Dives aus Wien. Eine Band und eine Gang – abhauen spielt’s nicht, sonst aber alle Stückeln.

Marie Haefner

Eine Band ist eine Band, das ist vordergründig einfach. Doch wegen der menschlichen Nähe, die ein Leben in so einem Verbund mit sich bringt, sind viele Bands mehr: Sie sind Gangs, verschworene Gemeinschaften. Und in solchen gibt es Regeln, Gesetze gar. Bei den Dives lautet eines: Egal wie sehr man streiten möge, es ist verboten, die Band zu verlassen. "Keinem Antrag auf Auflösung würde jemals stattgegeben werden", sagt Viktoria Kirner*.

Dabei lacht sie zwar, aber sie meint es ernst. Kirner bildet zusammen mit Dora de Goederen und Tamara Leichtfried das Wiener Trio Dives. Die Dives spielen, grob gesagt, Indie-Pop. Bass, Gitarre Schlagzeug. Kein unnötiger Klimbim, sondern ökonomischen Gitarrenpop, wie er in den 1980ern in Großbritannien erstmals richtig populär wurde, als Labels wie Rough Trade, Postcard und ähnliche Independentverlage das Business nachhaltig infiltrierten: Stichwort C-86. So hieß eine berühmt gewordene Kompilation von Gitarrenpopbands des NME mit den wichtigsten Vertretern dieses Fachs.

Runde Sache

Ob die Dives diesen Sampler kennen oder nicht, ist egal. Heute veröffentlichen sie ihren zweiten Longplayer. Er heißt Wanna Take You There, erscheint beim Wiener Indie-Label Siluh und klingt ziemlich super, selbstbewusst und ist nicht bloß wegen des Formats Langspielplatte eine runde Sache.

Siluh Records

Die Dives sind aus einem Glücksfall heraus entstanden. Die drei jungen Frauen lernten sich bei dem Linzer Pink Noise Girls Rock Camp kennen. Zwar kamen sie aus verschiedenen Bubbles, wie Kirner das nennt – dennoch funkte es.

Im Jahr 2017 erschien eine erste EP, 2019 der erste Longplayer mit dem biografisch gefärbten Titel Teenage Years Are Over. Was hat sich von den Anfängen bis jetzt verändert? Kirner: "Wir haben unsere Instrumente gewissermaßen auf der Bühne zu spielen gelernt. Mittlerweile sind wir eine ziemlich starke Liveband und haben ein Gefühl dafür bekommen, wie Songs beim Publikum ankommen." Offenbar nicht schlecht.

Die Dives haben in ihrer bisherigen Karriere über 150 Konzerte in zehn verschiedenen Ländern gespielt. Das färbt ab, daran wächst man, da tut sich einiges. Dora de Goederen: "Beim neuen Album sind wir anders ans Songwriting herangegangen, weniger verkopft. Wir haben heute mehr Selbstbewusstsein und spielen simplere Songs, sind poppiger geworden. Wir müssen nicht mehr in jedem Lied etwas Neues ausprobieren, wir machen zum Beispiel weniger Tempowechsel und verwenden weniger exotische Rhythmen."

Ein Song muss was können

Ein guter Song muss der Band Spaß machen, auch so eine Art Gesetz in der Gang. Schließlich nimmt man so ein Lied mit auf Tour und muss es die nächsten zwei Jahre spielen, da taugt es besser was.

Siluh Records

So unterschiedlich die Zugänge der drei ursprünglich gewesen sein mögen, die Dives klingen heute wie aus einem Guss. Ihre Musik ist das Produkt einer gemeinsamen Entwicklung, wurde nicht nach einem Masterplan entworfen.

Versüßter Lockdown

Zwar gibt es gemeinsame Heldinnen und Helden, aber keine Vorbilder, nach deren Musik die drei die ihre nachbauen würden. Kopieren gilt nicht, Inspiration schon: Wenn jemand wo ein gutes Intro hört, ein interessantes Break, wird überlegt, ob das zu einem der eigenen Songs passen könnte. Die Playlists der drei sind da wichtig, so checkt jede, was die anderen beiden gerade hören, mit derlei Forschung hat man sich die Lockdowns versüßt.

Von der Musik zu leben ist ein Nahziel, noch gehen alle nebenbei irgendwelchen Dayjobs nach. Für de Goederen ist Livespielen das Größte, Touren so etwas wie die Erfüllung – wenngleich sie hofft, dass es besser wird, als es im Moment noch ist. Besser bedeutet: weniger Selbstausbeutung und dass die Band alle in ihrem Team fair bezahlen kann.

Der Titel Wanna Take You There klingt da nachgerade wie ein Mission-Statement. Angesichts der Qualität der Musik wie eines, das sich erfüllen könnte. (Karl Fluch, 14.1.2022)