Frauenhände mit spitzen pinken Kunstnägeln streichen über Vintage-Kleider: "She is but a trendy deal" heißt das 2022 entstandene Video von Stefanie Moshammer.

Foto: Stefanie Moshammer

Diamond K sitzt zu Hause in Indiana und scrollt sich durch die Onlineshops. Sie ist auf der Suche nach einem billigen Sommerkleid, ihre Fans lässt sie an der Recherche teilhaben. "99 Cent dresses?! Where to buy cheap summer dresses", ist das Video betitelt, das vor zwei Jahren aufgenommen wurde und bis heute über 26.000-mal angeklickt wurde. Die US-amerikanische Studentin produziert für ihren Youtube-Kanal regelmäßig Shopping-Hauls. So heißen jene Videos, in denen auf der Plattform Einkäufe präsentiert oder besprochen werden. Sie sind seit über einem Jahrzehnt fester Bestandteil der Konsum- und Netzkultur, längst sind sie Gegenstand medienwissenschaftlicher Analysen.

Als Found Footage sind Bruchstücke dieses und anderer Shopping-Hauls in Stefanie Moshammers Ausstellung We Love Our Customers im Kunsthaus Wien gelandet. Projiziert werden sie auf eine Textilcollage.

Wenige Meter weiter steht ein kunstvoll verbogener und somit funktionslos gewordener Kleiderständer. Inmitten der Videoarbeiten, Bilder und Textilcollagen fügt er sich wie ein Designgegenstand in die Schau ein. Am anderen Ende des Raumes erforschen in einem Video zwei Frauenhände mit pinken Kunstnägeln Vintage-Kleider: Auf den spitzen Nägeln prangen Markenschriftzüge und Logos von Dior, Versace, Prada. Ein Gedicht wurde aus gängigem Shopping-Haul-Vokabular von einem Computerprogramm generiert. Es liegt auf DIN-A4-Blättern ausgedruckt wie ausgespuckt vor einer Ausstellungswand.

Fast Fashion bis Vintage

Stefanie Moshammer, die auch als Fotografin immer wieder in Berührung mit der Modeindustrie kommt, setzt sich in ihrer Schau mit Phänomenen der Konsum- und Populärkultur auseinander: mit der Omnipräsenz von Fast Fashion, der Sexyness der internationalen Luxusmarken und dem Thema Vintage, für das die Generation Z entflammt ist.

Gestreift werden soziale wie ökologische Fragen elegant und, ganz wichtig, ohne den Zeigefinger zu erheben. Es läge schließlich auf der Hand, die unersättlichen Shopping-Streifzüge, die fette Beute der Youtuber und Youtuberinnen als bissigen Kommentar zur Fast-Fashion-Industrie zu verstehen. Die analogen Deformierungen computergenerierter Porträts auf schimmerndem Satin als Kritik an all den normierten Social-Media-Schönheiten zu interpretieren. Oder die collagierten Textilien aus der Sammlung der Großmutter der Künstlerin als Aufruf zu lesen, nachhaltiger zu konsumieren.

Mit dem Vorschlaghammer ist Stefanie Moshammer glücklicherweise nicht unterwegs. Die Ausstellung will ihr Publikum weder bekehren noch läutern. Die Künstlerin führt vielmehr die gegenwärtige Konsumkultur in all ihrer Widersprüchlichkeit vor. Steht es uns an, das Konsumverhalten anderer moralisch zu bewerten?

Wer Vintage-Kleidung liebt, hat möglicherweise trotzdem eine Schwäche für teure Marken. Wer für gerade zehn Euro einen Billigfetzen beim Fast-Fashion-Giganten Shein kauft, hat vielleicht gerade kein Geld für mehr. Zum Nachdenken kommt man in dieser Ausstellung so oder so. (Anne Feldkamp, 19.10.2022)