Ex-SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky feierte seinen 85. Geburtstag: Der ehemalige EU-Kommissionspräsident und italienische Ex-Premier Romano Prodi (links) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gratulierten am Montag im Rahmen einer Festveranstaltung in der Nationalbibliothek.

APA / SPÖ / David Visnjic

Der Anlass war feierlich, das Thema von aktueller Brisanz: Es ging um nichts Geringeres als die Zukunft Europas bei der Geburtstagsveranstaltung für Franz Vranitzky, zu der SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner am Montagabend in die Nationalbibliothek geladen hatte. Über die "Zeitenwende in Europa" sprach Stargast Romano Prodi, und seine Botschaft an die Anwesenden war klar: Die EU müsse eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik erarbeiten.

Eine entscheidende Rolle im Ausbau eines militärischen Bündnisses komme Frankreich zu, sagte Prodi. Aber auch das neutrale Österreich solle sich auf seine Weise beteiligen. Dabei strich Prodi das Bekenntnis zu Europa hervor, das Österreich unter Vranitzkys Kanzlerschaft mit seinem Beitritt zur EU abgegeben habe.

Der 85-jährige Jubilar antwortete mit einem Rückblick in die europäische Geschichte. Zeitenwende, sagte Vranitzky, sei zumeist auch mit einer bestimmten Strategie einhergegangen, die diese Wende befördert habe. Europa müsse eine solche Strategie jetzt entwickeln – und "aufpassen, dass es nicht zum Hinterhof Chinas, der USA oder Russlands wird". Daher müsse man, bei aller Unterschiedlichkeit der EU-Länder, verstärkt lernen, "gemeinsam zu bestehen".

Appell an die SPÖ

Auch an die eigene Partei richtete Vranitzky eine Botschaft. Gerade die gegenwärtigen Krisen zeigten, dass die konservativen Parteien in Europa auf diese Probleme keine oder keine befriedigenden Antworten hätten. Einmalige Zuwendungen wie etwa der Klimabonus verpufften zu schnell – und treffsicher seien solche Maßnahmen angesichts der schnell wachsenden Teuerung auch nicht. Hier sieht der ehemalige Kanzler und langjährige SPÖ-Vorsitzende die Sozialdemokraten gefordert. Sie müssten laut und deutlich einen anderen Weg aufzeigen – mit treffsicheren Hilfen für jene Menschen, die dies wirklich brauchen. Fast leidenschaftlich appellierte Vranitzky an seine Partei, laut und deutlich sozial(demokratisch)e Kompetenz zu zeigen.

"Wir singen gerne: Mit uns zieht die neue Zeit", sagte Vranitzky in Anspielung auf das traditionelle Lied der Arbeiterbewegung Wann wir schreiten Seit’ an Seit’. Aber: "Wenn wir nicht aufpassen, zieht die Zeit, und wir bleiben da." Pamela Rendi-Wagner im Publikum nickte und applaudierte. (Petra Stuiber, 18.10.2022)