Österreichischer Wein besticht durch Qualität und Tradition. Nach dem Glykol-Skandal in den 80ern verpflichteten sich die Winzerinnen und Winzer des Landes einem der strengsten Weingesetze der Welt, um den wirtschaftlichen Ruin abzuwenden und den guten Ruf wiederherzustellen. Traditionsbetriebe dominieren heute die Szene, kleinere Weinbauern und Weinbäuerinnen müssen mit kreativen Ideen aufwarten, eine Nische finden, um erfolgreich zu sein – auch wenn das in der konservativen Weinbranche nicht immer einfach ist.

In diesem Spannungsfeld suchen homosexuelle Weinbauern ihren Platz und werden immer sichtbarer. Guten Wein machen sie eh. Ihre Geschichte schwingt aber immer mit, ob zurückgezogen im Hintergrund oder bunt, laut und schrill auf den Weinetiketten. Die einen wollen ihr Können, ihren Wein in den Vordergrund stellen und mit ihrer Homosexualität nicht davon ablenken, die anderen wollen ein Statement setzen, dass queere Personen nun auch Wein produzieren. Schwule Weinproduzenten erzählen, warum sie "queer" auf ihr Etikett packen – oder warum nicht – und welche Ressentiments sie anfänglich in der Weinbranche erlebt haben.

"Ich dachte, ich sei der einzige schwule Winzer in Österreich"

Bei Michael Donabaum und Daniel Vogelwaid steht der Wein im Vordergrund. Für die Wachau machen sie eher untypischen Wein.
Foto: Heribert Corn

Daniel und ich haben innerhalb kürzester Zeit denselben Mann gedatet und so einander kennengelernt. Dieser sagte beim Date, er habe erst letzte Woche einen anderen Winzer getroffen. Ich dachte zu der Zeit noch, ich sei der einzige schwule Winzer in Österreich. Jedenfalls fragte ich nach dem Namen dieses Weinbauers und konnte Daniel schließlich ausfindig machen. Wenig später waren die Marillen in der Wachau reif. Also habe ich ihm geschrieben und ihn zur Ernte eingeladen. So haben wir uns das erste Mal gesehen. Das war 2018.

Daniel war damals für seinen Weinbau-Master in Wien, ich studierte Innenarchitektur und Produktdesign. Er ist relativ schnell zu mir in die Wachau gezogen. Ich selbst stamme aus einer Weinbaufamilie in Spitz, bin dem Weinbau auch jahrelang nachgegangen, aus dem Pflichtgefühl heraus, das Weingut übernehmen zu müssen. Aber eine große Leidenschaft konnte ich nie entwickeln. Daniel hat Winzer gelernt, in Deutschland und Frankreich studiert und dort auch jahrelang gearbeitet. Jetzt machen wir den Weinbau gemeinsam, das genießen wir beide.

Depperte Bemerkungen

Nur haben wir gemerkt, dass es schwierig ist, hier in der Wachau etwas aufzubauen, weil es eine sehr kleine und familiäre Gegend ist. Als wir beim Wachauer Weinfrühling unseren eigenen Wein präsentierten, der ganz anders als der typische Wachauer Wein war, gab es von ein paar Winzern depperte Bemerkungen. Das war aber der Ansporn, unser eigenes Ding durchzuziehen. Wir suchten per Aushang nach Weingärten. Bestlagen sind schwer zu bekommen. Wir mussten also auch für schwer zugängliche und brachliegende Gründe offen sein. Fündig wurden wir über den Aushang bei Kirchen. Dort erreichten wir ältere Personen, die noch solche Grundstücke im Besitz hatten. Denen konnten wir anfangs aber nicht sagen, dass wir zusammen sind. Hätten wir das bei gewissen Pächtern erwähnt, wären die Weingärten nie an uns verpachtet worden.

Mittlerweile ist unsere sexuelle Identität kein Problem mehr für die Leute. Heute bewirtschaften wir circa 2,5 Hektar. 2021 füllten wir 3700 Flaschen ab und verkauften unseren ersten Wein. Wir arbeiten mit kleinen Holzfässern. Wir zögern unsere Weine lange hinaus, das heißt, dass wir den Wein zuerst ein Jahr im Fass und dann ein Jahr auf der Flasche reifen lassen. Das ist untypisch für die Wachau. Unsere Klientel ist weit gestreut, da wir zum einen in der Naturweinszene mitmischen, zum anderen junge Leute durch das Design unserer Flaschen ansprechen.

Wein ohne Label

Verweise auf unsere sexuelle Orientierung gibt es dort nicht. Wir wollen nicht als schwul abgestempelt werden und dass unser Wein nur gekauft wird, weil wir queer sind. Der Geschmack soll Verkaufsargument sein. Aber jene, die sich für uns als Personen interessieren, finden diese Infos schon. Auf unserer Website und auch unseren neuen Kartonagen ist vermerkt, dass wir ein queeres Weingut sind. Für die meisten Kunden ist ohnedies klar, dass wir ein Paar sind. Und ja, einige kaufen bei uns genau deshalb. Aber der Wein steht im Vordergrund. Er muss im Vordergrund stehen.

Wir hätten nicht erwartet, dass wir in der Wachau so gut aufgenommen werden. Natürlich waren wir im Ort das Gesprächsthema am Stammtisch, das haben wir mitbekommen. Einen großen Teil zur Aufklärung haben meine Großeltern geleistet, vor allem in ihrer Generation. Meine Oma hat zuerst auch nicht verstanden, dass ich auf Männer stehe, und zu mir gesagt, ich sei eine Schande für die Familie. Das hat sich aber rasch gelegt, und wir sind zusammen in den Heurigen gegangen. Das hat allen gezeigt: Sie hat kein Problem damit, also brauchen die anderen auch kein Problem damit haben. Mein Opa hat es länger nicht gewusst. Der hat gedacht, der Daniel sei bloß ein Praktikant.

Queere Unterstützung

Wir finden es super, wenn schwule Winzer ihre Queerness mit dem Wein verbinden und verkaufen. Das ist halt eine andere Taktik, die wir aber nicht gewählt haben. Wir würden uns in manchen Bereichen sicher einfacher tun, würden wir unsere sexuelle Identität stärker kommunizieren – wenn wir zum Beispiel Erntehelfer suchen, da die queere Community sich gegenseitig unterstützt. Vielleicht ist es in Zukunft einfacher, das nach außen zu tragen, wenn wir durch den Wein bekannter geworden sind. Aber es passt dazu, dass wir nirgendwo eine klare Zuteilung haben: Wir sind weder Naturweingut, noch produzieren wir klassischen Wachauer Wein, wir sind bio, das steht aber nicht auf dem Etikett, wir sind queer, aber kommunizieren das nicht exzessiv.

Daniel Vogelwaid und Michael Donabaum
Von der Vogelwaide

vondervogelwaide.at


"Im Wein soll sich unsere Geschichte widerspiegeln"

Ihr Pride-Wein macht ihre eigene Geschichte sichtbar: Matthias Lobner und Gerald Wunderer. Ein Euro pro verkaufter Flasche geht an das Queer-Museum in Wien.
Foto: Heribert Corn

Im Ort wurde ein Weingut frei. Zunächst dachten wir, das könnte ein Projekt für Geralds Vater sein. Der hatte gerade sein Unternehmen verkauft und benötigte eine Beschäftigung, damit er der Familie nicht auf den Wecker geht. Darauf hatte er aber keine Lust. Also sprangen wir gemeinsam ein, revitalisierten die Weinstöcke und investierten sehr viel, damit alles unserem hohen Anspruch an die Qualität entspricht. 2021 hatten wir unsere erste richtige Lese, und heuer im Frühjahr brachten wir unseren ersten Wein auf den Markt.

Gerald ist eigentlich der Hausarzt im Ort Straning. Ich habe eine Ausbildung als Koch und Kellner. Kennengelernt haben wir uns in Wien. Als Winzerpaar vertreiben wir auch einen Wein, der unsere Queerness widerspiegelt: den Pride-Wein mit eigenem Design. Es ist uns wichtig, nicht nur die konservative Schiene zu fahren, sondern auch ein bisserl Farbe in das Ganze zu bringen. Außerdem soll sich im Wein unsere Geschichte widerspiegeln.

Konservative Weingüter

Das Thema Homosexualität findet in der Weinbranche überhaupt keinen Platz. Dadurch, dass es in Österreich so viele Traditionsweingüter gibt, die schon seit Jahrhunderten existieren, ist das kein Thema. Da gibt es nur Mann, Frau, Kind. Wir merkten sofort, wie konservativ die Szene ist und wie viel es noch zu tun gibt. Werden wir bei Kunden vorstellig, vor allem in Wien, ist es kein Problem, dass wir schwul sind. Aber Richtung Westen ist es anders. Wir hatten dort sogar einen Weinhändler, der gesagt hat, er könne den Pride-Wein wegen des Regenbogenetiketts nicht verkaufen. Wir versuchen damit aber ohnedies, eine urbane Gruppe anzusprechen, die weltoffen ist, und das gelingt eh ganz gut. Manche Gastronomen sagen: "Warum kommt ihr als schwule Winzer jetzt erst?" Bei denen steht das Schwule im Vordergrund, aber das wollen wir wieder nicht.

Geschichte als Zuckerl

Wir produzieren hochwertigen Wein, und unsere Geschichte gibt es noch extra drauf. Für die Qualität braucht es viel Wissen und Erfahrung, die bringt unser Kellermeister Bernd Karnaus mit – er ist sehr genau und kreiert Weine auf hohem Niveau. Wir stellen frische Weine mit wenig Alkohol her, das ist gerade im Trend, zum Beispiel Veltliner oder Cuvet. Wir produzieren auch ausgebaute Weine im Akazienfass, die im Geschmack sehr ausdruckskräftig, aber nicht alkohollastig sind. Probiert haben wir auch orange Weine durch Spontanvergärung, den Rest erzeugen wir mit Weinzuchthefe. Wir sehen das nicht als Entweder-oder wie andere Winzer, sondern sind der Meinung, dass das alles nebeneinander existieren kann. Im Ertrag bewirtschaften wir rund 4,6 Hektar, in der ersten Lese füllten wir 20.000 Flaschen ab. Wir arbeiten ausschließlich per Hand und stellen gerade auf Bio um. Das dauert ja drei Jahre, bis wir die Zertifizierung haben, und wir sind mittlerweile vegan.

Die Weinbranche sollte diverser werden, es ist ein sehr konservativer Haufen, eine Männerpartie: Die Frauen dürfen wohl draußen im Weingarten stehen, aber im Keller haben sie nix verloren. Kellermeisterinnen kennen wir zum Beispiel keine. Die Jungen sind offener und machen bereits coole Sachen, aber das ist noch die Minderheit.

Matthias Lobner & Gerald Wunderer
Doktor Wunderer
doktorwunderer.at


"Ich will das Konservative ein bissl aufbrechen"

Auf dem Land hat sich Stefan Pfeiffer als homosexueller Jugendlicher immer schwergetan. Mit seinen Weinevents in Mörbisch will er das ändern – und bekommt nicht nur von der Familie viel Unterstützung, sondern auch von der Dorfgemeinschaft.
Foto: Heribert Corn

Schon mein Urgroßvater baute Wein an, und seine Nachkommen führten die Tradition fort. Doch vor fünf Jahren wollten meine Eltern damit aufhören. Das geht gerade viele Nebenerwerbsbauern bei uns so. Es rentiert sich nicht mehr. Meine Schwester und ich waren uns aber rasch einig, dass der Weinbau zu unserer Familie gehört. Also haben wir weitergemacht. Nur wussten wir, dass wir es anders machen wollen als unsere Eltern. Die haben zum Schluss nur mehr Landweine für ihre Kunden in Tirol produziert, die sie damals in den 80ern und 90ern bei ihrem Tür-zu-Tür-Geschäft lukriert haben.

Mit drei Weingärten waren wir hobbymäßig an den Start gegangen und pachteten dann jährlich neue Weingärten dazu. Jetzt bewirtschaften wir knapp über zwei Hektar und füllen fast 20.000 Flaschen ab. Davon kann man im Haupterwerb aber nicht leben. Als Jugendlicher besuchte ich die Weinbauschule in Eisenstadt, schloss dann aber doch eine Lehre zum Optiker und Hörakustiker ab, war in dem Bereich auch tätig. Zuletzt arbeitete ich im Vertrieb von Siemens in Wien und bin nach Mörbisch für den Wein. Wir machen das zu dritt: meine Schwester, ihr Mann und ich. Sie schaut, dass im Hintergrund alles rennt, verzweifelt aber oft an uns beiden Männern. Schaumweine sind unser Aushängeschild. Ansonsten produzieren wir reinsortige Weine wie Chardonnay und Grüner Veltliner, experimentieren aber auch. Was uns taugt, ist Pet Nat, also Naturschaumwein durch Flaschengärung, und oranger Wein aus der Tonamphore. Auf diese Weise hat man schon vor 1.000 Jahren Wein hergestellt.

Dragqueen auf dem Traktor

Ich bin schon ein Aktivist. Das kommt von meiner Jugend auf dem Land, wo nix Schwules existiert. Ich will das Konservative hier im Dorf ein bissl aufbrechen. Durch meine Zeit in Wien, in der ich keine Party in der Szene ausgelassen habe, besuchten immer viele schwule Freunde den Hof meiner Eltern. Für die war das nix Fremdes. Aber für das Dorf schon. Da kommt es heute noch manchmal zu Wortmeldungen unter der Gürtellinie, vor allem wenn wir Veranstaltungen organisieren, die queeres Publikum anlocken. Aber der Großteil unterstützt uns und freut sich über den frischen Wind im Dorf.

Letztens chauffierten wir eine Dragqueen mit dem Traktor durch die Gegend, und der Bürgermeister ließ sich mit ihr ablichten. Unsere eigentliche Zielgruppe sind aber Weinliebhaber. Dass mehr queere Personen angesprochen werden, hat mit meinem großen Bekanntenkreis zu tun. Wir lancierten auch einen Frizzante zur Pride. Damit unterstützen wir die Community, indem ein Euro pro Flasche an die Hosi Wien gespendet wird. Sobald der persönliche Kontakt mit den Leuten da ist, ist es überhaupt kein Thema mehr, ein schwuler Winzer zu sein.

Stefan Pfeiffer
The Fabulous Winery
fab.wine

(Kevin Recher, 23.10.2022)