Ein Schlepper fuhr bei einem Fluchtversuch auf der Ostautobahn gegen ein Polizeiauto.

Foto: APA/LPD NÖ/UNBEKANNT

Während der Coronapandemie haben sich im Balkanraum zahlreiche Migranten aufgehalten, nun strömen diese weiter Richtung Westen. Jeden Tag werden im Burgenland derzeit 400 Personen, die illegal über die Grenze nach Österreich kommen, aufgegriffen. Von bundesweit 75.000 Migranten in diesem Jahr entfielen laut Landepolizeidirektor Martin Huber 55.000 allein auf das Burgenland. Auch von den laut Innenministerium 472 festgenommenen Schleppern wurden 254 im Burgenland aufgegriffen. Insgesamt sei dies ein "Allzeit-Hoch", bereits jetzt gebe es 30 Festnahmen mehr als im gesamten vergangenen Jahr.

"Wir arbeiten auf drei Ebenen. Zum einen gibt es die Schwerpunktaktionen mit Ungarn, zum Zweiten die Grenzüberwachung an den Übergängen und der grünen Grenze und zum Dritten die Gemeindeüberwachung", erklärte der Landespolizeidirektor Huber. Monatlich finden 20 dieser Schwerpunktaktionen statt. "Die sind sehr erfolgreich", im Zeitraum von September 2021 bis August 2022 konnten 168 Schlepper in Ungarn festgenommen werden.

Justiz an Belastungsgrenze

Die große Zahl an festgenommenen Schleppern bringt die Justiz im Burgenland an die Belastungsgrenze. Mit bis zu 45 Insassen mehr als vorgesehen ist die Justizanstalt Eisenstadt seit Mai regelmäßig überbelegt. Rund 70 Prozent sind wegen Schlepperei in Haft, sagte der stellvertretende Leiter Klaus Faymann im Interview mit der Nachrichtenagentur APA. Einen Mehraufwand bedeutet das auch für das Landesgericht Eisenstadt. Üblicherweise würden wöchentlich ein bis zwei Prozesse gegen Schlepper verhandelt, derzeit seien es neun bis zehn. Tendenz steigend, sagte Vizepräsident Bernhard Kolonovits.

Laut Faymann sei die Situation vor allem personell eine Herausforderung, zumal bei einer Anklage wegen Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung ein Schöffengericht verhandle, wodurch gleich zwei Berufsrichter gebunden seien. Außerdem seien die Angeklagten großteils in U-Haft. Dadurch müsse der Fall schnell verhandelt werden, um Haftfristen einhalten zu können. Schon innerhalb von 48 Stunden nach der Festnahme eines Schleppers brauche es einen Richter, der über die Verhängung der Untersuchungshaft entscheide. Die Belastung sei für die Strafrichter "an der obersten Grenze". Auch die Zahl der Prozesse insgesamt habe sich von ungefähr 16 pro Woche auf 25 erhöht.

Vor allem im Sommer seien Faymann zufolge zeitweise fast nur noch Personen wegen Schleppereidelikten festgenommen worden. In Richtung der kalten Jahreszeit habe das mittlerweile etwas nachgelassen. In der Justizanstalt hoffe man jedenfalls auf eine Entspannung der Situation.

Zahl an Migranten fordert auch Bundesheer

Die 750 Soldaten des österreichischen Bundesheeres, die im östlichen Burgenland ihren Dienst versehen, sind ebenso mit einer wachsenden Anzahl an Migranten konfrontiert. Jede Woche würden laut Gernot Gasser, Militärkommandant des Burgenlandes, 2.800 bis 3.000 Menschen im Burgenland aufgegriffen. "Das ist eine Zahl, die die Einsatzkräfte extrem fordert." Neben dem Burgenland ist das Bundesheer auch in Tirol, Kärnten und der Steiermark zur zur Verhinderung illegaler Migration im Assistenzeinsatz; insgesamt sind es 1.000 Soldaten. Laut Gasser fehle dieses Personal dem Heer bei seiner eigentlichen Aufgabe, der Landesverteidigung. Er drängt auf politische Lösungen.

Eine Herausforderung sei indes auch der Weitertransport der aufgegriffenen Personen zu den Registrierstellen, vier davon gibt es im Burgenland. Dieser erfolgt gemeinsam mit der Polizei. "Wir können de facto nicht verhindern, dass sie hineinkommen, aber durch die Registrierung sind sie zumindest nicht illegal aufhältig", stellte Gasser fest. "Wir bekämpfen Symptome, nicht die Ursache. Aber das kann kein einzelner Staat in der EU lösen."

Vergleich zu 2015

Die Zahl der Flüchtlinge ist hoch. Mit der Situation von 2015 sei die Lage derzeit noch nicht vergleichbar, sollte sie sich weiter verschärfen, brauche es aber "allenfalls eine personelle Aufstockung", sagte der Vizepräsident des Landesgerichts Eisenstadt, Bernhard Kolonovits.

Auch Landespolizeidirektor Huber sagt, dass die aktuelle Situation nicht mit der Situation von 2015, als innerhalb zweier Monate über 100.000 Menschen über Nickelsdorf nach Österreich kamen, vergleichbar sei. Der stellvertretende Leiter der Justizanstalt Eisenstadt Faymann sieht die Zahlen von 2015 jedenfalls "nicht mehr meilenweit entfernt".

Kritik auf Kommunalebene

Auch auf Kommunalebene wird Kritik an der Situation geübt. Der Bürgermeister von Lutzmannsburg (Bezirk Oberpullendorf), Roman Kainrath (SPÖ), erklärte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur APA: "Es gibt eine Route über das Waldgebiet und man erkennt eine Strategie der Schleppermafia. Zunächst kommen kleine Gruppen über die Grenze, um Kräfte zu binden, und dann übertreten wo anders große Gruppen die Grenze", erklärte er.

Und weiter: "Ich bin niemand, der sagt 'Wir sollen nicht helfen', aber wie soll das weitergehen?" Kainrath drängt daher auf europäische Lösungen. Zum einen brauche es einheitliche Asylstandards in ganz Europa: "Damit kein Land interessanter ist als ein anderes." Zum anderen sollen Asylanträge außerhalb der Außengrenze möglich sein. Nicht zuletzt müsse die Hilfe in den Herkunftsländern intensiviert werden.

Ebenso aus einer Grenzgemeinde, aber nicht so dramatisch, sieht Johann Weber (ÖVP), Bürgermeister in Eberau (Bezirk Güssing), die Situation. Abgesehen von einem Vorfall, bei dem ein Schlepper auf Soldaten geschossen haben soll, ist ihm in seiner Ortschaft kein Zwischenfall bekannt. "Es sind laufend Flüchtlinge da, aber durch die Präsenz des Bundesheeres bekommt die Bevölkerung nicht so viel davon mit. Man sieht sie oft wo sitzen und auf den Weitertransport warten", meinte Weber.

Die starke Präsenz des Heeres und der Polizei würde den Einwohnern Sicherheit geben. Auch er bemerkt ein größeres Aufkommen in den vergangenen Wochen. "Die Balkanroute war ja geschlossen, aber momentan ist sie sehr aktiv. Besser wäre, sie würden sich gar nicht auf den Weg machen. Es ist aber schwierig, das in den Griff zu bekommen". Auch Weber sieht die Notwendigkeit einer Lösung auf Europa-Ebene. (awie, red, 16.10.2022)