Eine Arbeit René d'Harnoncourts für die 1946 gezeigte MoMA-Ausstellung "Arts of the South Seas".

Foto: The Museum of Modern Art, New York

Was ist dran an der Magie des René d'Harnoncourt? Als er das 1967 in einem Radiointerview gefragt wurde, war der gebürtige Wiener d’Harnoncourt seit fast zwanzig Jahren Direktor des Museum of Modern Art (MoMA) in New York, hatte dort gerade seine hochgelobte letzte Schau zu Picassos Skulpturen eröffnet und winkte freundlich ab. Mit Magie hätten seine Ausstellungsgestaltungen nichts zu tun, sondern mit der Idee, Beziehungen herzustellen und Dialoge anzustoßen – zwischen den Kunstwerken sowie zwischen Werk und Betrachter.

Wie gut d'Harnoncourt das gelungen sein dürfte, lassen nicht nur hymnische Besprechungen in der New York Times erahnen, auch Alfred H. Barr, Gründungsdirektor des MoMA, rühmte die Arbeit seines Nachfolgers. Und als er 1967 in den Ruhestand trat, war ein Buch über seine wegweisende Praxis des Kuratierens und der Ausstellungsgestaltung geplant.

Adeligen Familie in Wien

Doch daraus wurde nichts: 1968 starb d'Harnoncourt bei einem Autounfall, er wurde von einem Alkolenker niedergefahren. Das tragische Ende einer erstaunlichen Biografie und Karriere, die ursprünglich in eine ganz andere Richtung gewiesen hatte.

D'Harnoncourt wurde 1901 als Spross einer adeligen Familie in Wien geboren. Er war als Museumsmacher Autodidakt und eigentlich studierter Chemiker, als er 1925 nach Mexiko auswanderte. Dort arbeitete er zunächst als Werbegestalter und Illustrator von Kinderbüchern, bewegte sich als Kunstliebhaber in den Kreisen der künstlerischen Avantgarde rund um Diego Rivera und Tina Modotti, begann, mit mexikanischer Kolonialkunst zu handeln und organisierte schließlich eine erste Ausstellung zu indigener Kunst aus Mexiko für das Metropolitan Museum of Art in New York.

Darauf folgten der Umzug in die USA, Schauen zur "Indian Art of the United States" und zur indigenen Kunst aus dem Pazifikraum, die Mitarbeit am MoMA, zu dessen Direktor d'Harnoncourt (ein Onkel des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt) 1949 ernannt wurde.

Dafür, dass seine Arbeit am MoMA bestens dokumentiert ist, hat René d'Harnoncout selbst gesorgt. Er fertigte für alle seine Schauen detailreiche Zeichnungen sämtlicher Objekte an, akribische Raumentwürfe und Skizzen zu den Wegführungen.

Ein Schatz, der in Vergessenheit geraten war, bis ihn Michelle Elligott, Leiterin des MoMA-Archivs, vor einigen Jahren gehoben und mit "René d'Harnoncourt and the Art of Installation" (2018) in Buchform publiziert hat.

Weil verwandtschaftliche Bande des Harnoncourt-Clans nach Tirol bestehen, blieb das im Innsbrucker Ferdinandeum nicht unbemerkt, wo nun Die Ausstellung als Kunstwerk. René d'Harnoncourt für das MoMA Einblicke in dessen Ideenwelt geben, kuratiert von Michelle Elligott, Rosanna Dematté und Vero Schürr.

Detaillierte Skizzen

Ins Auge sticht da zuerst das zeichnerische Talent d'Harnoncourts, viele seiner Objektstudien sind aus dem Gedächtnis entstanden, die fein aquarellierten Raumansichten zeugen von seiner Auseinandersetzung mit Farbe als gestalterischem Element.

Aufschlussreich sind die detaillierten Skizzen zu den Werkgruppierungen, bei denen sich der Ausstellungsgestalter und Kurator von der Idee der chronologischen Präsentation verabschiedete und stattdessen Ähnlichkeiten in Material und Form oder auch andere Verwandtschaften in den Vordergrund rückte. Diesbezüglich hat d'Harnoncourt nicht alles neu erfunden, er hat sich vielmehr intensiv mit den Arbeiten anderer Ausstellungsarchitekten wie dem Bauhaus-Meister Herbert Bayer beschäftigt, pflegte Kontakte zu Friedrich Kiesler, arbeitete eng mit Edward Steichen zusammen, der während seiner Direktionszeit am MoMA die Abteilung für Fotografie leitete.

Den Menschen helfen

Und d'Harnoncourt war auch konsequent in der Umsetzung neuer Gestaltungsideen, ein überzeugender Überzeugungstäter, der den Spitznamen "the gentle giant", zu Deutsch: der sanfte Riese, nicht nur aufgrund seiner Statur haben dürfte. Nachgesagt wird ihm auch eine Bescheidenheit, was die Definition der eigenen Rolle betraf: "Das Wichtigste bei der Vorbereitung einer Ausstellung ist, dem Künstler zu dienen", sagte d'Harnoncourt in eingangs erwähntem Interview.

"Eine Ausstellungsgestaltung ist nicht gut, wenn sie zu aufdringlich ist oder wichtiger wird als die Kunstwerke selbst. Der ganze Sinn eines Ausstellungsdesigns besteht darin, bei der Kommunikation zwischen dem Kunstwerk und den Menschen zu helfen." Im Ferdinandeum darf man außerdem in die MoMA-Schau The Sculpture of Picasso von 1967 hineinschnuppern – mittels 3D-Brille. (Ivona Jelcic, 12.10.2022)