"Inspiriert" von Griechenland, das die Römer plünderten: Statuen aus Marmor in Rom im Kapitel "Kunst und Freizeit".

Foto: ASTERIX®- OBELIX®- IDEFIX® / © 2022 LES ÉDITIONS ALBERT RENÉ / GOSCINNY – UDERZO.

Gegen eine gute Story, mag sie auch noch so unwahr sein, kann kein Faktencheck der Welt etwas ausrichten. Wir wollen nicht vom Glauben ablassen, dass Nero der wahnsinnige Killerkaiser war, und wir wollen ebenso daran festhalten, dass es sich bei den Galliern um Hinkelstein-Fans handelte.

Stimmt aber leider nicht. Kein Gallier meißelte je einen Megalith. Es waren nomadische Bauern der Jungsteinzeit, die sie zur Begrenzung ihrer Ländereien einst aufgestellt haben. Da aber in der legendären Comicserie Asterix von René Goscinny und Albert Uderzo den römischen Invasoren dramatisch die Stirn geboten werden musste, erhielt Obelix die Überdosis Zaubertrank und war dank seiner Megakräfte fortan von den Riesensteinen nicht mehr wegzubringen.

Der neue Supplementband O tempora, O Mores! – Antike Bräuche und Traditionen versammelt nun – zwecks Faktenchecks – kulturhistorisches Wissen rund um die "Asterix-Zeit" um 50 v. Chr. Die bunte Wissenskunde von Bernard-Pierre Molin imitiert den saloppen Sprachstil der Comicbände und bereitet für alle historisch Interessierten ab acht Jahren kapitelweise alltagskundliche Themen auf.

Theaterversessene Römer

Betreffend Familie, Wohnen, Reisen, Rechtsprechung, Sprache, Mode, Handel, Arbeit, Freizeit etc. wird sowohl die gallische wie auch die römische Lebensweise skizziert. Ohne zu werten, heißt es, aber es ist nicht zu überlesen, dass die Unterdrückten gewisse Sympathie genießen. Stinken im Unterschied zum Römischen Reich die Gallier in puncto Kultiviertheit ab, so münzt Molin das Manko um ins Positive und macht die "Diskretion" der Gallier dafür verantwortlich, dass sie nichts Schriftliches hinterlassen haben. Illustriert wird der Band von ausgewählten Zeichnungen bisheriger Asterix-Bände, in denen sich spezifische Gepflogenheiten samt kulturellem Erbe ablesen lassen:

Marmorpaläste und formschöne Menschen bei den Römern, brechend gedeckte Festbanketttische und wild gewachsene Esser bei den keltischen Nachfahren. Prahlen die theaterversessenen Römer mit ihren Arenen (50.000 Zuschauer passten ins Kolosseum), so nützen die Gallier Bühnen nur für Zeremonien oder Tieropfer. Manche meinen auch: Menschenopfer.

Luftbildarchäologie

O tempora, O Mores! – auf Deutsch etwa "Was für Zeiten, was für Sitten!" – ist natürlich alles andere als ein Band trockener Wissenschaft, und doch beruft sich Autor Molin auf neue Erkenntnisse etwa durch die Luftbildarchäologie. Denn im Unterschied zur satten Quellenlage auf römischer Seite halten sich die Überlieferungen aus den französischen Provinzen in Grenzen. Echte Asterix-Fans sollten sich diese kompakte Sekundärliteratur also zulegen. (Margarete Affenzeller, 12.10.2022)