BSI-Präsident Arne Schönbohm steht im Zentrum der Kritik.

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Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann deckt in seiner Sendung "ZDF Magazin Royale" gern einmal politische Skandale auf. Und in der aktuellen Ausgabe verfolgt er einen roten Faden, der ihn von der Cybersicherheitsfirma Protelion über einen selbsternannten Cybersicherheitsrat zu russischen Geheimdiensten führt. Im Zentrum der Vorwürfe steht unter anderem Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Protelion und Infotecs

Das Unternehmen Protelion bietet Sicherheitslösungen für Kommunikation und Industrieanwendungen an, unter anderem werden auch vermeintlich abhörsichere Handys für Politikerinnen und Politiker geboten. Zielgruppe sind deutsche Unternehmen und Institutionen mit hohen Sicherheitsanforderungen. Die von Protelion vertriebene Software Vipnet ist unter anderem im App Store oder im Google Play Store verfügbar.

ZDF MAGAZIN ROYALE

Das Problem dabei: Der Name Protelion ist relativ neu, denn tatsächlich handelt es sich hier um ein Tochterunternehmen des russischen IT-Unternehmens Infotecs, dessen Gründer Andrey Chapchaev bereits von Wladimir Putin öffentlich mit dem "Verdienstorden für das Vaterland" geehrt wurde und vor der Gründung des Unternehmens im Jahr 1991 ein Jahrzehnt in der Forschungsabteilung des KGB verbracht hat. Infotecs verfügt über aktive Lizenzen bei einer Vielzahl russischer Regierungsstellen, inklusive des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, zitiert Böhmermann in seiner Sendung einen Beitrag von "Forensic News".

Der Cybersicherheitsrat

Protelion sitzt gemeinsam mit zahlreichen anderen Unternehmen und Institutionen im Cybersicherheitsrat e. V. – was den Eindruck erweckt, dass man sich hier gemeinsam für die Sicherheit deutscher IT-Infrastruktur einsetzt. Doch der Schein trügt: Denn hierbei handelt es sich nicht um eine staatliche Institution, sondern um einen eingetragenen Verein, der in erster Linie Lobbying und Networking betreibt.

Ein Mitgründer und ehemaliger Vorsitzender dieses Vereins, Arne Schönbohm, ist nun Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik – jener deutschen Behörde im Geschäftsbereich des Innenministeriums, die für Fragen der IT-Sicherheit verantwortlich ist. Schönbohms Ernennung zum Präsidenten wurden damals bereits wegen dessen Verbindungen zum genannten Verein stark kritisiert.

Verbindungen zu den Geheimdiensten

Schönbohm stand in seiner Zeit als Präsident des Vereins nicht bewusst in Kontakt mit Nachrichtendiensten aus Russland oder anderen Ländern, wie es auf Anfrage des Magazins aus dem BSI heißt. Bei seinem Nachfolger, dem aktuellen Vereinspräsidenten Hans-Wilhelm Dünn, scheint dies anders zu sein: Dieser betont in einem Videointerview, wie wichtig der Kontakt zu Ländern wie Russland sei – und "natürlich" auch zu den dortigen Nachrichtendiensten.

Schönbohm hält zu dem Verein noch immer Kontakt, erst vor wenigen Wochen gratulierte er auf einer Veranstaltung öffentlich zum zehnjährigen Jubiläum. Auch Vertreter von Protelion waren laut Böhmermann auf der Veranstaltung vertreten.

"Die Cybersicherheit in Deutschland ist in Gefahr, und zwar durch den Chef der Cybersicherheit in Deutschland", fasst Böhmermann zusammen. Dies sehen politische Kräfte aus der Opposition ähnlich. So hat Anke Domscheit-Berg, Netzaktivistin und Bundestagsabgeordnete für die Linke, beantragt, dass sich der kommende Digitalausschuss am 12. Oktober mit dem Thema befasst.

Auch die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast fordert eine Aufklärung mit Konsequenzen. Generell solle man genau hinsehen, wo sonst Infrastruktur besser zu schützen sei, so die Politikerin auf Twitter. Ebenso forderte Konstantin von Notz, Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums PKGr, eine umfassende Untersuchung und Aufklärung.

Stellungnahmen des besagten Vereins, des Unternehmens oder des BSI suchte man bis Sonntagabend vergebens. (red, 9.10.2022)