Vor rund acht Millionen Jahren zwangen klimatische Veränderung die Vorfahren des Menschen allmählich dazu, die Bäume zu verlassen und die neu entstehenden Baumsavannen zu besiedeln. Eine großangelegte Studie zeigt, dass sich nun unter den Primaten der Erde eine ähnliche Entwicklung abzeichnet, freilich deutlich schneller, als es damals der Fall war.

Klimawandel und Entwaldung zwingen auf Bäumen lebende Affen, ihren Lebensunterhalt immer häufiger auf dem Boden zu bestreiten, wie ein Team um Timothy Eppley von der San Diego Zoo Wildlife Alliance (SDZWA) im Fachjournal "Pnas" berichtet. Der mit dieser Lebensweise verbundene Mangel an bevorzugter Nahrung und Unterschlupf setzt die Tiere einem höheren Risiko aus. Ob die betroffenen Primatenarten auf Dauer damit zurechtkommen, ist fraglich.

Der Südliche Bambuslemur (Hapalemur meridionalis) auf Madagaskar zählt zu jenen Primatenarten, die zunehmend auf dem Boden leben.
Foto: Tim Eppley

Am Anfang stand eine Beobachtung

Die Forschenden beobachteten 15 Lemurenarten und 32 Affenarten an 68 Standorten in Amerika und Madagaskar. "Die Studie begann mit einer Diskussion unter Kollegen darüber, dass bestimmte Populationen baumbewohnender Primaten mehr Zeit auf dem Boden verbringen, wie sie festgestellt hatten", erklärte Eppley.

Für ihre Untersuchung analysierten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter Faktoren wie menschliche Einflüsse und artenspezifische Merkmale und setzten sie in Beziehung mit der Zeit, die die Primaten am Boden verbrachten. Die gesammelten Daten ergaben, dass Primaten, die weniger Früchte fressen und in großen sozialen Gruppen leben, eher die Bäume verließen, um mehr Zeit am Boden zu verbringen. Die Forschenden nehmen an, dass sie hier mehr Nahrung finden, während eine größere Gruppen besser vor möglichen Feinden schützt.

Voranpassung ans Leben am Boden

Das Forschungsteam vermutet, dass diese Eigenschaften eine Art Voranpassung an das Leben am Boden sein könnten. "Wir haben beispielsweise festgestellt, dass Primatenarten wie Eulemur fulvus und Eulemur rufifrons in den relativ heißen tropischen Laubwäldern Madagaskars deutlich mehr Zeit auf dem Boden verbrachten als ihre Artgenossen in den kühleren feuchten Wäldern, wahrscheinlich um an terrestrische Wasserquellen zu gelangen", erklärten die Forschenden in ihrer Studie.

Viele dieser Arten müssen bereits in wärmeren oder fragmentierten Lebensräumen existieren, in denen es häufig an Nahrungsressourcen mangelt. Da sich der Klimawandel verschlimmert und die Wälder schrumpfen, legt die Studie nahe, dass sich Primaten, die über eine breitere Ernährungsbasis verfügen und in größeren Gruppen leben, künftig leichter an das Leben auf dem Boden anpassen werden.

Anpassung an den Klimawandel

"Es ist denkbar, dass mehr Zeit auf dem Boden einige Primaten vor den Auswirkungen der Waldzerstörung und des Klimawandels schützt", sagte Eppley. "Für die weniger anpassungsfähigen Arten sind jedoch schnelle und wirksame Schutzstrategien erforderlich, um ihr Überleben zu sichern."

Die Untersuchung ergab auch, dass Populationen von Primaten, die in der Nähe von menschlicher Infrastruktur leben, mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu einer terrestrischen Lebensweise finden. "Diese Befunde könnte darauf hindeuten, dass menschliche Präsenz, die oft eine Bedrohung für Primaten darstellt, die natürliche Anpassungsfähigkeit von Primaten an den Klimawandel beeinträchtigt", meinte Luca Santini von der italienischen Universität Sapienza, einer der beiden leitenden Autoren der Studie.

Schnelle Veränderungen

Auch wenn im Verlauf der vergangenen Jahrmillionen Primaten mehrfach vom Leben in den Bäumen zu einer terrestrischen Lebensweise wechselten, stellen die heutigen schnellen Veränderungen eine ernsthafte Bedrohung dar, meinte Giuseppe Donati von der Oxford Brookes University, ebenfalls Autor der Studie.

"Obwohl ähnliche ökologische Bedingungen und Artenmerkmale frühere evolutionäre Umstellungen von baumbewohnenden Primaten, einschließlich Homininen, auf eine bodengebundene Lebensweise beeinflusst haben könnten, ist es klar, dass das derzeitige Tempo der Abholzung und des Klimawandels die meisten Primatenarten in Gefahr bringt." (tberg, 11.10.2022)