Das Sonnensystem hat wohl ständig Besuch von außerhalb. Nicht nur größere Brocken wie der zigarrenförmige Oumuamua oder der 500 Meter große 2I/Borisov dürften interstellarer Herkunft sein. Auch kleinere "Aliens" aus der großen Leere zwischen den Sternen kommen offenbar immer wieder vorbei – und ab und zu fällt auch einer auf die Erde. Einen solchen Meteor konnten Forschende bereits in der Vergangenheit zweifelsfrei als Zugereisten identifizieren. Einem Team von der Harvard University in Cambridge bei Boston ist inzwischen die Bestätigung eines zweiten interstellaren Meteors gelungen.

IM1, der erste der beiden, wurde 2014 registriert und 2019 als "mögliches interstellares Objekt" erkannt. 2022 folgte anhand von Flugbahn und Geschwindigkeit der endgültige Nachweis. Der als CNEOS1 2014-01-08 registrierte Felsbrocken hatte einen geschätzten Durchmesser von 0,45 Meter und eine Masse von rund 460 Kilogramm. Bevor er auf die Erdatmosphäre traf, hatte er eine Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Sekunde.

Der zwischen 350 und 800 Meter lange Asteroid Oumuamua kam vermutlich aus einem fremden Sternsystem zu uns.
Illustr.: ESO/M. Kornmesser

Früher als die anderen

"IM1 war 2014 von Sensoren des US-Verteidigungsministeriums entdeckt worden, als er vor der Küste von Papua-Neuguinea in der Erdatmosphäre verglühte", erklärten Amir Siraj und Abraham Loeb von der Harvard University. "Damit war er 3,8 Jahre vor dem interstellaren Objekt Oumuamua und 5,6 Jahre vor dem interstellaren Asteroiden 2I/Borisov beobachtet worden."

Aus dem lichtstarken Zerfall von IM1 in einer Höhe von 18,7 Kilometern konnten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter auf ungewöhnliche Materialeigenschaften schließen. "Die Festigkeit dieses Objekts liegt über 20-mal höher als bei Steinmeteoriten und doppelt so hoch wie bei Eisenmeteoriten", sagte Siraj. "IM1 war auch dynamisch ungewöhnlich. Seine Geschwindigkeit im Verhältnis zum lokalen Ruhesystem, einem fiktiven Bezugssystem der Galaxie, wird von weniger als fünf Prozent aller Sterne geteilt."

Fünfmal so schwer

Der zweite interstellare Meteor, IM2 bzw. CNEOS 2017-03-09, wurde kürzlich im Feuerballkatalog des Center for Near-Earth Object Studies aufgespürt. Das Objekt war am 9. März 2017 in einer Höhe von 23 Kilometern über dem Atlantik in der Nähe von Portugal explodiert. Sein Durchmesser betrug ungefähr einen Meter, seine Masse lag etwas unter 5.000 Kilogramm, und er kam mit einer Geschwindigkeit von rund 40 Kilometern pro Sekunde angerauscht.

Die Objekte von jenseits des Sonnensystems unterscheiden sich durch ihre Zusammensetzung von herkömmlichen Asteroiden.
Illustr.: NRAO/AUI/NSF, S. Dagnello

Auch dieses Objekt erwies sich laut den Berechnungen der Forschenden als ausgesprochen hart: IM1 und IM2 stehen, was die Festigkeit betrifft, von allen 273 Feuerbällen im CNEOS-Katalog auf Platz eins und drei, berichtet das Team in den "Astrophysical Journal Letters". "Dies impliziert, dass interstellare Meteore aus einer Population stammen, deren Festigkeit im Schnitt höher ist als bei Meteoren, die aus dem Sonnensystem stammen", sagte Siraj.

Produkt einer Supernova

Woher IM1 und IM2 gekommen sein könnten und wie sie entstanden sind, bleibt unklar, doch die Forschenden haben bereits eine Hypothese: Die Kombination aus der Flugbahn und anderen Messwerten der beiden Objekte würde insgesamt der Annahme widersprechen, dass IM1 und IM2 aus einem fremden Planetensystem zu uns gekommen sind.

"Wir gehen davon aus, dass die beiden Objekte aus sehr widerstandsfähigem metallischem Material bestehen. Interessanterweise wird im interstellaren Medium ein Mangel an solchen Elementen festgestellt. Das könnte bedeuten, dass diese Elemente vor allem in den interstellaren Geschoßen eingeschlossen sind", vermuten die Forschenden. Nachdem man bereits beobachtet hat, dass Supernovae eisenreiche "Kugeln" hervorbringen, halten es die Wissenschafter für möglich, dass IM1 und IM2 direkt auf solche Sternexplosionen zurückgehen. (tberg, 12.10.2022)