Sophie, Adele und Benjamin haben beim Workshop Humus hergestellt und mit Kräutern gewürzt. Auch die VHS in Wien veranstalten regelmäßig Kochkurse für Kinder.

Foto: Christian Fischer

Eine Dose nach der anderen holt der zehnjährige Benjamin aus der Lade, schraubt sie auf und steckt die Nase hinein. "Ach du Heilige, was ist das?" Nelken hat er erwischt – kennt man sonst nur fein dosiert im Weihnachtsgebäck. Die nächste Dose ist mit "Ingwer" beschriftet. Seine Schwester Sophie verzieht die Nase. Es folgen Kümmel, Koriander, Zimt und Paprika. Schließlich hat er gefunden, wonach er gesucht hat: goldgelben Curry. Damit will er den Humus würzen, den sie – fünf Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren – an diesem Nachmittag zubereitet haben.

Ausgestattet mit Jausenboxen, sind sie zusammengekommen, um gemeinsam mit Köchin Sophie Laurent ihre eigene gesunde Jause zuzubereiten. "Weil es mehr gibt als Butterbrot und Schulmaus" lautet das Motto des Workshops. Bunt gefüllte Obst- und Gemüseschalen stehen auf dem Tisch, an jedem Platz liegen ein Heft mit Rezepten, Schneidebretter und bunte Messer. Bevor es ans Schnippeln geht, will Laurent wissen, was die Kinder für Gemüse kennen: "Meine Freundin hatte mal Kohlrabi dabei", erzählt die achtjährige Sophie. "Der war richtig gut!" Chili, Paprika, Paradeiser werfen die anderen in den Raum.

Neue Geschmäcker

"Habt ihr schon mal von der Ernährungspyramide gehört?", fragt Laurent. Gemeinsam studieren sie das Schaubild, das am Anfang des Rezeptbuchs abgedruckt ist. "Ganz unten ist alles, was wir bedenkenlos zu uns nehmen können", erklärt sie. "Getränke wie Wasser und Tee." "Aber ohne Zucker!", ruft eines der Kinder. Nicht nur beim Thema gesunde Ernährung kennen sich die Jungköchinnen und -köche aus. Sophie und Benjamin kochen regelmäßig mit ihren Eltern oder helfen dem Papa – "der ist bei uns Jausen-Macher" – beim Vorbereiten der Boxen. Adele erzählt, wie sie letztens mit ihrem Vater Fisch gemacht hat.

Beim Workshop "Little Tasters" sollen Kinder Interesse an gesunder Ernährung entwickeln.
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"Bei den Kindern, die kommen, merkt man, dass die Eltern schon sehr aktiv sind", sagt Laurent. "Little Tasters" hat sie ihre Initiative genannt. Das Ziel: schon die Kleinen an neue Geschmäcker, gesunde Ernährung und Kochvergnügen heranführen. Auch ihre eigene Tochter wurde schon früh beim Kochen eingebunden. "Das Wichtigste ist, dass man es von klein auf lernt." Heute, erzählt Laurent, ermahnt die mittlerweile neunjährige Maya den Papa, wenn er im Winter sommerliche Paradeiser oder Beeren kaufen will.

Stinkt, aber schmeckt

Ihr Plan ist es, mit ihrer Initiative auch an Schulen zu gehen. "Teilweise gibt es Workshops, aber sie sind nicht Pflicht und meist zu spät." Wer schon in frühen Jahren lernt, woher gute Nahrungsmittel kommen und wie sie zubereitet werden – so die Hoffnung –, der trifft später achtsamere Konsumentscheidungen. Es müsse gar nicht kompliziert sein, sagt Sophie Laurent: Hauptsache, die Kleinen bekommen auch mal frische Sachen in die Hand.

Bevor sich die "Little Tasters" an den Humus gemacht haben, wurde das auf dem Tisch verteilte Obst und Gemüse zerkleinert. "Tadaa!", ruft Sophie. Stolz hält sie ihren ersten Spieß in die Höhe, auf den sie herzförmigen Kohlrabi und Kirschparadeiser gesteckt hat. Adele hat aus ihrem Gemüse Blumen und Hanteln gebastelt. Laurent will, dass die Kinder "die Welt der Kulinarik auf spielerische Art entdecken". Nachdem sie in ein Stück würzigen Hartkäse gebissen hat – "als Französin bin ich es gewohnt", lacht sie –, wagen sich auch die anderen an den "Stinkekäse", wie ihn die Kinder nennen. Und, wie schmeckt er? "Gar nicht so schlimm, wie er riecht."

Sind die Jausenboxen gefüllt, bereitet die Gruppe in der Küche Dips zu. In den Humus kommen Kichererbsen, Tahina, Öl und Salz in den Mixbehälter. "Fehlt euch was?", fragt Laurent nach der Geschmacksprobe. Benjamin wünscht sich mehr Curry, Maya fehlt noch Zitronenabrieb. "Die Kinder sollen Interesse an Geschmäckern entwickeln." Wie schmeckt das? Welche Gewürze kann ich verwenden?

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Auch abseits professioneller Workshops können Kinder zwanglos an das Thema herangeführt werden. Als Lockdowns Familien in die Wohnung zwangen, fragte sich Andrea Steidl, wie sie ihren Töchtern Abwechslung bieten kann. So kam ihr die Idee, kulinarisch auf Weltreise zu gehen: Mithilfe des Globus wurde durch Zufall ein Land ausgewählt. Begleitet von landestypischer Musik kochten sie japanische Yakitori-Spieße, mexikanische Burritos und schwedische Zimtschnecken.

Aus dem Spiel entstand das Buch Mit Alma und Nasian in acht Tagen um die Welt – eine Sammlung von Reisen und Rezepten aus aller Welt. Was Kinder begeistert seien Geschichten, ist Koautorin Emanuela Sarac überzeugt. Mit dem Mädchen Alma und ihrem Nashorn-Freund Nasian wollten sie Figuren schaffen, mit denen sich Kinder identifizieren können. "Beim Essen geht es darum, sich Neues zu trauen." Kinder seien von Natur aus neugierig, beim Essen aber sei die Skepsis oft groß, sagt Sarac. Wenn nun aber Alma und Nasian diese indonesischen Pisang Goreng probieren ...

Spielerischer Zugang

Je mehr Kinder involviert sind, meint Steidl, desto mehr akzeptieren sie auch exotische Zutaten und Gemüse. Zu den Lieblingsrezepten ihrer Kinder gehören die Tortillas, die sie auf dem Tisch zusammenstellen können. "Und Nudeln gehen immer", sagt sie lachend. "Da kann man nichts falsch machen."

Ein gutes Kinderrezept sollte nicht zu lange dauern und spielerische, visuelle Komponenten enthalten. Das können zwei Karottenscheiben sein, die – aufs fertige Gericht gelegt – wie Augen aussehen, oder bunte Zahnstocher, die gefüllte Pide-Teigtaschen zu kleinen Schiffchen machen. "Sobald es lustig aussieht, essen sie es lieber", sagt Autorin Steidl.

Das gilt auch für die Kinder, die zum Koch-Workshop von Sophie Laurent gekommen sind. Die Mama solle solche Gemüseausstecher kaufen, sagt die achtjährige Sophie. Mit den Wrap-Spießchen und dem bunt belegten Pumpernickel sind die Jausenboxen gefüllt. Einiges wird gleich genascht, der Rest für den nächsten Schultag eingepackt. "Ich glaube, das wird meine Lieblingsjause", sagt Sophie. "Die soll der Papa nun auch mit uns machen."