Rekordmann Ali Daei tritt gegen Verhaftungen und Gewalt auf.

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Ali Daei hat seinen Reisepass wieder. Vergangene Woche hatten die Behörden dem iranischen Rekordfußballer den Ausweis abgenommen, das konnte nur eine Reaktion darauf sein, dass auch er sich für die Rechte der Frauen in seiner Heimat starkgemacht und die Staatsgewalt dazu aufgerufen hat, "die Probleme des iranischen Volkes zu lösen, anstatt auf Unterdrückung, Gewalt und Verhaftungen zurückzugreifen".

Die Proteste begannen, nachdem die 22-jährige Kurdin Mahsa Amini, von Sittenwächtern wegen Verstößen gegen Kleidungsvorschriften verhaftet, am 16. September in Polizeigewahrsam zu Tode gekommen war.

Kaum jemand ist im Iran so bekannt wie Daei (53), der mit 109 Länderspieltoren 15 Jahre lang den Weltrekord hielt, ehe ihn 2021 ein gewisser Cristiano Ronaldo überflügelte. Er spielte in Deutschland für Bielefeld, Bayern München und Hertha BSC. 1999, als er mit Bayern das Double holte, war er Asiens Fußballer des Jahres. Später wurde er Trainer und Geschäftsmann, Daei Sport’s Wears & Equipments stattet etliche Vereine und auch das Nationalteam aus. Wieso er seinen Pass zurückbekam? Daei weiß es nicht. Mag sein, die Popularität hat ihm geholfen, vielleicht wollte das Regime nicht noch einen Star zum Oberrevoluzzer machen.

Fußballer mit Gewissen

Derer gibt es zur Genüge, ganz besonders im Fußball. Siehe Ali Karimi, der Daeis Nachfolger war, bei Bayern München wie im Nationalteam. Karimi (43) ist mit seiner Familie nach Dubai ausgewandert, nun twittert und wettert er gegen die Mullahs: "Hab keine Angst vor starken Frauen." Siehe Sardar Azmoun (27), der aktuell für Leverkusen kickt. Als der Iran vor kurzem in Österreich auf Trainingslager war, riss sich Azmoun quasi den Maulkorb herunter, der den Teamspielern verpasst worden war. "Schämt euch, wie leichtfertig ihr Menschen ermordet", schleuderte er dem Regime entgegen. "Lang leben die iranischen Frauen!"

Der Iran ist Teilnehmer der Fußball-WM in Katar (ab 20. November), wurde mit England, den USA und Wales in Gruppe B gelost. Zuletzt wurden seitens von Menschenrechtsorganisationen immer mehr Rufe nach Sanktionen des Weltverbands Fifa laut, sogar nach einem WM-Ausschluss des Iran. Doch die Fifa ist auf Tauchstation, so kennt man sie in Sachen Iran. Der in Wien lebende BBC- und Iranwire-Journalist Payam Younesipour berichtet dem STANDARD, zuletzt seien mehrere Erstligafußballer, die sich engagierten, verhaftet worden. Andere seien seitens des iranischen Verbands unter Druck gesetzt worden, sich nur ja herauszuhalten. "Wie kann die Fifa da zusehen?", fragt Younesipour. "Und wie kann sie zulassen, dass Frauen seit 43 Jahren derart diskriminiert werden?"

Stadionverbot für Frauen

Seit der Islamischen Revolution 1979 gilt im Iran ein Stadionverbot für Frauen. Nur bei einzelnen Spielen in jüngerer Vergangenheit waren ausgesuchte weibliche Fans zugelassen. Im März 2019 versuchte Sahar Khodayari, als Mann verkleidet, zu einem Spiel von Esteghlal Teheran ins Stadion zu kommen, sie wurde entdeckt und verhaftet. Als sie erfuhr, dass sie für sechs Monate eingesperrt werden sollte, übergoss sie sich mit einer brennbaren Flüssigkeit und zündete sich an, Tage später erlag sie ihren Verletzungen. "Blaues Mädchen" wird Khodayari nun genannt, Blau ist die Farbe ihres Vereins Esteghlal.

Maryam Shojaei ist jahrelang für die Plattform Open Stadiums gelaufen, hat der Fifa geschrieben, ihr Petitionen mit 200.000 Unterschriften übergeben. Shojaei ist kanadische Staatsbürgerin und die Schwester des früheren iranischen Teamkapitäns Massoud Shojaei. Dieser war 2017 gemeinsam mit seinem Stellvertreter Ehsan Hajsafi kurzfristig aus dem Nationalteam verbannt und erst nach Protesten von Fans und Ex-Teamspielern pardoniert worden.

"Die Spieler haben die rote Linie überschritten", hielt Vizesportminister Mohamed Resa Dawarsani allerdings fest. Was Shojaei und Hajsafi "verbrochen" hatten? Sie waren mit ihrem griechischen Verein Panionios Athen im Europacup gegen Maccabi Tel Aviv angetreten, hatten sich mit Israelis gemessen, was iranischen Sportlern strikt verboten ist. Antisemitismus in Reinkultur, auch das war kein Thema für die Fifa, auch da taucht sie nicht auf. (Fritz Neumann, 12.10.2022)