Die Opposition will im Wiener Gemeinderat klären lassen, wer die politische Verantwortung für die Wirren rund um die Wien Energie trägt.

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Wien – FPÖ und ÖVP haben am Montag im Wiener Rathaus den Antrag auf Einsetzung einer gemeinderätlichen Untersuchungskommission zum Thema Wien Energie präsentiert. In deren Rahmen sollen die Vorgänge rund um die Milliarden-Unterstützung für den Energieversorger erörtert werden. Es handle sich um den "größten Finanzskandal Wiens", versicherten die Oppositionsvertreter. Geprüft wird die politische Verantwortung für die nach Ansicht der Antragsteller aufgetretenen Missstände.

Das Gebaren der Wien Energie selbst kann hingegen nicht unter die Lupe genommen werden. Ausgegliederte Unternehmen dürfen nicht im Rahmen einer U-Kommission untersucht werden. Die erste Sitzung des Gremiums soll noch heuer starten.

Darlehen bisher nicht in Anspruch genommen

Die Wien Energie hatte im Sommer 1,4 Milliarden Euro von der Stadt erhalten, um Margin-Zahlungen, die an den Energiebörsen fällig wurden, zu stemmen. Später musste auch der Bund um Hilfe gebeten werden. Dort wurde ein Darlehen im Ausmaß von zwei Milliarden Euro gewährt – das laut Stadt bisher noch nicht in Anspruch genommen wurde. Für Kritik hatte unter anderem gesorgt, dass Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) die städtischen Gelder im Rahmen der ihm zustehenden Notkompetenz vergeben hat.

"Sämtliche Vorgänge müssen lückenlos dokumentiert und aufgeklärt werden", verlangte Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer in der Pressekonferenz, an der auch FPÖ-Chef Dominik Nepp sowie VP-Klubobmann Markus Wölbitsch und der freiheitliche Gemeinderat Udo Guggenbichler teilnahmen. Mahrer mutmaßte, dass der Wien Energie beziehungsweise den Stadtwerken die Situation schon länger bewusst war – also schon vor jenem Tag im Juni, als Ludwig die erste Tranche des städtischen Kredits gewährte.

Informationsfluss als Kernthema

FP-Chef Nepp ortete ebenfalls "zahlreiche Ungereimtheiten". Dass Ludwig von seiner Notkompetenz Gebrauch machte respektive Gremien wie den Gemeinderat viel zu spät informierte, stößt auf Kritik. Die FPÖ hat dazu auch eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs eingebracht. Dass derart viel Geld bereitgestellt wurde, würde nun jedenfalls dazu führen, dass Liquidität im Budget fehle, beklagte man.

In dem bereits offiziell eingebrachten Antrag werden vor allem drei Bereiche erwähnt, die untersucht werden sollen. So ist geplant, sich anzuschauen, wie Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) die Eigentümerrechte gegenüber der Wien Energie bzw. den Stadtwerken wahrgenommen haben. Aufklärung begehrt man etwa darüber, ob sie über die Entwicklung "riskanter Handelsgeschäfte" auf den Strommärkten und über Preissteigerungen informiert wurden und ob sie "angemessen" regiert hätten. Untersucht werden soll, ob Finanzausschuss, Stadtsenat beziehungsweise Gemeinderat hier ausreichend informiert wurden.

Was wusste der Bund?

In Sachen Notkompetenz will man erörtern, ob Ludwig rechtskonform gehandelt hat. Vor allem will man wissen, "welchen Informationsstand über den allgemeinen finanziellen Zustand der Wien Energie GmbH, aber auch der Wiener Stadtwerke GmbH als Holding und Muttergesellschaft (...) der Herr Bürgermeister zum Zeitpunkt der Ausübung des Notkompetenzrechtes am 15. Juli 2022, aber auch in den Monaten und Jahren davor" hatte. Man möchte wissen, welche "Gutachten, Berichte, Analysen, Befunde und Testate auch von Dritten" ihm zur Verfügung standen und welche er angefordert hat.

Auch die Verhandlungen mit dem Bund Ende August werden Thema sein. Auskunft wird etwa darüber verlangt, wer aus Wien wann – und mit welchen Informationen – an den Bund herangetreten ist. Untersucht werden sollen die Initiierung sowie der Beginn und der Ablauf der Gespräche beim "Energiegipfel" Ende August. Damals hat der Bund Unterstützung gewährt, und die prekäre Lage wurde publik.

Opposition will erste Sitzung vor Weihnachten

Wie es nun weitergeht, das bestimmen die entsprechenden Fristen. Behandelt wird der Antrag am 18. Oktober im Gemeinderat – zumindest ist dies der Wunsch. Findet er sich dort auf der vom SPÖ-Vorsitzenden Thomas Reindl veröffentlichten Tagesordnung wieder, wird er diskutiert. Eine eigene Abstimmung ist nicht nötig. Anschließend werden innerhalb einer Woche aus einem Pool von 15 Juristen, die sich prinzipiell bereiterklärt haben, eine solche Funktion auszuüben, die drei Vorsitzenden gelost. Sie haben ebenfalls eine Woche Zeit, um zuzusagen.

Schließlich müssen die insgesamt 16 Mitglieder nominiert werden, wobei im Gremium alle Rathaus-Fraktionen entsprechend ihrer Stärke vertreten sind. Binnen 14 Tagen muss dann die erste Sitzung anberaumt werden – was jedenfalls noch vor Weihnachten stattfinden soll, wie ÖVP und FPÖ heute betonten. Die U-Kommission wird für die Dauer eines Jahres eingesetzt, wobei eine einmalige Verlängerung um drei Monate theoretisch möglich ist.

Antrag könnte auch noch scheitern

Allerdings könnte sich dieser Ablauf auch anders gestalten. Wenn der Vorsitzende der Meinung ist, der Antrag entspricht – etwa angesichts der Tatsache, dass ein ausgegliedertes Unternehmen betroffen ist – nicht oder nur zum Teil den Richtlinien, dann werden Gutachten dazu eingeholt. Die Initiatoren ÖVP und FPÖ sehen jedoch keinen Anlass dafür, die Prüfung zu verbieten. Auch das Risk-Management hänge eng mit der politischen Verantwortung zusammen, sei also sehr wohl Sache der Politik, gab man heute zu bedenken. Man habe die Rechtmäßigkeit des Einsetzungsantrags auch prüfen lassen.

Die SPÖ bekräftigte umgehend, dass der Antrag nun auf Zulässigkeit der Fragestellungen rechtlich zu prüfen sein wird. "Denn wir wollen, dass die Wiener Stadtverfassung auch in dieser Hinsicht beachtet wird", erklärte der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende und Vorsitzende des Finanzausschusses, Kurt Stürzenbecher. (APA, red, 10.10.2022)