Seine Lebenserinnerungen sind erst im Frühjahr erschienen. Jetzt ist Rudolf Schönwald verstorben.

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Der Wiener Maler und Zeichner Rudolf – "Rudi" – Schönwald ist am Samstag im deutschen Freiburg im Breisgau 94-jährig verstorben. Er war einer der letzten Wiener Holocaust-Überlebenden und einer der Letzten aus der Künstlergeneration, die Wien in den Sechziger- und Siebzigerjahren zu einer lebendigen und interessanten Kunststadt gemacht hatten. Nicht zuletzt sein Witz und seine Erzählkunst haben dazu beigetragen, dass er im Wiener intellektuellen Milieu zu einer legendären Figur geworden war.

Schönwald wurde in Hamburg in eine aus Wien stammende Familie hineingeboren und wuchs in Salzburg auf, wo er als "Geltungsjude" den Aufstieg der Nationalsozialisten und den Anschluss Österreichs an Deutschland erlebte. Erzogen in der von Jesuiten geleiteten Internatsschule St. Blasien im Schwarzwald musste er, als die Anstalt von den Nazis geschlossen wurde, nach Österreich zurück. Der Vater hatte sich das Leben genommen, der Mutter gelang mit ihren zwei schulpflichtigen Söhnen unter abenteuerlichen Umständen die Flucht nach Budapest. Als U-Boote und Lagerhäftlinge überstanden die Kinder den Krieg in Ungarn, die Mutter überlebte mit knapper Not das Konzentrationslager Auschwitz.

Eine Zeichnung von Rudi Schönwald.
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Nach Wien zurückgekehrt, studierte Rudolf Schönwald an der Akademie der Bildenden Künste und bildete alsbald mit seinen Freunden, dem Bildhauer Alfred Hrdlicka und den Malern Georg Eisler und Fritz Martinz eine bewusst linke und dem Realismus zugehörige Künstlergruppe. Gleichzeitig erzielten damals die Abstrakten wie Arnulf Rainer, Markus Prachensky und Josef Mikl, die sich rund um Otto Mauers Galerie St. Stephan versammelten, Aufmerksamkeit, ebenso wie die Phantastischen Realisten wie Ernst Fuchs und Arik Brauer. Künstlerisch Antagonisten, privat gute Freunde.

Beobachter mit Witz

Ab 1968 veröffentlichte Schönwald in Günther Nennings Zeitschrift "Neues Forum" einen Comicstrip namens GOKS, die Abenteuer eines gleichnamigen Monsters enthaltend, gestaltete Bühnenbilder und landete schließlich als Professor für bildnerische Gestaltung an der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Ein Professor besonderer Art, der nebenbei die sterbenden Industriemonumente des Ruhrgebiets, Nordmährens und Lothringens erkundete und zeichnete, möglicherweise sein Hauptwerk. Den Pergolesi der Borinage, nannten ihn die Kritiker.

Rudolf Schönwald hat nicht nur als Künstler, sondern auch als Zeitzeuge den vergangenen Jahrzehnten seinen Stempel aufgedrückt. Noch kurz vor seinem Tod erschienen seine gemeinsam mit seinem Freund, dem Schriftsteller Erich Hackl, verfassten Lebenserinnerungen unter dem Titel "Die Welt war ein Irrenhaus". Tragödien und Sternstunden, von der Schlacht um Budapest bis zum Wiederaufbau Österreichs nach Diktatur und Krieg – Schönwald hat sie erlebt und mit unbestechlichem Beobachterblick und scharfem Witz begleitet. Mit ihm ist auch ein Stück Wiener Kulturgeschichte dahingegangen. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 16.10.2022)