Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) spricht am Donnerstag von "Null-Toleranz bei Rechtsextremismus". Der wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilte Berufssoldat blieb aber im Dienst.

Foto: APA/Bundesheer/Carina Karlovits

Was muss man beim österreichischen Bundesheer tun, um entlassen zu werden? Diese Frage muss man sich stellen, seit durch einen Kurier-Artikel bekannt wurde, dass ein wegen NS-Wiederbetätigung verurteilter Unteroffizier beim Heer bleiben kann.

Jahre des Abdriftens

Das Abdriften nach ganz rechts war dabei kein einmaliger Ausrutscher. Zwischen 2014 und 2015 fertigte der Mann selbst eine SS-Uniform an, trug diese und speicherte davon Fotos auf einem Datenträger. Zwei bis drei Jahre später zeigte er sich mehrmals mit NS-Abzeichen samt Hakenkreuz, zwischen 2019 und 2020 zeigte er mehrmals öffentlich den Hitlergruß, auch in einem Fußballverein. Er sammelte Nazi-Devotionalien und nahm Knallkörper des Heeres mit nach Hause.

In Deutschland wäre der Mann nicht mehr bei der Bundeswehr. Dort gilt Rechtsextremismus als Entlassungsgrund. In Österreich habe, wie Bundesheersprecher Michael Bauer dem STANDARD am Donnerstag sagte, der Vorgesetzte schließlich das Treiben des Berufssoldaten "erkannt". Das war 2021. Es folgte die Dienstenthebung, was bedeutet, dass ein Soldat die Kaserne vorübergehend nicht mehr betreten darf und nur ein Drittel seines Gehalts bekommt.

Ein Disziplinarverfahren wurde eingeleitet, doch als eine Strafanzeige nach dem Verbotsgesetz folgte, wurde Ersteres unterbrochen. Das Gericht befand den Mann für schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Haftstrafe von rund zehn Monaten. Ab einer Strafe von zwölf Monaten hätte das automatisch einen Amtsverlust bedeutet.

Küchendienst statt Entlassung

Nun war wieder das Disziplinarverfahren an der Reihe. Dieses könne, so Bauer, als Kommandantenverfahren oder als Verfahren vor der zuständigen Bundesdisziplinarbehörde abgewickelt werden. Im vorliegenden Fall übernahm die Bundesdisziplinarbehörde, die "für schwerere Fälle" in Ministerien zuständig sei, erzählt Bauer. Diese hätte die Entlassung des Unteroffiziers bewirken können. Doch nach der hatte niemand im Heer verlangt.

Trotz des über sieben Jahre dokumentierten Verhaltens des Manns gab es "mildernde Gründe", wendet Bauer ein. Etwa, dass der Berufssoldat eine schwer kranke Frau und Kinder habe und zudem unter Alkoholeinfluss gestanden habe. Doch der letzte Punkt gilt überhaupt nicht für alle Taten. Trotzdem bekam er nur eine Geldstrafe von knapp 5000 Euro.

"Er wurde aber versetzt", betont Bauer, "er arbeitet jetzt in der Küche." Ob er in den vergangen Jahren auch mit Grundwehrdienern zu tun hatte? "Das kann man nicht ausschließen", sagt der Sprecher, "eher schon, man hat im Heer fast überall mit Grundwehrdienern zu tun".

"Volle Härte"

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bedauerte per Aussendung, dass "es leider immer wieder zum Fehlverhalten Einzelner" käme, gegen das man "mit voller Härte" und "Null-Toleranz bei Rechtsextremismus" vorgehe. Sie kündigte an, dass sie nächste Woche eine Kommission zum Thema der "Bekämpfung von staatsfeindlichen Tendenzen" einrichten wird. Diese soll zur Vermeidung derartiger Fälle die nötigen gesetzlichen Maßnahmen – Änderung des Beamten-Dienstrechts und des Strafgesetzbuches – ausarbeiten.

Der Bundespräsident äußerte sich "schockiert".

Er sei "schockiert" twitterte hingegen der Oberbefehlshaber des Bundesheeres und Bundespräsident Alexander Van der Bellen: "Wer in der Exekutive arbeitet, trägt besondere Verantwortung. Jede Form der NS-Verherrlichung ist aufs Schärfste zu verurteilen und hat keinen Platz im Staatsdienst und in unserer Gesellschaft." (Colette M. Schmidt, 13.10.2022)