Der ehemalige Öbag-Chef und Kurz-Intimus Thomas Schmid hat bei der WKStA ausgesagt und zahlreiche ehemalige Weggefährten schwer belastet.

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Es gibt in diesem Land nur wenige, die die Regierungsarbeit der ÖVP so lange hautnah miterlebt haben wie Thomas Schmid: Schon Anfang der 2000er-Jahre stieg er als Pressesprecher von Finanzminister Karlheinz Grasser (FPÖ/ÖVP) in die Politik ein. Über viele Stationen ging es dann ins Finanzministerium, wo er Kabinettschef und Generalsekretär war und dort den Aufstieg der türkisen ÖVP mitorchestrierte, bevor er als Alleinvorstand in die Staatsholding Öbag wechselte – und von vielen Skandalen eingeholt wurde.

Nach drei Jahren des Schweigens hat Schmid ab Juni 2022 vor den Ermittlern der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ausgepackt und dabei eine Reihe neuer Vorwürfe offenbart. Das ist auch nötig, damit er den angestrebten Status als Kronzeuge erhält.

Die wichtigsten von Schmid aufgebrachten neuen Verdachtsmomente:

  • Der heutige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) soll einst – circa 2013 oder 2014 – bei Thomas Schmid interveniert haben. Dabei sei es um eine Steuerprüfung des Alois-Mock-Instituts beziehungsweise der Erwin-Pröll-Privatstiftung gegangen. Diese sei dann in Sobotkas Sinn erledigt worden. Sobotka sprach gegenüber der APA von "Anschwärzungen".
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) soll rund um Steuerverfahren interveniert haben
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  • Die Medienmacher Wolfgang und Helmuth Fellner sollen Schmid dazu gedrängt haben, einen Generalsekretär in der Staatsholding Öbag zu installieren, der Zugriff auf die Inseratenbudgets von Unternehmen mit Staatsbeteiligung hat (OMV, Casinos etc.). Diese sollten dann in der "Österreich-Gruppe" inserieren. Zur Umsetzung dessen sei es nie gekommen.

  • Schmid gibt offen zu, "Ressourcen des Finanzministeriums genutzt zu haben, um das Fortkommen der ÖVP unter Sebastian Kurz zu unterstützen". Dazu legte er Aufträge an eine Consulting-Firma vor, die vom Finanzministerium bezahlt worden sei, aber Steuerideen für die ÖVP entwickelt habe.

  • Schmid behauptet, dass der Unternehmer René Benko ihn mit der Aussicht auf einen gutbezahlten Job habe bestechen wollen. Im Gegenzug habe er ihn bei einem Steuerverfahren unterstützen sollen. Deshalb gab es am Dienstag Hausdurchsuchungen. Benkos Signa äußerte sich noch nicht zu den Vorwürfen.
Gegen Milliardär René Benko wird wegen Bestechung ermittelt
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  • Einer der bekanntesten Chats von Sebastian Kurz ist jener, in dem er Schmid bittet, "Vollgas" gegen die römisch-katholische Kirche zu geben. Schmid sagte aus, dass er das als Anstiftung zur "gefährlichen Drohung" gegen die Kirche verstanden habe. Er habe Peter Schipka, dem Generalsekretär der Bischofskonferenz, im Auftrag von Kurz mit "der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz" der Kirche gedroht, schreibt Schmid in einer von zwei Anzeigen an die WKStA. Anlass sei deren Kritik an der türkis-blauen Asylpolitik gewesen, vor allem an der geplanten Sicherungshaft.

  • Schmid sagte außerdem neu aus, dass er den damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) über ein Finanzstrafverfahren gegen einen damaligen Nationalratsabgeordneten der ÖVP informiert habe. Die ÖVP habe diesen Politiker daraufhin nicht für die Wahl 2017 aufgestellt. Außerdem erhob Schmid Bestechungsvorwürfe gegen einen weiteren Unternehmer.

Belastendes zu bekannten Ermittlungen

Damit Schmid Kronzeuge werden kann, muss er auch in schon bekannten Ermittlungssträngen vollumfänglich aussagen und ein vollinhaltlich "reumütiges Geständnis" ablegen. Das tat Schmid in vielen der bekannten Tatvorwürfe – dabei belastete er Altkanzler Kurz teils massiv.

Sebastian Kurz (ÖVP) wird von Schmid schwer belastet
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  • Schmid lieferte der WKStA auch Neues bezüglich des Verdachts auf Falschaussage gegen Sebastian Kurz. Dieser gab ja stets an, dass Personalentscheidungen bezüglich des Aufsichtsrats der Staatsholding Öbag vom damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) getroffen worden seien und dass er beiläufig von Schmids Ambitionen auf den Öbag-Chefposten erfahren habe – Kurz pflegt zu sagen, er sei "informiert, aber nicht involviert" gewesen. Laut Schmid sei er schon 2017 von Kurz gefragt worden, ob er Öbag-Chef werden wolle. Außerdem habe Kurz sinngemäß jede Personalentscheidung abgesegnet. Als Aufsichtsratschef für die Öbag habe Kurz den Unternehmer Siegfried Wolf präferiert; das sei nur aufgrund der Sanktionen gegen dessen Geschäftspartner Oleg Deripaska nicht zustande gekommen.

  • Die Bestechungsvorwürfe gegen Wolf rund um dessen Steuerverfahren bekräftigte der in dieser Causa ebenfalls beschuldigte Schmid. Die Verdachtslage der WKStA "trifft ebenfalls zu", sagte er aus. Finanzminister Schelling habe sich stark für Wolf eingesetzt.
August Wöginger soll sich lediglich aus parteipolitischen Gründen für einen Kandidaten zum Finanzamtsleiter eingesetzt haben
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Schwierige Zeiten dürften auch auf ÖVP-Klubchef August Wöginger zukommen. Ihm wird vorgeworfen, Schmid bezüglich der Postenbesetzung bei einem Finanzamt in Oberösterreich zum Amtsmissbrauch angestiftet zu haben. Wöginger bestreitet das; Schmid gab jedoch an, dass die Entscheidung aus parteipolitischen Gründen, nicht aus fachlichen erfolgt sei. "Es ging ausschließlich darum, dem Wunsch von Wöginger zu entsprechen", sagte Schmid.

Viel sagte Schmid auch zur Casinos-Affäre rund um den Verdacht auf Postenkorruption bei der Casinos Austria AG (Casag) aus, da sei er sich aber "keiner strafrechtlichen Verantwortung bewusst".

Kurz: "Aussagen sind keine Überraschung"

Kurz selbst hat sich am Mittwoch auf Social Media zu Schmids Aussagen geäußert. "Für mich persönlich sind die Aussagen von Thomas Schmid keine Überraschung. Er versucht den Kronzeugenstatus zu erlangen, indem er Anschuldigungen gegen andere, unter anderem gegen mich, erhebt, um selber straffrei auszugehen", schrieb er.

"Obwohl von Thomas Schmid bekanntlich jeder Lebensbereich in Chatnachrichten voll dokumentiert ist, sind interessanterweise genau zu diesen Anschuldigungen, die er jetzt gegen mich erhebt, keine einzigen zu finden", heißt es weiter. Kurz appelliert, die Glaubwürdigkeit von Schmids Aussagen zu hinterfragen. Diese würden "das Ziel haben, für das eigene Fehlverhalten nicht bestraft zu werden, indem man andere beschuldigt".

Die Vorwürfe in Zusammenhang mit Beinschab und einem Zugriff auf das Budget des Finanzministeriums weist Kurz zurück. Weiters enthält die Stellungnahme eine Spitze gegen die WKStA: Schmids Aussagen seien "für die WKStA sehr willkommen, da es nach einem Jahr Ermittlungsverfahren rein gar nichts gab, das die Vorwürfe gegen mich bestätigt hätte". Er freue sich darauf "zu beweisen, dass diese Anschuldigungen falsch sind, und zwar dort, wo in Österreich wirklich über Recht und Unrecht entschieden wird. Nämlich vor Gericht."

Kurz nahm Telefonat mit Schmid auf

Der Anwalt des früheren ÖVP-Chefs und Kanzlers Sebastian Kurz, Werner Suppan, hat Mittwochnachmittag bekanntgegeben, den Behörden eine Tonbandaufzeichnung übermittelt zu haben, die die Kurz belastenden Aussagen des ehemaligen Finanz-Generalsekretärs Thomas Schmid Aussagen "widerlegen" sollen. Kurz hatte zwei Wochen nach der Hausdurchsuchung ein Telefonat mit Schmid aufgenommen, in dem dieser etwa das "Beinschab-Tool" erklärt. Die Inhalte des Telefonats finden Sie hier >>>

Nehammer verlangt "volle Aufklärung"

Das Büro von Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer verwies in einem schriftlichen Statement darauf, dass die aktuellen Vorwürfe die Vergangenheit betreffen würden. Sollten diese stimmen, dann "ist das nicht in Ordnung". Derzeit stünden "viele konkrete und unkonkrete Aussagen von Thomas Schmid gegen viele Personen im Raum, deren Wahrheitsgehalt niemand von uns überprüfen kann", heißt es. "Es braucht nun volle Aufklärung, die von den Ermittlungsbehörden zu leisten ist." Die Justiz solle diese Ermittlungen sorgfältig führen, Nehammer habe das Land durch eine Krise zu führen.

Für die politische Arbeit des Bundeskanzlers seien "Transparenz, Klarheit und Aufklärung die Grundlage", wird betont. "Dem entsprechend hat die Bundesregierung schon mehrere Reformschritte – wie etwa das neue Parteiengesetz oder die Vorlage des Medientransparenzgesetzes – in die Wege geleitet."

DER STANDARD wird weiter zu den Einvernahmeprotokollen von Schmid berichten und betont, dass für alle Genannten die Unschuldsvermutung gilt. (Fabian Schmid, Renate Graber, 19.10.2022)