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Abhärten oder einheizen, die Entscheidung ist schwer
Foto: Getty Images/ Montage: Lukas Friesenbichler

Die Angst vor dem Frieren geht um. Angesichts der wohl horrenden Heizkosten im kommenden Winter stellen sich manche geistig bereits auf eine Innentemperatur um die 19 Grad ein. In Gesprächen spürt man die Sorge um das eigene Wohlbefinden – gerade im Winter hat man es ja gerne kuschelig. Viele fragen sich aber auch, ob solche Temperaturen in Wohn- und Arbeitsräumen noch gesund sein können. Wie wird sich der potenziell kalte Winter auswirken?

"Tendenziell eher überheizt"

19 Grad Raumtemperatur sind definitiv nicht gesundheitsbedrohlich, beruhigt der Umweltmediziner und Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien. Es stimmt, dass viele Menschen solche Temperaturen im Wohnzimmer als zu kühl empfinden. Das liegt aber daran, dass das Wärmeempfinden sehr individuell ist. Manche Menschen sind bei 20 Grad völlig entspannt, andere bibbern bei 22 noch. Plädoyer fürs Frieren soll das keines sein, aber: "Unsere Räume sind tendenziell eher überheizt als zu kalt", betont Hutter. "Bei 24, 25 Grad sinkt die Luftfeuchtigkeit stark ab, die Schleimhäute trocknen stärker aus, das macht an fälliger für Krankheitserreger. Auch Chemikaliendämpfe in der Luft, etwa durch Putzmittel, wirken aggressiver."

Je nachdem, wie ein Raum genutzt wird, liegt die optimale Temperatur zwischen 17 und 22 Grad. In Wohnräumen sollte es zumindest 19 Grad haben, im Schlafzimmer darf es auch etwas kühler sein. Tatsächlich problematisch wird es ab 15 Grad oder weniger, da erhöht sich das Risiko für Schimmel bildung deutlich. Untertags gibt der Mensch Feuchtigkeit in den Raum ab, durch Ausatmung, Schwitzen, Kochen, Duschen. Das kann bis zu einen Kübel Wasser ergeben. Diese Feuchtigkeit schlägt sich an den Wänden nieder, vor allem wenn nicht gelüftet wird.

Unbewusst verkrampft

Ein wesentlicher Aspekt fehlt in dieser Erklärung aber: Kälte ist ein Stressfaktor. Ist dem Menschen kalt, schlägt sich das auf seine Laune, betont Brigitte Lueger-Schuster, klinische Psychologin an der Fakultät für Psychologie der Uni Wien: "Man krampft unbewusst zusammen und zieht die Schultern hoch. Eine solche Körperhaltung kann sich durchaus auf das Gemüt übertragen und so das allgemeine Wohlbefinden negativ beeinträchtigen." Abgesehen davon kann es schmerzhaft werden. Auch Physiotherapeutinnen und -therapeuten berichten, dass im Winter Verspannungen im Nackenbereich deutlich zunehmen.

Dazu kommt, dass der Winter nicht nur die kalte, sondern auch die dunkle Jahreszeit ist, betont Lueger-Schuster: "Die lässt uns ruhiger und etwas träger werden. Manche fühlen sich auch trauriger, auf jeden Fall weniger aktiv." Das gelte natürlich nicht für alle, betont sie – aber in Kombination mit kühlen Wohnungen hebt es die Stimmung noch weniger. Das Problem dabei: Man könne nicht einmal so sim ple Wohlfühltipps wie ein heißes Bad zur Entspannung geben, denn genau das verbraucht ja wieder Energie.

Einig sind sich Hutter und Lueger-Schuster aber, dass man sich an weniger geheizte Wohnungen gewöhnen kann. Man muss den Thermostat aber nicht von heute auf morgen auf 20 Grad runterdrehen, sondern kann sich mit kleinen Temperatursenkungen herantasten und parallel dazu mehr anziehen. Und beide plädieren für ein recht simples Mittel: mehr Bewegung. "Das fördert die Durchblutung, der Körper heizt von innen", sagt Hutter.

Kneippgüsse zum Abhärten

Bewegung ist übrigens ein Gewinn auf allen Ebenen. Es geht dabei gar nicht um Leistungssport. Schon ein ausgiebiger Spaziergang tut Skelett apparat, Muskulatur und Psyche gut, weil das kleine Verkrampfungen löst. "Kommt man dann nach einem Winterspaziergang nach Hause und kuschelt sich mit einer Tasse Tee in eine Decke, sorgt das auch für ein gutes Gefühl", sagt Lueger-Schuster. Ebenso wichtig sind kurze Bewegungen zwischendurch, immer wieder aufstehen, sich vielleicht einmal strecken oder ein paar Dehnungsübungen machen.

Und man kann sich tatsächlich auch etwas abhärten. "Man kann es trainieren, weniger empfindlich auf Kälte zu reagieren, genauso wie Liegestütze", sagt Hutter. Die beste Methode: gezielte Kältereize wie eine morgendliche kalte Dusche oder Kneippgüsse.
(Pia Kruckenhauser, 15.10.2022)

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