Man muss es sagen: Es gibt ungemütlichere Besprechungszimmer als dieses. Hier wird präsentiert, diskutiert und auch gekocht. Einst standen hier Schreibtische.
Foto: Katharina Gossow

Dem Brunnen auf der Wiener Freyung wurde bereits das Wasser abgestellt. Sein Becken ist staubtrocken. Noch kann man sich nicht vorstellen, dass hier in Bälde ein Dorf aus Punschhütten vor sich hin dampfen wird. Gegenüber, auf der anderen Seite des Platzes, liegt der Eingang zur Passage des Wiener Palais Ferstel. In den Auslagen der Geschäfte gibt’s Antiquitäten, Uhren, Schokolade, Schuhe und anderes. Ferner werden hier Haare geschnitten, Austern geschlürft und Crémants genippt. Am Ende der Passage, in einem Lichthof, steht der Donaunixenbrunnen. Über seinem Becken thront ein bronzenes Donauweibchen. Oben ohne. In ihrer rechten Hand hält sie ein Fischlein. Hier plätschert das Wasser noch.

Die Wiener Wohnung von Jürgen Hirzberger-Taylor wartet mit drei Terrassen auf. Vögel gibt es viel mehr, allerdings nur auf zahlreichen Tapeten.
Foto: Katharina Gossow

Gleich neben dem Becken aus Marmor geht’s durch eine Tür zu einem Lift, der einen ins Dachgeschoß, den siebten Stock des Palais, bringt. Drei Wohnungen sind dort untergebracht. Eine davon, die größte, mietet seit neun Jahren der Eventmanager Jürgen Hirzberger-Taylor. Der Erstbezug misst 240 Quadratmeter und ist mit drei Terrassen bestückt. Auf einer von ihnen stehen massive, tonnengroße Blumentöpfe, in denen während wärmerer Jahreszeiten Lavendel, Rosen und Lorbeer sprießen. In das Palais Ferstel, dieses Spätwerk des romantischen Historismus, das 1859 fertiggestellt wurde, war Hirzberger-Taylor schon als Jüngling verliebt. Es erinnert ihn an Venedig. Er liebt Venedig.

Das Wichtigste, so Jürgen Hirzberger-Taylor, sei ihm beim Wohnen die Kunst. Sie inspiriere ihn, er sieht sie aber auch als dekoratives Element.
Foto: Katharina Gossow

Wohnung und Arbeitsraum verbinden

Hirzberger-Taylor gehört zu jenen Menschen, die Wohnung und Arbeitsraum teilen. Das sieht man allerdings nicht auf den ersten Blick. Die Räume zeigen sich verwinkelt und verzweigt unter Dachschrägen. Wie Schachteln schieben sie sich ineinander. Und dann, also doch. Ein Mitarbeiter des fünfköpfigen Teams tapst durch das wahrscheinlich wohnlichste Konferenzzimmer, in dem sich Tische und Bürosessel lange suchen lassen. Der großzügige Raum mit einer Küche und einer Bar kommt eher wie ein loungiges Wohnzimmer daher. Vier Sofas einer italienischen Edelmarke bilden kleine Inseln, dazwischen tauchen sehr alte Stücke von Lobmeyr auf und Blumen, viele Blumen. Auf einem TV-Schirm, so groß wie ein Tischtennistisch, geht man hier gemeinsam Präsentationen durch. Unter anderem.

Das Einzige, was in dem modern-poppigen Wohnsitz nach Arbeit aussieht, sind die Schreibtische in zwei Büros, die in Zimmern gleich um die Ecke und ein paar Stufen höher liegen. Dort findet sich auch ein pakistanischer Hochzeitsteppich an der Wand. Wohl anstatt eines Jahresplaners oder sonstigen Bürokrams. Neben dem Wohnzimmerküchenbesprechungspräsentationsraum, den Terrassen und zwei Arbeitszimmern unterteilt sich die Bleibe weiters in drei Bäder, einen Ankleideraum und ein sehr reduziertes Schlafgemach.

Hier geht's ins Schlafzimmer.
Foto: Katharina Gossow

Violette Wände, bunte Vögel

Punkt fünf am Nachmittag verlässt das Team Hirzberger-Taylors seine Arbeitsplätze. Ab dieser Stunde möchte der Chef für sich sein. Um was zu tun? "Um zu arbeiten. Ich arbeite immer", sagt er und macht dabei keineswegs den Eindruck, als würde ihn das stressen. Ganz im Gegenteil, er scheint ein positiv Getriebener zu sein. Im Kopf immer bei seinen Events, die er für Luxushäuser wie Dior, Louis Vuitton, Ritz-Carlton, Dom Perignon oder Bulgari ausbaldowert. Kongresse oder Ähnliches sind nicht sein Ding.

An den Wänden seiner Wohnung zeigt sich ein Violett, in das ein grauer Farbton gemischt wurde, sowie hunderte bunte Vögel auf Tapeten von Christian Lacroix. Auch von Kunst ist er angetan. Andy Warhol, Keith Haring, aber auch Jean-Michel Basquiat sind derzeit seine Lieblinge. Ein Foto von Marilyn Monroe ist ebenfalls zu sehen. Ein Motiv Basquiats ziert die rechte Hand von Jürgen Hirzberger-Taylor in Form eines Tattoos. Auf seinem linken Handrücken taucht Queen Elizabeth auf.

Das Dachgeschoß des Wiener Palais Ferstel ist ein verwinkeltes Reich.
Foto: Katharina Gossow

Inspiration und dekoratives Element

Auf einem Tisch hockt ein Trio bestehend aus Teddybären. Einer von ihnen wurde von Sharon Stone für einen wohltätigen Zweck designt. Er trägt ein Superman-Kostüm. Zwei große Vasen von Ettore Sottsass schmücken das Entree, und an mehreren Stellen baumeln wie Nester aus Seifenblasen kugelige Luster von Flos von der Decke. Das Wichtigste aber sei ihm die Kunst. Sie sei es, die ihn inspiriere. Ob er sie auch als dekoratives Element, als Einrichtungsfaktor begreife? "Natürlich, warum nicht." Wohnen, so sagt Hirzberger-Taylor, das sei Kunst und Arbeit und einfach nur "sein". "Ich bin die Wohnung, und die Wohnung ist ich. Sie muss mein Verständnis von Ästhetik widerspiegeln." Ach ja, da wäre noch etwas zum Thema Wohnen. Der 55-Jährige kocht gern, am liebsten nach Yotam Ottolenghi. Den liebt er auch. So wie die Queen. Und Venedig. Partys und Events gebe es in seinem Zuhause eher nicht. Schließlich sind sie sein Business. Verständlich.

Ob er, der vor allem im Bereich High-Luxury-Events tätig ist, vor einem Superdinner in einem Palais oder sonst wo noch nervös sei? "Immer", sagt er. "Immer, aber die anderen merken nichts davon. Das ist wichtig", setzt er nach. Das Allerwichtigste in Sachen Events seien aber die Gäste. Der bestgestaltete Event tauge nichts, wenn die Gäste nicht mitspielen wollen. Großen Stellenwert besitzt für ihn Freiheit, Freiheit in Sachen Zeitschema, Anreise und Catering.

Ein weiteres Arbeitszimmer der Eventagentur samt Terrasse.
Foto: Katharina Gossow

Adelige Mentorin

Wenn er von seinem Verständnis von Geschmack, Ästhetik und dergleichen parliert, kommt der Mann um einen Namen nicht herum: Pilar Goëss. Die 1999 verstorbene Herausgeberin und Society-Lady, die auch als Model arbeitete und einer alten Adelsfamilie entstammte – sie war die Urururenkelin von Kaiserin Maria Theresia und mit Prinz Karim Aga Khan liiert –, bezeichnet Hirzberger-Taylor als seine Mentorin. Sie habe ihn an Dinge wie Memphis-Design herangeführt, mit ihr führte er im ersten Bezirk auch ein Designkaufhaus. Von ihr habe er unglaublich viel gelernt und alles aufgesaugt. "Bevor ich sie kannte, war ich grüner als grün hinter den Ohren. Ich stamme aus Kärnten. Meine Mutter führte ein Gasthaus auf dem Land. Die Vogue in unserer Trafik war im Schnitt drei Monate alt", erzählt der Autodidakt.

Eventmanager Jürgen Hirzberger-Taylor.
Foto: Katharina Gossow

Traum von Venedig

Drei bis vier Tage der Woche verbringt Hirzberger-Taylor hier in seinem Reich im Palais Ferstel, das ursprünglich die Nationalbank und die Börse beherbergte. Raus kommt er kaum. Den Rest der Woche weilt er in seinem Haus in Kärnten. Dort verbringt er Zeit mit seinem Ehemann Mark Taylor, der ansonsten in England lebt und im Filmbusiness tätig ist.

Ob er trotz seiner Bleibe, um die ihn nicht wenige beneiden könnten, einen Wohntraum hat? "Ja, ich würde sehr gern in Venedig wohnen, und zwar im ehemaligen Grand Hotel De Bains, in dem Thomas Manns Tod in Venedig verfilmt wurde." So sei dem Eventmanager zum Schluss ein Zitat aus Manns Zauberberg ans Herz gelegt: "Also Ruhe, Geduld, Mannszucht, messen, essen, liegen, abwarten und Tee trinken." Hirzberger-Taylor bevorzugt Champagner. Ganz sicher. (Michael Hausenblas, RONDO, 17.11.2022)