Seit Wochen wird spekuliert, dass Ex-Kanzler Kern Antrittspläne für die nächste Nationalratswahl habe. Er dementiert das. Ein Foto mit Präsidentschaftskandidat Wlazny verlieh dem Gerücht nun neuerlich Auftrieb.

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Dominik Wlazny schaffte bei der Wahl am Sonntag auf Anhieb mehr als acht Prozent.

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Wenn diese Präsidentenwahl eines gezeigt hat, dann: Nichts ist mehr, wie es früher einmal war. Vorbei die Zeiten, in denen SPÖ und ÖVP einen Kandidaten ins Rennen schickten und einer davon das neue Staatsoberhaupt wurde. Stattdessen gelang es manchen der fünf Kandidaten ohne klassischen Parteiapparat, prompt ein mehr oder minder respektables Ergebnis einzufahren.

Der Aufstand der "Kleinen"

Allen voran steht Dominik Wlazny, der auf Anhieb mehr als acht Prozent schaffte. Das ist ein achtbares Ergebnis, wenn man bedenkt, dass die Konkurrenten Tassilo Wallentin (8,3 Prozent) und Gerald Grosz (5,5 Prozent) jeweils zwei auflagenstarke Boulevardzeitungen hinter sich wussten.

Nun wird der linke Kandidat Wlazny als heiße Aktie für die nächste Nationalratswahl gehandelt – gerade in Zeiten, in denen die Grünen durch die Koalition im Bund abgenutzt erscheinen und die SPÖ etwa in Wien (Stichwort Lobautunnel) nicht den modernsten Eindruck macht. Seit Wlazny ein Foto mit dem roten Ex-Kanzler Christian Kern auf Twitter gepostet hat, wird sogar heiter spekuliert, ob die beiden eine Allianz schmieden würden. Bisher hat Kern ein politisches Comeback ausgeschlossen.

Seine Quote machte Wlazny auf Tiktok und Instagram: Ohne aufpolierten Politsprech, aber dafür mit Gespür für die Probleme im Land – das sei erfrischend, lautet der Tenor unter den jungen Usern. Mit pfiffig geschnittenen Videos erreichte er auf Tiktok ein größeres Publikum als Van der Bellen. Andererseits kam er bei den älteren Wählerinnen und Wählern nicht an.

Hätten nur Junge die Bundespräsidentschaftswahl entschieden, hätte es wahrscheinlich eine Stichwahl gegeben. Gerade bei den unter 30-Jährigen konnte Wlazny, Obmann der Bierpartei, besonders gut punkten. Jeder Fünfte gab ihm in dieser Gruppe seine Stimme, während Van der Bellen hier knapp die Mehrheit verpasste.

Fehlender Tiefgang

"Sein größtes Problem ist, dass es viel mehr ältere Menschen als junge gibt", sagt der Politikexperte Peter Filzmaier. Wichtig sei es daher, "mehr Tiefgang" bei Wlaznys politischem Programm zu schaffen. "Wir wissen nichts über seine Bildungspolitik oder seine Landwirtschaftspolitik", sagt Filzmaier. Zu Themen wie Bildung habe sich Wlazny bisher nur sehr allgemein geäußert.

Hinzu komme, dass eine Nationalratswahl viel schwieriger zu schlagen sei, gibt Filzmaier zu bedenken. Die Wahlbeteiligung sei höher – und auch Neos und Grüne, von denen Wlazny kräftig Stimmen einsammelte, stünden dann auf dem Wahlzettel. Wahlforscher Christoph Hofinger attestierte ihm im STANDARD-Chat ein "ziemlich starkes Fundament" für einen Antritt.

"One-Man-Shows" mit langfristigen Problemen

Ganz neu ist die Idee jedenfalls nicht, als mehr oder minder One-Man-Show gegen etablierte politische Parteien anzutreten. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt allerdings auch: Langfristige politische Bedeutung erlangten nur die wenigsten von ihnen. Einer der erfolgreichsten Parteigründer der jüngeren Geschichte ist Matthias Strolz – die Neos feierten dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Hingegen nur kurz erfolgreich waren die Liste Pilz und das Team Stronach.

Die vom ehemaligen Grünen-Politiker Peter Pilz gegründete Partei schaffte bei der Nationalratswahl 2017 den Einzug ins Parlament, scheiterte bei ihrem Wiederantritt 2019 allerdings klar. Das Team Stronach war bei der Nationalratswahl 2013 erfolgreich, trat 2017 allerdings nicht mehr an. Auch das von der Ex-FPÖ-Politikerin Heide Schmidt gegründete Liberale Forum sowie das von Jörg Haider gegründete Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) schafften es nur zweimal ins Parlament. Vielen anderen misslang der Einzug gänzlich.

Auch bei der Impfskeptikerpartei MFG zeigt sich, dass die Durchschlagskraft abgeht, sobald sich die Vorzeichen ändern. Ohne Corona-Maßnahmen, die man lautstark bekämpfen kann, setzt es keine Wahlerfolge mehr. Bei der Landtagswahl in Tirol Ende September verfehlte die MFG den Einzug deutlich. Bei der Präsidentschaftswahl war Michael Brunner keine Konkurrenz.

Das Potenzial der Rechten

Ordentlich Bewegung gibt es auch auf rechter Seite. Eine Stichwahl gegen Amtsinhaber Van der Bellen war für den blauen Volksanwalt Walter Rosenkranz (17,9 Prozent) zwar stets aussichtslos. Zudem kostete ihn das Duell mit einer Reihe anderer Kandidaten (Tassilo Wallentin, Gerald Grosz, Michael Brunner) auch noch Stimmen. Von diesem Potenzial (15,9 Prozent) wäre ohne die anderen wohl einiges zu holen gewesen.

Was kurzfristig negative Folgen für die FPÖ hatte, könnte ihr langfristig nützen. Die rechte Gegnerschaft spielte nämlich voll auf der blauen Klaviatur und verschaffte dem "Anti-System"-Wahlkampf mangels Konkurrenz eine klare Mehrheit in der medialen Debatte. Der Groll richtete sich gegen Van der Bellen und die Regierung sowie die Corona-Maßnahmen und die Sanktionspolitik gegenüber Russland.

Van der Bellen könnte es also noch mit einer auf Platz eins schielenden FPÖ zu tun bekommen und einem Herbert Kickl, den er einst als Innenminister entließ. Zumindest ein enges Duell mit den in Umfragen führenden Sozialdemokraten scheint möglich – sofern die Blauen mit Ausnahme der ÖVP auf rechter Seite halbwegs konkurrenzlos bleiben. Ansonsten könnte es schmerzhaft werden. Denn Wallentin (222.000), der auch von Unternehmer Frank Stronach unterstützt wurde, räumte im Vergleich zu Rosenkranz (168.000) auch mehr ÖVP-Stimmen ab.

Wallentin dürfte für die rechtspopulistische Klientel aus der Zeit von Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP), die dieser einst der FPÖ streitig machte, die bessere Alternative gewesen sein. Der fand sein Wahlergebnis so großartig, dass er sogar schon das Wort Nationalratswahl aussprach. Dort wäre es "ein Erdrutschsieg", so Wallentin. (Muzayen Al-Youssef, Jan Michael Marchart, Sandra Schieder, 11.10.2022)