Eine Falcon-Rakete des US-Weltraumunternehmens Space X. Die hier ins All gebrachten Starlink-Satelliten sind derzeit bei guter Sicht als Kette leuchtender Objekte am Himmel zu beobachten und geben einen Vorgeschmack darauf, wie Weltraumwerbung aussehen könnte.
Foto: IMAGO/Joshua Conti/Ussf

Noch vor wenigen Hundert Jahren waren Lichterscheinungen am Nachthimmel Gegenstand von Mythen und Legenden. Insofern ist das, was russische Forschende nun vorschlagen, eine Zäsur in der Menschheitsgeschichte. In einer im Fachjournal "Aerospace" veröffentlichten Studie untersuchten sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten von Weltraumwerbung. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Idee bald Realität werden könnte.

Man befasse sich schon eine ganze Weile mit den technischen Aspekten von Weltraumwerbung, sagt der Erstautor der Studie, Shamil Biktimirov vom Skoltech Engineering Center in der Nähe von Moskau. "Dieses Mal haben wir uns die wirtschaftliche Seite angesehen, und so unrealistisch es auch erscheinen mag, wir zeigen, dass Weltraumwerbung auf der Grundlage von 50 oder mehr in Formation fliegenden Kleinsatelliten wirtschaftlich machbar sein könnte."

Die Idee ist eigentlich simpel: Die 50 Satelliten entsprechen je einem Pixel, wobei sie nicht selbst leuchten, sondern Sonnenlicht reflektieren. Sie basieren auf dem für Mini-Satelliten entwickelten Konzept Cube Sat, das ursprünglich 1999 als Standard für niederschwellige Forschungsprojekte im erdnahen Weltraum entwickelt wurde und etwa kürzlich bei der Dokumentation des Dart-Einschlags auf dem Asteroiden Dimorphos zum Einsatz kam.

Dass von Menschen gemachte Objekte in der Erdumlaufbahn gut sichtbar sein können, zeigt die internationale Raumstation ISS, die dank ihrer Helligkeit ein beeindruckendes Schauspiel bietet. Doch die ISS ist vergleichsweise riesig. Damit die kleinen Werbesatelliten auch wirklich sichtbare Nachrichten darstellen können, müssen sie ihr Licht auf einen bestimmten Bereich der Erdoberfläche fokussieren. Das Bilden von Konstellationen, die von der Erde aus erkennbare Muster bilden, braucht wiederum Treibstoff, weshalb die Lebensdauer begrenzt wäre.

Sonnensegel mit 32 Quadratmetern

Die nun erschienene Studie spielt konkrete Nutzungsszenarien durch. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Maximierung der Gesamtdauer der Mission und der Ausleuchtzone eines Satelliten. "Anstatt zu versuchen, die Reflektorgröße zu bestimmen, die eine bestimmte Pixelgröße ergibt, betrachten wir den größten Reflektor, der tatsächlich erfolgreich auf einem Cube Sat eingesetzt und betrieben wurde. Das ist ein 32 Quadratmeter großes Sonnensegel", erklärt Biktimirov. In Beispielrechnungen zeigten die Forschenden, dass eine Mission drei Monate dauern könnte, wobei die Satelliten bis zu 25 Mal ihre Botschaft anpassen könnten.

Danach würden die Satelliten kontrolliert zum Absturz gebracht, um Bedenken bezüglich Weltraumschrott zu begegnen. Die Umlaufbahn würde permanent an der Tag-Nacht-Grenze verlaufen, um sowohl den Erdschatten als auch den Taghimmel bestmöglich zu vermeiden. Darauf basierend habe man versucht, die optimale Route zu bestimmen, die die Satelliten immer über den zahlungskräftigsten Großstädten platziert.

"Die geschätzten Einnahmen ergeben sich aus den Kosten für Außenwerbung, der Bevölkerungszahl und den Faktoren, die die Anzahl der Menschen, die die Werbung wahrnehmen, einschränken: Bewölkung, kaltes Wetter, das die Menschen in den Häusern hält, und die demografische Zusammensetzung der Stadt", sagt Biktimirov. Die Nachrichten würden beim Überfliegen großer Städte also laufend angepasst und in Zeiträumen von Minuten gewechselt.

So illustrieren die Forschenden ihre Vorstellung der Satellitenwerbung anhand einer Computergrafik.
Illustration: Shamil Biktimirov/Skoltech

Schätzungen für die Kosten ergaben ein Gesamtvolumen von 65 Millionen Dollar, wobei 50 Millionen für die Satelliten anfallen würden. Der Start selbst würde dabei nur mit fünf Millionen Dollar zu Buche schlagen. Dieser durch die Weiterentwicklung der privaten Raumfahrt stark gefallene Preis macht die Idee der Weltraumwerbung erst realistisch. Für eine einzelne, einen Tag lang sichtbare Werbebotschaft kalkulierten die Forschenden einen Preis von etwa zwei Millionen Dollar – für Kundinnen und Kunden. Eine Gewinnspanne für das Anbieterunternehmen ist dabei schon einkalkuliert, nach etwa einem Monat würden sich die Kosten amortisieren.

Der Preis könnte durchaus konkurrenzfähig sein. Zum Vergleich: Ein 30-sekündiger Werbespot bei der Super Bowl, dem Finale der US-amerikanischen Footballliga, kostete dieses Jahr über fünf Millionen Dollar. Offen bleibt, wie sich eine CO2-Bepreisung der energieintensiven Technologie auswirken könnte. Auf eine starke Verbreitung ist angesichts der CO2-Bilanz von Raketenstarts ohnehin nicht zu hoffen.

Wie die Weltraumwerbung künftig aussehen könnte, lässt sich bereits heute bei Betrachtung der als schnell über den Himmel ziehenden Perlenkette sichtbaren Starlink-Satelliten ahnen. Nachdem 60 von ihnen gemeinsam ausgesetzt werden, beginnen sie sich langsam voneinander zu entfernen und bilden die wahrscheinlich geordnetsten Muster, die es bisher am Himmel zu sehen gab. Was die letzten unkontaktierten Menschengruppen der Erde darüber denken, die eine seit der Steinzeit unveränderte, traditionelle Lebensweise pflegen und bisher keinen Kontakt zum Rest der Welt haben, lässt sich nur erahnen. (Reinhard Kleindl, 11.10.2022)