Ein Deckel auf Gas, das zur Produktion von Strom und Fernwärme eingesetzt wird, soll es richten: Nach dem Vorbild von Spanien und Portugal wird auch in anderen Ländern eine Marktintervention überlegt.

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Spanier und Portugiesen gehörten zu den Ersten, die mit staatlichen Eingriffen in den Energiemarkt Fakten schafften. Eine Senkung der Preise für elektrische Energie war das Ziel, das über eine Entkoppelung von Strom- und Gaspreis auch tatsächlich erreicht wurde. Nun werden Rufe auch außerhalb der Iberischen Halbinsel lauter, Ähnliches in der gesamten EU zu versuchen, auch aus Österreich.

Hierzulande ist es insbesondere die Arbeiterkammer (AK), die das iberische Modell als "praktikable, wirksame und rasch umsetzbare Lösung" für das seit langem virulente Problem exorbitant hoher Energiepreise hält. "Rasches und entschlossenes Handeln ist nötig", sagt AK-Energieexperte Josef Thoman. "Das Problem muss an der Wurzel angegangen werden; mit Transferzahlungen zur Linderung des Preisanstiegs stößt man rasch an Grenzen."

36 Milliarden Mehrkosten bis 2023

Kurt Kratena vom Center of Economic Scenario Analysis and Research (CESAR) hat im Auftrag der AK eine Studie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Energiekrise gemacht. Demnach steigen die Energiekosten allein heuer in Österreich um 24 Milliarden Euro, was rund 5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Im Zeitraum 2021 bis 2023 belaufen sich die Mehrkosten auf kumuliert 36 Milliarden oder 7,7 Prozent des BIP.

Wenn es gelänge, den starken Anstieg der Strompreise im Großhandel zu halbieren, hätte das signifikante Auswirkungen auf die Teuerung, weist Kratena in der Studie nach. Die Preiseffekte durch teuren Strom könnten demnach über alle Wirtschaftssektoren betrachtet von 8,8 auf 6,6 Prozent gedrückt werden; in der energieintensiven Industrie wäre der Entlastungseffekt noch weitaus größer.

Brief aus Paris

Mittlerweile kursiert auf Twitter das Gerücht, wonach Frankreich in Vorbereitung des EU-Gipfels der Staats- und Regierungschefs Donnerstag und Freitag kommender Woche Briefe an alle Staatskanzleien gerichtet hat, um für das iberische Modell zu werben. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat trotz Bedenken wegen befürchteter negativer Auswirkungen auf den Erneuerbaren-Ausbau und möglicher Mehrverbräuche von Gas im Fall einer Preissubventionierung zuletzt Sympathie für einen Gaspreisdeckel erkennen lassen – wenn dieser europaweit komme. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass subventionierter Strom ins Ausland abfließe.

Das kann man jetzt auch in Spanien beobachten. Obwohl die Iberische Halbinsel nur schwache Leitungsverbindungen ins Ausland hat, ist seit dem Sommer vermehrt billiger Strom aus Spanien nach Frankreich und Marokko geflossen.

Deutschland bremst noch

Hart auf der Bremse stehen in Sachen Gaspreisdeckel nach wie vor Deutschland und die Niederlande. Ihr Hauptargument: Preissignale würden verwässert und der Gasverbrauch angekurbelt statt gesenkt.

AK-Energieexperte Thoman lässt das nicht gelten: "Es gibt nichts, was diese Ansicht unterstützt." Die Position der subventionierten Gaskraftwerke in der Merit-Order-Kurve, die den Kraftwerkseinsatz entsprechend den Grenzkosten vom günstigsten zum teuersten abbildet, ändere sich nicht. Der Gaspreisdeckel müsse so festgelegt werden, dass die Kraftwerke jedenfalls nicht billiger werden als andere Erzeugungsformen wie Wind, Wasser oder Photovoltaik. Die teuersten Kraftwerke, die gemäß Merit Order den Preis aller anderen Erzeugungstechnologien bestimmen, sind seit dem Einmarsch von Putins Truppen in der Ukraine und dem dadurch ausgelösten Höhenflug der Gaspreise mit Abstand Gaskraftwerke.

Ein Deckel, der wirkt

In Spanien und Portugal hat die Regierung den Gaspreis im Juni bei 40 Euro je Megawattstunde (MWh) gedeckelt, bis Sommer nächsten Jahres wird der Deckel schrittweise auf 70 Euro je MWh angehoben. Für die Differenz zwischen Markt- und gedeckeltem Preis kommen die spanischen Steuerzahler und Konsumenten auf – über einen Sonderposten auf der Gasrechnung und eine direkte Ausgleichszahlung nach täglichem Börsenschluss am Spotmarkt für Strom.

Die Ersparnis, die sich aus den niedrigeren Strompreisen ergibt, ist aber deutlich größer als die Kosten für die Subventionierung des Kraftwerkgases. Ein Grund mehr, warum die AK in Österreich dieses Modell favorisiert. Thoman: "Wenn der Strompreis wieder näher an den tatsächlichen Erzeugungskosten ist, können wir alle Verbraucher entlasten. Damit hätten wir dann auch einen starken Hebel, die Inflation zu dämpfen – mit allen weiteren positiven volkswirtschaftlichen Effekten. Und die Übergewinne würden gleichzeitig reduziert." (Günther Strobl, 13.10.2022)