Mit diesem Bild bewarb Meta den Start von Horizon Worlds in Spanien und Frankreich.

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Meta-CEO Mark Zuckerberg ist bemüht, uns Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR) – allesamt zusammengefasst unter dem Buzzword "Metaversum" – als eine große Sache zu verkaufen. Zu diesem Zweck wurde vergangene Woche die neue VR- und MR-Brille Meta Quest Pro vorgestellt, die sich vor allem an Business-User richten soll, indem sie den Avataren in Meetings eine natürliche Mimik verleiht. Dass dafür fünf interne und fünf externe Kameras in der Brille angebracht sind, sorgt unter Datenschützern ebenso für Unruhe wie die Tatsache, dass Meta zuletzt die Datenschutzrichtlinien adaptiert hat.

"Personalisierte Erfahrungen"

Denn vergangene Woche haben bestehende Besitzer einer VR-Brille von Meta eine E-Mail mit einem Update ebendieser Richtlinien erhalten, welche unter anderem den Umgang mit den aus der Erkennung von Mimik und Augenbewegungen generierten Daten regelt. Und hier lässt vor allem das Kapitel zum Tracken der Augenbewegungen hellhörig werden.

Denn wird das Teilen weiterer Daten akzeptiert, so kann Meta die daraus gewonnenen Daten nutzen, um "die Erfahrungen zu personalisieren". Und das war in der Vergangenheit in der Branche bereits mehrfach ein Euphemismus für das zielgerichtete Ausspielen von Inhalten und Werbung. Zuletzt hatte auch Nick Clegg, Metas Verantwortlicher für Global Affairs, in einem Interview mit der "Financial Times" bestätigt, dass aus dem Eye-Tracking gewonnene Daten genutzt werden könnten, "um zu verstehen, ob Menschen mit einer Werbeanzeige interagieren oder nicht".

Heikel ist das, weil das Verhalten der eigenen Augen äußerst intime Daten übermittelt. Über unsere Augen zeigen wir nicht nur, wie lange wir an welche Stelle blicken – sondern auch, welche Emotionen wir dabei verspüren. Viele Bewegungen des Auges werden vom Menschen dabei nicht bewusst, sondern unbewusst gesteuert.

Zugriff durch Dritte

Zwar betont Meta auch, dass die Rohdaten auf der Brille verbleiben und dort verarbeitet werden. Zudem heißt es, dass Dritte – also konkret Developer von Apps, die das Augentracking nutzen – keinen Zugriff auf diese Daten bekommen. Allerdings werden die "abstrahierten Daten" sehr wohl mit den Meta-Servern und auch mit den Apps anderer Entwickler geteilt. Was die App-Developer wiederum mit den Daten machen, ist von deren Datenschutzrichtlinien abhängig, wobei sie sich dabei ebenfalls an die Richtlinien für Entwickler halten müssen.

Diese Richtlinien verbieten das Verkaufen, Lizenzieren und Verleihen von Nutzerdaten an Dritte ebenso wie die Verwendung von Nutzerdaten zum Zweck der Überwachung oder Diskriminierung. Auch die Nutzung der Daten zu Marketingzwecken ist stark eingeschränkt.

Explizit erlaubt ist aber die Nutzung der persönlichen Daten zum Durchführen von "Analysen an deinem Content, deren Ergebnisse dann dazu verwendet werden, deinen Content zu verbessern" – unter der Voraussetzung, dass die Daten aggregiert und anonymisiert wurden. Ebenfalls erlaubt ist die Nutzung der Daten, um User über "neue und bestehende Funktionen in einer App", die der Nutzer gekauft hat oder "die von deiner juristischen Person oder einem verbundenen Unternehmen (wie in der Vertriebsvereinbarung für Entwickler definiert) angeboten werden", zu informieren.

Dieser Punkt lässt Developern – die richtigen Vertriebsstrukturen vorausgesetzt – einen gewissen Spielraum beim Ausspielen personalisierter Werbung auf Basis der Nutzerdaten. Zudem ist fraglich, wie sehr sich die Developer an die Richtlinien halten, wie ein anderes Beispiel zeigt: Erst Anfang Oktober hatte DER STANDARD berichtet, dass 400 iOS- und Android-Apps gefälschte Facebook-Log-in-Seiten genutzt hatten, um die Einwahldaten ihrer Opfer zu stehlen.

Der einzige Zombie im Raum

Derzeit müssen Nutzer einer Meta Quest Pro dem Eye-Tracking aktiv zustimmen – die Frage ist: Warum sollte man das angesichts dieser Datenschutzbedenken überhaupt tun? Die Antwort: wegen des Gruppendrucks. Denn von Meta wird die Quest Pro mit eben jenen Funktionen beworben, der eigene Avatar soll durch das Tracken von Mimik und Augenbewegungen in virtuellen Meetings natürlicher wirken.

"Wenn Meta mit seinen Plänen Erfolg hat, dann wird ein soziales Stigma damit verbunden sein, diese Daten zu verweigern", sagt Ray Walsh von der Datenschutzorganisation Pro Privacy gegenüber dem US-Medium Gizmodo: "Sie wollen nicht der einzigen Mensch in einem virtuellen Raum voller lächelnder Leute sein, der wie ein emotionsloser Zombie aussieht."

Weitere Patente und Bedenken

Metas Bestrebungen hören hier nicht auf, wie auch weitere Patente des Konzerns zeigen. So heißt es im Bericht von Gizmodo, dass das Unternehmen im Jänner ein Patent beantragt habe, das ausgespielte Medieninhalte auf Basis von Gesichtsausdrücken adaptiert. Ebenso wurde Anfang des Jahres ein mechanischer Augapfel patentiert.

Mehrfach stand der Konzern in der Kritik, auf seinen etablierten Plattformen Facebook und Instagram die Emotionen von vor allem jungen Userinnen zu manipulieren. Für Aufsehen hatte in der Vergangenheit auch schon der Einsatz von Gesichtserkennung bei Facebook gesorgt. Nebenbei bemerkt: Auch Amazon hat Technologien im Gepäck, mit denen Emotionen in Gesichtern via AI erkannt werden.

Und schließlich sorgte Meta auch schon mit der Quest 2 für Datenschutzbedenken. Hier wurde unter anderem bemängelt, dass ein Facebook-Account nötig war, um eine Quest 2 zu nutzen. Der Konzern reagierte, indem man diese Anforderung strich – und durch einen verpflichtenden Meta-Account ersetzte.

Rohrkrepierer Metaversum?

Metas Metaversum, die App Horizon Worlds, ist in Österreich noch nicht verfügbar, in der EU wurde zuletzt jedoch ein Marktstart in Frankreich und Spanien bekanntgegeben. Man kann aber erstens davon ausgehen, dass das Projekt auch hierzulande bald aufschlagen wird – und zweitens ist anzunehmen, dass es Zuckerberg angesichts der geschilderten Bedenken noch schwerer fallen wird, die Menschen von seiner Vision zu überzeugen.

So heißt es schon jetzt in Medienberichten, dass wenige Menschen nach ihrem ersten Besuch zu Horizon Worlds zurückkehren: Aktuell kommt die Plattform auf 200.000 monatlich aktive User (MAUs), während Facebook, Instagram und Whatsapp insgesamt jeden Monat 3,5 Milliarden Menschen anlocken. Bisher soll Meta 15 Milliarden Dollar in die Errichtung des Metaversums investiert haben. (Stefan Mey, 17.10.2022)