Trotz aller Kritik und Boykottaufrufen werden während der Fußball-WM rund eine Million Besucher in Katar erwartet. In knapp einem Monat startet der Bewerb, doch noch im März 2022 hat es im ganzen Land lediglich 30.000 Zimmer gegeben. Von denen sind allerdings 80 Prozent von der Fifa für Fußballmannschaften, Offizielle und Sponsoren gebucht worden. Zuletzt hat auch die BBC von Fans berichtet, die zwar bereits Tickets besitzen, aber noch keine Unterkunft gefunden haben oder enorme Summen dafür bezahlen. Allerdings ist deren Problem nur teilweise nachvollziehbar, denn wer im Besitz eines gültigen Tickets ist, kann über eine zentrale WM-Plattform Zimmer buchen.

Ein neues Wellness-Resort in Katar? Ja, ist aber bereits zur Gänze mit deutschen Fußballspielern belegt.
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In einer Testbuchung abseits der zentralen Buchungsplattform haben wir nachzuvollziehen versucht, wie schlimm die Situation wirklich ist. Zunächst einmal sind die Direktflüge zwischen Wien und und Katar etwa in der ersten WM-Woche bereits unverhältnismäßig teuer. Ein Hin- und Rückflug ist normalerweise schon für weniger als 500 Euro zu bekommen – von 19. bis 26. November liegt das beste Angebot momentan bei 1.050 Euro. Solche Preissteigerungen sind allerdings bei Großevents keine Seltenheit und liegen wohl auch hier für einen fünfeinhalbstündigen Flug noch im Rahmen. Problematischer ist die Situation bei verfügbaren und leistbaren Zimmern, wenn man nicht über die offizielle Unterkunftsagentur buchen möchte. Die Agentur bietet immerhin einfachste Schlafplätze in Stahlrohrbetten ab rund 80 US-Dollar an.

Teure billige Villa

Wer in der Nacht vor der WM-Eröffnung (Samstag auf Sonntag, 19. 11. auf 20. 11) in Doha ein Zimmer auf dem freien Markt sucht, hat noch recht gute Karten. Ein Doppelzimmer in Fünf-Sterne-Ketten-Häusern (Hilton, Mövenpick, Marriott) ist noch zwischen 150 und 300 Euro zu haben; einfachere Hotels wie das La Villa bieten Zimmer um 99 Euro an, auch darunter ist noch einiges zu finden.

Eine Woche später dagegen (26. bis 27. 11.), wenn die WM voll am Laufen ist, ändert sich die Lage massiv: Das allergünstigste Angebot, das wir auf Booking.com finden konnten, liegt dann bei 591 Euro im oben bereits erwähnten La-Villa-Hotel. Wucherpreise für ein Doppelzimmer in den international bekannten Hotelketten jenseits der 3.000 Euro sind keine Seltenheit. In der besagten Nacht von Samstag auf Sonntag findet Booking.com in und um Doha insgesamt nur noch 73 Unterkünfte. Für die Nacht nach dem Finale am 18. Dezember muss man schon mit Zimmerpreisen um die 400 Euro selbst bei privaten Gastgebern rechnen.

Der Tennisspieler Novak Djokovic durfte sich bereits vom Komfort eines Beduinenzelts in Katar überzeugen. Aber ob ein Schlafplatz darin 200 Euro wert ist?
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Das Gastgeberland hat zwar bereits für weitere Alternativen gesorgt, doch so richtig verlockend erscheinen auch die nicht. Obwohl die sogenannten Fan-Dörfer dezidiert dafür errichtet wurden, die Spiele für alle erschwinglich zu machen, kosten die Unterkünfte im Camping- oder Hüttenstil auch hier rund 200 Euro pro Nacht. Die Event-Organisatoren wollen die Besucher damit "die Erfahrung der Wüste in einem Zelt in Manier der Beduinen machen lassen." Konsequenterweise gibt es bei diesen Schlafplätzen für 200 Euro in "traditionellen Zelten" aber auch keine Klimaanlagen.

Unfertige Fan-Dörfer und Privatzimmer

Noch sind die Fan-Dörfer in Katar aber nicht zur Gänze fertiggestellt. Wohl auch deshalb wurde etwa der BBC der Zugang zu diesen Schlafstätten bislang verwehrt. Wie weit die Vorbereitungen gediehen sind, ist nicht nachvollziehbar. Allerdings wurden am 17. Oktober von den Organisatoren bereits weitere 30.000 Zimmer angekündigt. Von Stellen wie den Football Supporters Europe ist dagegen zu hören: Die spärlichen Berichte über provisorische Hütten, Zelte und Wohnwägen gäben Anlass zur Sorge. Zwar dürfen auch Einheimische Fußballfans in ihren Häusern beherbergen, allerdings sind auch hier saftige Preise zu erwarten.

Auf der Zimmervermietungsseite Airbnb gibt es zur gesamten WM-Zeit wenige Angebote für weniger als 500 Euro pro Nacht. Eine Testbuchung für 26. auf 27. 11. hat ergeben, dass über Airbnb nicht einmal sehr bescheiden anmutende Bettsofas für unter 300 Euro zu kriegen sind. Dafür gibt es über die Plattform "Urlaub am Bauernhof" in Al Khor schon ab 5.244 Euro pro Nacht, wenn alle 20 Betten belegt sind.

Das Kreuzfahrtschiff MSC Opera wird während der WM vor Doha ankern und etwas mehr als 1.000 Schlafplätze anbieten können.
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Eine weitere Lösung für die begrenzten Übernachtungskapazitäten während der Fußball-WM sieht man in Katar in Kreuzfahrtschiffen. So bestätigte MSC Cruises dem Onlineportal Touristiklounge, dass insgesamt drei Schiffe der Reederei während der WM im Hafen von Doha festgemacht werden. Die MSC Opera, die MSC World Europa und die MSC Poesia bieten insgesamt 5.000 Kabinen, die ab 180 Euro pro Person buchbar sind. Es gilt ein Mindestaufenthalt von zwei Nächten. Auch Schlafplätze in Wohnwägen und Campingvans sollen zur Verfügung gestellt werden, um Engpässen bei Betten entgegenzuwirken. Auf Airbnb ließ sich etwa ein – zugegebenermaßen luxuriöser – Trailer aufstöbern, in dem bis zu fünf Personen um 727 Euro pro Nacht schlafen können.

Shuttleflüge zu Hotelzimmern

Sollten die Engpässe bei der Bettenkapazität bis zum Beginn des Bewerbs noch nicht behoben sein, gibt es weitere Alternativen: Auch mit Luftbrücken in benachbarte Länder will man den begrenzten Übernachtungsmöglichkeiten entgegenwirken. Von täglich bis zu 160 Flügen in andere Golfstaaten war etwa auf Sky die Rede. Um die Fußballfans nach Doha zu bringen, werde man Shuttleflüge aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Kuwait und dem Oman anbieten. Allein aus Dubai, das weniger als eine Flugstunde von Doha entfernt ist, gebe es rund 50 Flüge in die Hauptstadt Katars.

Auf der Fifa-Webpräsenz ist unterdessen nachzulesen: "Die Nachhaltigkeitsstrategie für die Fifa Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022 beinhaltet eine umfassende Reihe von Initiativen, um die turnierbedingten Emissionen zu verringern, darunter energieffiziente (sic!) Stadien, emissionsarme Transportmittel und nachhaltige Abfallbehandlung." Ob mit "emissionsarmen Transportmitteln" die Kreuzfahrtschiffe oder die Zubringerflüge zu den Hotelzimmern in Nachbarländern gemeint sind, ist noch unklar. (Sascha Aumüller, 18.10.2022)