnbrücke sollen teils eingestürzt sein. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax wurde das Feuer auf der Brücke inzwischen gelöscht.

Ursache soll nach russischen Angaben eine Explosion gewesen sein. Die Detonation habe sich in einem Lkw-Transporter ereignet, teilt das Nationale Anti-Terror-Komitee mit. Sieben Treibstoff-Anhänger eines Zuges hätten dadurch Feuer gefangen. Zwei Bereiche der Straßenbrücke seien teilweise eingestürzt. Laut ersten Angaben sollen dabeidrei Menschen gestorben sein. Die Brücke ist nur noch einspurig befahrbar und wurde für den Verkehr gesperrt. Es soll eine Fährverbindung eingerichtet werden, wie die Regierung in der Krim-Hauptstadt Simferopol mitteilte.

Das ukrainische Medium "Kiyv Independent" teilte Videos der brennenden Brücke.

Das Medium "Ukrajinska Prawda" berichtete unter Berufung auf Kiewer Sicherheitskreise, dass der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU hinter der Aktion stecke. Der SBU gab dazu zunächst keine Stellungnahme ab, veröffentlichte aber ein Bild der brennenden Brücke auf Twitter. Begleitet wurde das Bild von einem umformulierten Werk des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko: "Die Brücke brennt im Morgengrauen schön, eine Nachtigall trifft den SBU auf der Krim." Es sei "ein schöner Tag", um Schewtschenko zu paraphrasieren.

Aus Kiew gab es immer wieder Drohungen, die Brücke unter Beschuss zu nehmen. Zuletzt kam es in der Region Kertsch auf der Krim immer wieder zu Zwischenfällen mit Drohnen, die explodierten. Russland hatte eindringlich davor gewarnt, die Brücke anzugreifen und damit gedroht, im Gegenzug Kommandozentralen in Kiew ins Visier zu nehmen. Die ukrainische Führung hatte mehrfach schwere Waffen für große Reichweiten aus dem Westen gefordert. Damit sollte dann auch die Brücke zerstört werden, wie es in Kiew hieß.

Putin setzt Untersuchungskommission ein

Putin ist nach Kreml-Angaben bereits über den Brand informiert worden. Er habe angewiesen, eine Kommission zur Untersuchung der Ursachen des Feuers einzusetzen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag der Agentur Interfax.

Nach dem Zwischenfall erklärte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak auf Twitter, dies sei "der Anfang". Er reklamiert keine direkte Verantwortung der Ukraine für den Vorfall, schreibt aber auch: "Alles Illegale muss zerstört werden, alles Gestohlene muss an die Ukraine zurückgegeben werden, alles, was von Russland besetzt ist, muss vertrieben werden." Russland hat die Krim 2014 annektiert. (APA, Ricarda Opis, 8.10.2022)