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Das Evin-Gefängnis am Fuße des Teheraner Hausberges Elburs.

Foto: Getty/Ulrich Baumgarten

Teheran – Im berüchtigten Evin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt Teheran ist am Samstagabend Feuer ausgebrochen. Die Brandursache ist noch unklar. In den sozialen Medien war von Schüssen und Explosionen in der Haftanstalt die Rede, im Netz zirkulierende Videos scheinen dies zu bestätigen. Die Anti-Regierungs-Proteste waren am Tag zuvor unvermindert weitergegangen. In Reaktion auf das Feuer setzten sie sich im Norden Teherans, wo sich das Gefängnis befindet, auch in der Nacht fort. Da die iranische Regierung erneut in vielen Teilen des Landes und in der Hauptstadt den Zugang zum Internet gesperrt hat, war die Lage auch nach Stunden noch unübersichtlich.

Ein namentlich nicht genannter Regierungsvertreter sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Irna, Unruhen unter "Schlägern" hätten zu dem Brand geführt. Auf Kanälen der Regierungsgegner wird indes der Verdacht verbreitet, die Regierung könnte den Brand bewusst gelegt haben. Videos, die möglicherweise den Beschuss der Anstalt zeigen, konnten zunächst nicht verifiziert werden.

Fragwürdige Aussagen

Im berüchtigten Foltergefängnis des Regimes sitzen nicht nur zahlreiche politische Gefangene, die teils seit Jahren festgehalten werden, sondern auch viele jener Demonstrierenden, die in den vergangenen Wochen wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten inhaftiert wurden. Unter den Insassen sind auch die meisten jener Gefangenen mit ausländischer Staatsbürgerschaft, die die iranische Regierung unter oft fadenscheinigen Begründungen festhält. Dazu zählen auch zwei Österreicher.

Staatliche Medien berichteten unter Berufung auf Sicherheitskräfte, dass die Lage im Gefängnis mittlerweile wieder "ruhig" sei, und die Feuerwehr an Ort und Stelle im Einsatz stehe. Es gebe acht Verletzte und keine Toten. Auch dies ist allerdings nicht zu verifizieren. Die Zugangsstraßen zum Gefängnis wurden gesperrt, auf Videos sind Krankenwagen zu hören, im Umkreis der Anstalt wird auch demonstriert. Von den Dächern sind regimekritische Rufe zu hören. Zugleich versuchen verzweifelte Angehörige von Insassen zum Gefängnis zu gelangen, um Informationen zum Zustand ihrer Verwandten und Freunde zu erfahren.

Trotz des gewaltsamen Vorgehens der Behörden gegen Demonstranten und massiven Einschränkungen beim Internetzugang gingen die fünfte Woche in Folge zahlreiche Menschen auf die Straße. Bei einer Demonstration an der Shariati-Universität in der Hauptstadt Teheran riefen Frauen ohne Kopftücher Slogans wie "Die Mullahs sollen sich verziehen!", wie ein im Internet verbreitetes Video zeigte. Weitere Proteste gab es etwa in Isfahan und Kermanshah..

In der Stadt Hamedan, westlich von Teheran, wurden aus einer johlenden und pfeifenden Menge Wurfgeschosse auf Sicherheitskräfte geschleudert, wie von der Nachrichtenagentur AFP geprüfte Aufnahmen zeigten. Laut dem Onlinedienst 1500tasvir riefen junge Frauen an einer Hochschule in Teheran "Freiheit, Freiheit, Freiheit", während sie ihre Kopftücher in der Luft schwenkten. Der Online-Kanal, der Proteste und Polizeiübergriffe dokumentiert, berichtete zudem von streikenden Ladenbesitzern in der Provinz Kurdistan und in Westaserbaidschan.

Proteste in mehreren Städten

Angaben der in Norwegen ansässigen Menschenrechtsorganisation Hengaw zufolge begannen Schülerinnen im Dorf Ney in der Provinz Mariwan ihre Proteste, indem sie "Feuer legten und regierungsfeindliche Slogans anstimmten". Wie der Online-Monitor NetBlocks berichtete, wurden Demonstranten in auf Twitter geteilten Videos auf den Straßen der nordwestlichen Stadt Ardabil gesehen. Online verbreitetes Filmmaterial zeigte zudem demonstrierende Studenten an Universitäten in Teheran, Isfahan und Kermanschah.

Als Reaktion auf die Proteste rief der Islamische Koordinationsrat für Entwicklung die Menschen im Iran dazu auf, "ihre revolutionäre Wut gegen Aufruhr und Randalierer auszudrücken". Wie ein Journalist der Zeitung "Shargh" berichtete, wurden zudem "Pensionäre" der Revolutionsgarden wegen der "aktuell heiklen Situation" gebeten, am Samstag zusammenzukommen.

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna sagte ein Kommandant bei dem Treffen, drei Mitglieder der Basij-Miliz seien seit Beginn der Proteste getötet und 850 weitere verletzt worden. (red, APA, 15.10.2022)