Dieses Bild sieht vergleichsweise harmlos aus. Die grauslichen Details entnehmen Sie bitte dem untenstehenden Gameplay-Trailer.

Foto: Ebb Software

Es reicht nur ein einziger Blick, schon wissen Fans der "Alien"-Filme, dass sie "Scorn" zumindest eine Chance geben müssen. Denn das visuell von Künstlern wie H. R. Giger und Zdzisław Beksiński inspirierte Werk versprüht eine ähnlich düstere Atmosphäre wie die Filme rund um den bösartigen Xenomorphen. Doch hält das vom serbischen Studio Ebb Software innerhalb von mehr als sieben Jahren entwickelte Spiel, was die Trailer und Promo-Bilder versprechen? Kann auch das Gameplay überzeugen? Der STANDARD hat das Game für circa 90 Minuten auf dem PC angespielt.

Xbox

Grafik und Sound sorgen für Atmosphäre

Die gute Nachricht zuerst: "Scorn" kann in puncto Grafik wirklich punkten, obwohl hinter dem Projekt eben kein großer Konzern, sondern ein kleines Indie-Studio steckt. Nach einer kurzen, äußerst verstörenden Intro-Sequenz bewegt man sich in der Ich-Perspektive als halb verwestes humanoides Wesen durch düstere Gewölbe, die in ihrer organischen Grausigkeit an verwesende Organe erinnern – oder eben an die Brutstätten der eingangs erwähnten Alien-Königin aus den gleichnamigen Filmen.

Doch nicht nur die Grafik, auch die Soundeffekte tragen zur Atmosphäre bei. So gibt es zwar keine Dialoge, doch sorgen Geräusche in den düsteren Gängen stets für den Eindruck, dass man hier nicht alleine ist, obwohl alle dort vorhandenen Gerätschaften verlassen und nicht mehr funktionsfähig sind.

In einer fremden Welt

Denn das ist das Konzept von "Scorn": Die Spieler werden in eine fremde, düstere Alien-Welt geworfen, in der sie sich zurechtfinden müssen, wie die Entwickler sagen. In "Scorn" kann man zwar schießen, aber es ist kein Shooter.

Vielmehr geht es darum, diverse Rätsel zu lösen und so neue Abschnitte in der Geschichte freizuschalten. Am Ende soll der Spieler sich dann ein Bild davon machen können, woran jene Zivilisation zugrunde gegangen ist, die die düsteren Gänge und seltsamen Apparate entworfen hat.

Frustrierende Rätsel

Das Problem ist: Bei den besagten Rätseln steht man recht schnell an. So habe ich mich zwar recht rasch durch ein paar schlauchartige Gänge zu einer großen Halle vorarbeiten können, die Zugänge in mehrere Räume mit unterschiedlichen Apparaten bietet – doch was ich mit den einzelnen Geräten tun muss, habe ich auch nach längerem Herumprobieren nicht verstanden.

So können die Maschinen zwar aktiviert werden, in den meisten Fällen passiert aber nichts: Kräne greifen ins Leere, Kreissägen sägen in der Luft herum. An einer Stelle hatte ich ein kurzes Erfolgsgefühl, weil ich mit einem Greifarm eine Kugel – ein Alien-Ei? – aus einer Wand lösen konnte, danach war selbige Kugel jedoch nicht mehr auffindbar, und ich stolzierte weiter planlos durch die Gänge.

Lernen von "Monkey Island"

Es ist freilich davon auszugehen, dass ich mich blöd anstelle. Vermutlich gibt es irgendwo einen spezifischen Schalter, den ich umlegen, oder einen Gegenstand, den ich aufheben muss. Und wer genug Zeit in dieses System steckt, der wird vermutlich irgendwann fündig – das Problem ist bloß: Diese Zeit und Geduld haben nicht viele Menschen.

Deutlich besser wurde dies in einem anderen aktuellen Spiel des Adventure-Genres gelöst, nämlich "Return to Monkey Island". Hier werden mir auf Wunsch jene Punkte markiert, mit denen ich interagieren kann, und wenn ich nicht mehr weiterweiß, kann ich mir einen Hinweis geben lassen.

Fazit: Tolle Grafik, langsames Gameplay

Von Ebb Software wird die Spielzeit für "Scorn" mit sieben bis zehn Stunden angegeben, zu einem späteren Zeitpunkt sollte man auch mit begrenzter Munition auf Monster schießen können – leider habe ich diesen Punkt aber nicht erreicht. Die Rätsel sind in höchstem Maß frustrierend und logisch nicht nachvollziehbar, zumindest das Einbauen eines optionalen Hinweissystems hätte nicht geschadet.

Wer "Scorn" genießen möchte, der muss also ein gewisses Maß an Geduld und Frustrationstoleranz mitbringen – ergänzend zu jenem starken Magen, den man bei einem Horror-Adventure ohnehin benötigt. (Stefan Mey, 14.10.2022)