Dass immer wieder Nachwuchs auf die Welt kommt, werten die Projektverantwortlichen als Zeichen, dass es den Koniks gut geht.
Foto: Michael Stelzhammer/WWF

Die Szene hat etwas Magisches. Neben dem Gehweg durchs WWF-Auenreservat in Marchegg ist an diesem kühlen Herbsttag ein Knacken von Totholz und ein Schnauben zu hören. Wie aus dem Nichts lugen plötzlich Mähnen hinter den Bäumen hervor. Gleich einer Karawane trotten geschätzt zwanzig Pferde auf einem Trampelpfad durch den Auwald, um sich schließlich auf einer der Wiesen nahe des Schlosses niederzulassen. Unter ihnen befindet sich auch der jüngste Neuzugang, ein etwa sechs Monate altes Fohlen.

Jetzt im Herbst sind die sogenannten Koniks unbestritten die Hauptattraktion im Reservat – wenn man sie denn zu Gesicht bekommt. Von April bis August müssen sie sich die Aufmerksamkeit mit den nicht minder faszinierenden Weißstörchen teilen, die auf den riesigen Eichen im Reservat und auf den Dächern des Schlosses ihre mächtigen Horste beziehen.

Vielseitige Pferdchen

Anders als die Störche, die seit über 100 Jahren in Marchegg ihr Brutrevier haben, gibt es die Koniks dort erst seit 2015. Die robuste polnische Rasse – der Name bedeutet übersetzt einfach "Pferdchen" – ist dem europäischen Wildpferd ähnlich. Die Tiere wurden im Rahmen des Renaturierungsprojekts Untere March Auen angesiedelt, das mit Mitteln der EU, des Landes Niederösterreich und des Klimaschutzministeriums umgesetzt wurde.

Neben ihrem unschlagbaren Niedlichkeitsfaktor ersetzen sie seither Mähmaschinen und Traktoren. Ihr natürliches Weideverhalten sorgt dafür, dass sich abgegraster kurzer Rasen, Stellen mit kräuterreicher, hochwüchsiger Vegetation, aber auch Stauden und Sträucher abwechseln. Durch das Wälzen und Scharren der Tiere am Boden entstehen offene Stellen. Trittspuren und Pferdemist tun das Übrige, um weitere Mikrohabitate zu schaffen, die bereits verschwundene Insekten- und Pflanzenarten anlocken.

Aktuell leben 23 Koniks im WWF-Auenreservat in Marchegg. Das jüngste Pferd ist sechs Monate alt.
Foto: Martin Stepanek

Bereits wenige Jahre nach Ankuft der Koniks konnten so vom Aussterben bedrohte Käfer wie der Illyrische Stierkopf-Dungkäfer (Onthophagus illyricus), aber auch 41 Arten von Heu- und Fangschrecken gezählt werden. Großinsekten gelten wiederum als wichtige Nahrungsquelle für Vögel wie etwa dem Weißstorch.

Das Jahrzehnt der Dürre

Wie sensibel das Ökosystem Au ist, zeigt sich bei der Begehung der erst 2019 angeschlossenen Altarme der March außerhalb des Reservats. Die große Trockenheit hat heuer zu einer regelrechten Explosion einer nordamerikanischen Asternart geführt. Diese ist zwar schön anzusehen und dient Bienen als herbstliche Nahrungsquelle, droht aber heimische Pflanzen zu verdrängen, wie Ökologe Thomas Zuna-Kratky bei einer vom Naturschutzbund organisierten Exkursion am vergangenen Samstag, dem niederösterreichischen Naturschutztag, erklärt.

Besonders dramatisch für die Artenvielfalt in der Au sind allerdings die seit 2013 ausbleibenden Hochwasser, die normalerweise in mehreren Wellen die Auenlandschaft fluten und so das Überleben von Amphibien und Fischen sichern. "Die fehlenden Amphibien, aber auch Fische lassen die Graureiherbestände zusammenbrechen", sagt Zuna-Kratky. Der Ökologe ist alarmiert. Trockenphasen habe es auch in der Vergangenheit bereits gegeben, eine derart lange Durststrecke habe er aber noch nie erlebt.

Überschwemmungen, wie hier im Herbst 2020, sind mittlerweile selten geworden.
Foto: Martin Stepanek

"Die bisher so verlässlichen Frühlingshochwasser an der March werden von der Schneeschmelze im Einzugsgebiet in Tschechien gespeist. In den vergangenen Jahren blieb der Schnee aber oft aus", erklärt Franz Essl, Biodiversitätsforscher an der Universität Wien, am Naturschutztag. Die Regulierung von Flüssen wie March oder Donau führe zu deren Eintiefung. Der dadurch sinkende Wasserspiegel sorge dafür, dass angrenzende Feuchtwiesen austrockneten und die ihnen so eigene Biodiversität für immer verlorengehe. "Deutschland gibt vier Milliarden Euro für den Erhalt von Mooren und Wälder aus. Wo gibt es in Österreich so ein Programm?", lautet sein Appell an die Politik.

Wie sich der Niederschlag langfristig entwickle, sei derzeit schwer zu prognostizieren, sagt Klaus Haslinger, Klimaforscher an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), einer Forschungseinrichtung des Wissenschaftsministeriums. Höhere Temperaturen würden zwar zu mehr Luftfeuchtigkeit in der Atmosphäre und potenziell größeren Niederschlagsmengen führen. Am Boden komme es aber zu einer höheren Verdunstung, was Trockenheit und Dürre begünstige. "Gerade der Osten Österreichs war in den vergangenen Jahren davon besonders betroffen", erklärt Haslinger. "Die Extreme nehmen durch den Klimawandel zu. Neben punktuellen Starkregenereignissen steigt auch das Risiko für extreme Dürreereignisse stark an."

Altarme als Wasserspeicher

Als Hoffnungsschimmer im Klimawandel gelten die im Rahmen der Renaturierung angebundenen Altarme der March. Bei Niederschlägen und Überschwemmungen werden sie zu Speichern, die das Wasser länger zurückhalten können. Über sieben Kilometer Nebengewässer wurden geschaffen, die mit ihren natürlichen Flachufern Fischen als Laichgründe dienen. Äste und Wurzelstöcke im Wasser bieten Jungfischen Unterschlupf.

viadonau

Laut den Projektverantwortlichen hat sich die Zahl der Jungfische in nur zwei Jahren verdreifacht. An den renaturierten Ufern wurden gar bis zu siebenmal mehr Fische nachgewiesen. Dass die Nebenarme auch zum Hotspot für heimische Muschelarten geworden sind, zeigt der Fund einer Großen Flussmuschel (Unio tumidus) durch eine Exkursionsteilnehmerin.

Um noch nachhaltigere Effekte zu erzielen, müsse aber auch der regulierte Hauptfluss renaturiert und – wo möglich – die Uferverbauung entfernt werden, sagt Ökologe Zuna-Kratky. Es sei verblüffend, wie viel Positives allein mit der relativ geringen Investitionssumme von 3,5 Millionen Euro erreicht werden konnte. Zum Vergleich: Die ebenfalls erst kürzlich abgeschlossene Sanierung der Hochwasserschutzdämme an der March und unteren Thaya kostete 125 Millionen Euro.

Die mittlerweile mehr als 20 Konik-Pferde sind aus dem Auenreservat Marchegg kaum noch wegzudenken. Das jüngste Fohlen ist gerade einmal ein halbes Jahr alt. Ganz in der Nähe versprechen die an die March angebundenen Altarme eine reiche Tier- und Pflanzenwelt. (Martin Stepanek, 22.10.2022)