Im Gastblog zeigt die Rechtsanwältin Piroska Vargha anhand eines OGH-Urteils, ab wann rechtlich von einer Lebensgemeinschaft zu sprechen ist und welche Folgen diese für Unterhaltszahlungen haben kann.

Ein Unterhaltsanspruch nach Scheidung kann aus unterschiedlichen Gründen vorübergehend oder gänzlich verloren gehen. Gänzlich erlischt der Anspruch im Fall einer Wiederverheiratung oder Begründung einer eingetragenen Partnerschaft durch die unterhaltsberechtigte Person oder aber, wenn diese eine so schwere Verfehlung gegen die zahlungspflichtigen Person setzt, dass der Anspruch "verwirkt" wird.

Landet die Frage nach Unterhaltszahlungen vor Gericht, kann eine Lebensgemeinschaft der unterhaltsberechtigten Person von großer Bedeutung sein.
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Nicht gänzlich verloren, aber "ruhend" gestellt wird nach der ständigen Rechtsprechung des OGH ein nachehelicher Unterhaltsanspruch (egal ob es ein gesetzlicher oder ein vereinbarter Anspruch ist) für die gesamte Dauer, für welche die berechtigte Person in außerehelicher Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner oder einer anderen Partnerin lebt. Für die unterhaltsverpflichtete Person macht die Kenntnis und der Nachweis der entsprechenden Umstände oft einen sehr großen wirtschaftlichen Unterschied. Unterhaltsberechtigte Personen, bei denen die äußeren Umstände das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft vermuten lassen, haben laut OGH sogar eine Offenlegungspflicht "hinsichtlich ihrer inneren Einstellung und einer über eine intime Beziehung hinausgehenden Bindung".

Unterhaltsanspruch von Lebensgemeinschaft unterbrochen

Die Rechtsprechung charakterisiert eine Lebensgemeinschaft als eine Verbindung, die auf längere Dauer ausgerichtet ist und dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens, insbesondere dem aus einer seelischen Gemeinschaft resultierenden Zusammengehörigkeitsgefühl, entspricht. Die vom OGH beschriebenen drei wesentlichen Elemente, nämlich eine Wohnungs-, die Wirtschafts- und die Geschlechtsgemeinschaft, werden dabei als "bewegliches System" gesehen: Sie müssen also nicht alle drei gleichzeitig und vollständig vorliegen.

Die Lebensgemeinschaft ist also sowohl von einer zwischenmenschlichen als auch von einer wirtschaftlichen Komponente geprägt. Ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Gemeinschaft ist unverzichtbar. Wie die oben genannten drei maßgeblichen Kriterien im konkreten Fall zu gewichten sind, hängt für den OGH aber immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Regelmäßig wird zwar vorausgesetzt, dass zwei der obigen drei Elemente gegeben sein müssen – der Einzelfall kann aber auch als "Gesamtpackage" darüber entscheiden, ob die Schwelle zur Lebensgemeinschaft überschritten ist oder eben nicht:

  • Geschlechtsgemeinschaft: Diese scheint dabei am ehesten als verzichtbar angesehen zu werden, insbesondere wenn die Beteiligten über einem gewissen Alter sind. Der OGH spricht sogar davon, dass die Gemeinschaft "über die bloßen 'Nebenerscheinungen' der Geschlechtsgemeinschaft hinausgehen" müsse.
  • Wohngemeinschaft: Diese liegt grundsätzlich vor, wenn die Lebensgefährten tatsächlich in einer Wohnung leben, die ihr dauernder gemeinsamer Lebensmittelpunkt sein soll. Fallweises gemeinsames Übernachten in unregelmäßigen Abständen begründet noch keine Wohngemeinschaft. Aber Achtung: Eine fehlende Wohngemeinschaft allein bedeutet auch nicht zwingend, dass keine Lebensgemeinschaft vorliegt.
  • Wirtschaftsgemeinschaft: Hier wird der OGH bei der Definition ungewohnt poetisch: "Unter Wirtschaftsgemeinschaft wird verstanden, dass die beiden Partner Freud und Leid miteinander teilen, einander Beistand und Dienste leisten und einander an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Gütern teilnehmen lassen." Es geht also um die materiellen Verflechtungen, die den typischen wirtschaftlichen Ausformungen in einer Ehe gleichen.

Neuer Freund, neue Lebensgemeinschaft?

In einem jüngst entschiedenen Fall (OGH 1Ob98/22a) hatte der OGH erneut zu klären, ob eine unterhaltsberechtigte Ex-Frau eine solche Lebensgemeinschaft eingegangen sei, die zu einem Ruhen ihres Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt führt.

Die Unterhaltsberechtigte und ihr neuer Freund lebten seit mehreren Jahren in zwei übereinanderliegenden Wohnungen. Es befanden sich keine persönlichen Gegenstände des einen in der Wohnung des anderen, keiner verfügte über einen Schlüssel zur Wohnung des anderen. Manchmal übernachtete die Klägerin in der Wohnung des Mannes, nur selten übernachtete der Mann in der Wohnung der Klägerin, die dort mit ihren beiden erwachsenen Töchtern lebte.

Es gab keine gemeinsame Haushaltsführung, es wurde weder gemeinsam eingekauft noch regelmäßig gemeinsam gekocht oder gegessen, und "jeder versorgte auch selbst die eigene Wäsche", wie der OGH feststellte. Man unterstützte sich wechselseitig nicht finanziell, hatte kein gemeinsames Konto und hatte auch keine gemeinsamen Anschaffungen getätigt. Die Kosten gemeinsam unternommener Ausflüge und Urlaube wurden zwischen der Unterhaltsberechtigten und ihrem Freund penibel geteilt und abgerechnet.

Unzureichende Verflechtungen

Der OGH verwarf die Behauptung des Ex-Mannes, wonach hier eine Lebensgemeinschaft vorliege: Nahe beieinanderliegende Wohnungen können zwar ein Indiz für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft sein. Das – in diesem Fall sogar offenkundig bewusste – Ausschließen jeder wirtschaftlichen Verflechtung, das Führen getrennter Haushalte und das Fehlen jeder gegenseitigen Unterstützung in den Angelegenheiten des täglichen Lebens schließen eine Lebensgemeinschaft aber letztlich sogar dann aus, wenn die Geschlechtsgemeinschaft offenkundig und unbestritten ist. Eine allein auf die zwischenmenschliche Komponente (zum Beispiel gemeinsame Urlaube oder die gemeinsame Teilnahme an Familienfeiern) beschränkte "Wirtschaftsgemeinschaft" reicht für die Annahme einer Lebensgemeinschaft also nicht aus.

Interessant ist letztlich auch die Feststellung des OGH, mit der auch dem letzten Hilfsargument des Unterhaltspflichtigen eine Absage erteilt wurde: Es ist völlig in Ordnung und nicht sittenwidrig, sich mit einem neuen "love interest" gezielt abzustimmen und penibel darauf zu achten, dass die Voraussetzungen einer Lebensgemeinschaft gerade nicht erfüllt werden, sodass der Unterhaltsanspruch eines Beteiligten gewahrt bleibt. (Piroska Vargha, 21.10.2022)