Im Gastblog gibt Kurt Tutschek Einblick in ein Lehrbuch zur Selbstverteidigung aus dem 19. Jahrhundert.
Wir befinden uns im Jahr 1895 und das Medium Fotografie beginnt langsam alle Bereiche des täglichen Lebens zu durchdringen. Immer öfter werden nicht nur wichtige Ereignisse für die Ewigkeit festgehalten, bald wird auch ausgelotet, auf welchen anderen Gebieten Fotografie gewinnbringend Verwendung finden könnte. Bald entsteht die Idee, Bildfolgen auch zu unterschiedlichsten Lehrzwecken einzusetzen.
Und so erlebt die bebilderte Ratgeberliteratur eine erste Hochblüte. Dabei entstehen nicht selten wunderbar skurrile "Lehrbücher" wie das vorliegende Album eines unbekannten Fotografen.
Die Fotos stammen aus einem unbetitelten Album aus den 1890er Jahren, in dem verschiedene Selbstverteidigungsmanöver im Nahkampf sehr anschaulich festgehalten sind.
Die beiden fein gekleideten Herren demonstrieren eine Vielzahl von Verteidigungsmanövern, die unter anderem Würgegriffe, Körpertreffer, Tritte, Schläge und Armdrehungen umfassen.
Jede Doppelseite zeigt den Moment der Konfrontation zwischen den finster dreinblickenden, aber elegant gekleideten Männern, gefolgt von dem entsprechenden Manöver der Selbstverteidigung. Dabei entbehren die angewandten Verteidigungsmaßnahmen oftmals nicht einer gewissen Skurrilität.
Inwieweit die hier präsentierten Handgriffe tatsächlich dazu geeignet sind, potenzielle Angreifer effektiv abzuwehren, sei dahingestellt.
Die Bildfolgen sind in jedem Fall ein hübsches Beispiel dafür, wie bereits vor mehr als 120 Jahren die Chancen, die das neuartige Medium Fotografie bot, auf kreative Weise genutzt wurden – und sei es um einen Lebensratgeber zu bebildern, der dem Herrn von Format die Verteidigung gegen einen böswilligen Angreifer, der es auf Leib und Leben abgesehen hat, zu erleichtern. (Kurt Tutschek, 15.10.2022)
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