Auch mögliche Zivilklagen auf Schadenersatz bringen Kronzeugen unter Druck.

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Lang hat es nicht gedauert, bis sich nach Bekanntwerden der neuen Vorwürfe in der Inseratenaffäre der Mitbeschuldigte Sebastian Kurz öffentlich zu Wort meldete. Die Anschuldigungen durch Thomas Schmid seien für ihn "keine Überraschung", schrieb der Altkanzler am Mittwoch auf Facebook. Dessen Aussagen hätten lediglich das Ziel, "für das eigene Fehlverhalten nicht bestraft zu werden, indem man andere beschuldigt".

Kurz stellte damit die Glaubwürdigkeit des möglichen Kronzeugen Schmid massiv infrage – und untermauerte seine Argumente am Mittwochnachmittag mit der Veröffentlichung einer Tonaufnahme. Aber welche Konsequenzen hätte es für Schmid eigentlich, würde er in seinen Einvernahmen bei der Staatsanwaltschaft lügen? Könnte er dafür strafrechtlich oder zivilrechtlich belangt werden?

Video: Thomas Schmid & Causa Casinos: Wie wird man Kronzeuge?
DER STANDARD

Besonderer Status

Schmid ist von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Beschuldigter einvernommen worden. Als solcher ist er im Gegensatz zu Zeugen grundsätzlich nicht zur Wahrheit verpflichtet und darf theoretisch lügen. Das soll Beschuldigten die Möglichkeit geben, sich vor Gericht ordentlich zu verteidigen. Juristinnen und Juristen sprechen dabei vom "Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung".

Allerdings gibt es auch hier Grenzen, wie Alois Birklbauer, Professor für Strafrecht an der Johannes-Kepler-Universität Linz, dem STANDARD erklärt. "Wenn der Beschuldigte durch seine Aussagen jemand anderen der konkreten Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzt, könnte das Delikt der Verleumdung erfüllt sein." Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass der Beschuldigte wissentlich falsche Vorwürfe erhebt.

Beispiel: Würde Thomas Schmid etwa wissen, dass die neuen Vorwürfe gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) nicht stimmen, könnte eine Verleumdung vorliegen. In der Praxis sind derartige Fälle allerdings selten, sagt Birklbauer. Das liegt unter anderem daran, dass vor Gericht meist schwer nachweisbar ist, dass ein Beschuldigter gewusst hat, dass er falsche Vorwürfe erhebt.

Verlust des Kronzeugenstatus

Sollte Schmid in seinen Einvernahmen gelogen haben, hätte das für ihn aber auf einer anderen Ebene jedenfalls Konsequenzen: Die Staatsanwaltschaft wird in den nächsten Wochen und Monaten prüfen müssen, ob sich Schmids Aussagen belegen lassen. Kommt sie zu dem Schluss, dass er die Unwahrheit gesagt hat, ist ein Status als Kronzeuge ausgeschlossen. Sollte Schmid den Kronzeugenstatus bekommen, könnte er ihm auch nachträglich entzogen werden.

Schmid bliebe im Fall einer Anklage dann nur die Möglichkeit, dass sich ein Geständnis mildernd auf seine Strafhöhe auswirkt. Sollte Schmid im Vorfeld gelogen haben, dürften das die zuständigen Richterinnen und Richter jedoch nicht erschwerend in die Beurteilung einfließen lassen.

Klage auf Schadenersatz?

Abgesehen von strafrechtlichen Konsequenzen wären laut Birklbauer Klagen auf Schadenersatz möglich. Mittlerweile haben sowohl Sobotka als auch Kurz angekündigt, rechtliche Schritte gegen Schmid einzuleiten. "Den Schaden, der einer Person entsteht, weil sie öffentlich beschuldigt wird, könnte sie zivilrechtlich einfordern." So habe es im Fall des ersten Kronzeugen Österreichs, Gernot Schieszler, mehrere Schadenersatzklagen gegeben. Der Status als Beschuldigter würde Schmid in diesem Fall nicht helfen, erklärt Birklbauer.

Für Schadenersatz ist es übrigens nicht unbedingt notwendig, dass Schmid gelogen hat. Zivilrechtliche Ansprüche könnten sich theoretisch auch auf andere Grundlagen stützen. Hätte es zwischen Kurz und Schmid zum Beispiel eine Verschwiegenheitserklärung gegeben, könnte ein Bruch dieser Vereinbarung einen Anspruch auf Schadenersatz auslösen. (Jakob Pflügl, 20.10.2022)