Der Übergriff soll im Norden Teherans passiert sein und sorgte auf sozialen Medien für heftige Reaktionen. (Symbolbild)

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Teheran – Die iranische Polizei ist in Erklärungsnot geraten, weil ein Polizist bei den landesweiten Protesten einer Frau an den Hintern gegriffen hat. Der Vorfall, den andere Demonstranten als Video aufgenommen und in sozialen Medien geteilt hatten, sorgte für Empörung. Die Polizei versuchte zunächst, das Video als von Regimegegnern manipulierte Aufnahme darzustellen, musste den Vorfall aber letztendlich zugeben. Der Fall werde nun untersucht, hieß laut Berichten am Samstag.

Der Übergriff soll sich diese Woche im Norden der Hauptstadt Teheran ereignet haben. Auf dem Video ist zu sehen, dass die Polizei eine Demonstrantin festnehmen will. Diese wehrte sich jedoch vehement. Daraufhin fasste einer der Polizisten der Frau an den Hintern.

In sozialen Medien reagierten Menschen empört und fragten, wie die Polizei eines islamischen Staates solch einen sittenwidrigen und sexistischen Übergriff begehen könne. Die Demonstrantin konnte letztendlich mit Hilfe von anderen Demonstranten freikommen.

Proteste gehen weiter

.ei einer Demonstration an der Shariati-Universität in der Hauptstadt Teheran riefen Frauen ohne Kopftücher Slogans wie "Die Mullahs sollen sich verziehen!", wie ein im Internet verbreitetes Video zeigte. Weitere Proteste gab es etwa in Isfahan und Kermanschah..

In der Stadt Hamedan, westlich von Teheran, wurden aus einer johlenden und pfeifenden Menge Wurfgeschosse auf Sicherheitskräfte geschleudert, wie von der Nachrichtenagentur AFP geprüfte Aufnahmen zeigten. Laut dem Onlinedienst 1500tasvir riefen junge Frauen an einer Hochschule in Teheran "Freiheit, Freiheit, Freiheit", während sie ihre Kopftücher in der Luft schwenkten. Der Online-Kanal, der Proteste und Polizeiübergriffe dokumentiert, berichtete zudem von streikenden Ladenbesitzern in der Provinz Kurdistan und in Westaserbaidschan.

Angaben der in Norwegen ansässigen Menschenrechtsorganisation Hengaw zufolge begannen Schülerinnen im Dorf Ney in der Provinz Mariwan ihre Proteste, indem sie "Feuer legten und regierungsfeindliche Slogans anstimmten". Wie der Online-Monitor NetBlocks berichtete, wurden Demonstranten in auf Twitter geteilten Videos auf den Straßen der nordwestlichen Stadt Ardabil gesehen. Online verbreitetes Filmmaterial zeigte zudem demonstrierende Studenten an Universitäten in Teheran, Isfahan und Kermanschah.

Präsident fordert Überprüfung einiger Gesetze

Irans Präsident Ebrahim Raisi kündigte unterdessen an, einige der im Land geltenden Gesetze zu überprüfen. "Bei der Überprüfung der kulturellen Strukturen ist es unbedingt erforderlich, die Gesetze zu überprüfen, zu überarbeiten, zu aktualisieren und gegebenenfalls auch zu revidieren", sagte Raisi am Samstag. Dabei sei auch der Dialog notwendig, um bestimmte Themen kontinuierlich zu bewerten und "Zweifel" innerhalb der Gesellschaft auszuräumen.

"Wir sollten auch sehen, ob wir die gesetzten Ziele erreicht haben und wenn nicht, wo die Probleme liegen", sagte er laut Nachrichtenagentur Irna. So sollten laut Raisi auch der Status und die Möglichkeiten von Frauen mehr in den Fokus rücken. Welche Gesetze er konkret meinte und ob seine Forderung etwa den Kopftuchzwang betrifft, sagte Raisi nicht.

Propaganda mit Frauenbildern

Ebenfalls peinlich für das System war auch eine PR-Aktion auf dem Vali Asr-Platz im Zentrum Teherans. Ein riesiges Werbebanner mit Bildern von 50 bedeutenden Frauen sollte deren Leistungen für das Land würdigen. Das eigentliche Ziel war aus Sicht von Kritikern jedoch zu zeigen, dass die islamische Republik nicht frauenfeindlich sei.

Kurze Zeit später forderten einige der Frauen – sowie die Familien der verstorbenen Persönlichkeiten – ihre Bilder zu entfernen. Das Regime habe kein Recht, ohne Erlaubnis mit diesen Personen Propaganda zu machen, um so die Frauenbewegung gegen Diskriminierung zu untergraben. Daraufhin mussten die Verantwortlichen das Banner abnehmen und mit einem bildlosen Plakat ersetzen. (APA, red, 15.10.2022)