Uniboxen wie hier in Dorf an der Pram sollen die neuen Nahversorger am Land sein.

Foto: Unimarkt

Der Supermarkt sieht aus wie ein Container. Wer hineinwill, scannt mit einer App auf dem Smartphone einen QR-Code, dann öffnet sich die Tür. Im Inneren liegen auf rund 40 Quadratmetern Brot, Milch, Olivenöl, Gemüse und andere Produkte aus. Die Produkte werden ebenfalls mit dem Smartphone gescannt und bezahlt. Wer danach wieder die Box verlässt, hat keinen einzigen Mitarbeiter gesehen.

Unibox heißen die blauen Container, die die Unimarkt-Gruppe seit vergangenem Jahr in ländlichen Gemeinden wie etwa Krenglbach, Dorf an der Pram oder Hengsberg aufgestellt hat. Geht es nach dem Unternehmen, sollen die Boxen nichts weniger als die Zukunft des Einkaufens sein: Im besten Fall 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr geöffnet, komplett digital und weitestgehend ohne Mitarbeiter.

"In mehr als 600 Gemeinden in Österreich gibt es keinen Nahversorger mehr", sagt Unimarkt-Chef Andreas Haider im STANDARD-Gespräch. Durch die Landflucht würde sich ein Lebensmittelgeschäft mit Angestellten in vielen Gemeinden nicht mehr rentieren. Die automatisierten Lebensmittelboxen sollen diesen Mangel ausgleichen, Gemeinden wieder beleben und ein neues Geschäftsfeld erschließen. Sind die automatisierten Boxen die Zukunft eines neuen digitalen Rund-um-die-Uhr-Einkaufens?

Amazon Go als Vorbild

Vorbild sei Amazon Go in den USA, sagt Haider: Geschäfte, in denen Kunden nur ihre Produkte aus dem Regal nehmen und ohne Kassa wieder aus dem Geschäft spazieren. Über Kameras und Sensoren werden ihre Einkäufe automatisch erfasst und danach über ihr Amazon-Konto abgerechnet. Mitarbeiter im Geschäft braucht es dafür kaum noch.

Auch hierzulande gibt es bereits seit rund zwanzig Jahren Selbstbedienungskassen, bei denen Kunden ihre Waren selbst scannen. Meist müssen diese aber nach wie vor von Menschen überwacht werden. Vom vollautomatisierten, videoüberwachten und per App und Sensoren gesteuerten Einkaufen wie bei Amazon Go sind die meisten Geschäfte hierzulande noch weit entfernt.

Starker Kostendruck

"Der deutschsprachige Raum hinkt bei der Automatisierung im Vergleich zu den USA und Großbritannien bisher hinterher", sagt Gerrit Heinemann, Wirtschaftswissenschafter und Handelsexperte an der Hochschule Niederrhein in Deutschland, zum STANDARD. Doch das beginne sich langsam zu verändern. Supermärkte stünden heute deutlich stärker unter Kostendruck. Da man bei den Lieferketten schon maximal eingespart habe, sei eine der letzten Stellschrauben zur Kostenreduktion nun das Personal.

Hinzu kommt, dass auch die Kundinnen immer mehr Automatisierung und Selbst-Checkout fordern, sagt Heinemann. Viele wollen nicht mehr in der Schlange stehen und seit Corona mehr auf Abstand gehen. Zudem gebe es in der Branche einen großen Fachkräftemangel – auch deshalb, weil das Image des Lebensmitteleinzelhandels mitunter zu den schlechtesten zähle. In Zukunft werde es deshalb noch deutlich mehr Selbstbedienungsläden geben. Bedienung durch menschliche Mitarbeiter werde sich hingegen nur noch im eher hochpreisigen Segment finden, sagt der Experte.

Maximal 72 Stunden pro Woche

Vor allem auf dem Land sollen die unbemannten Hightech-Lebensmittelboxen wachsen. 17 Uniboxen gebe es derzeit, dutzende weitere wolle man in den nächsten Jahren in ganz Österreich aufstellen, sagt Haider. Lediglich zwei Stunden am Tag müsse ein Mitarbeiter noch den Warenstand überprüfen und nachbestücken, ansonsten funktioniere die Box quasi von allein.

Im besten Fall soll diese dann für die Bewohner rund um die Uhr, also auch in der Nacht, 365 Tage im Jahr zur Verfügung stehen. Doch rechtlich ist das in Österreich derzeit meist verboten. Laut Öffnungszeitengesetz dürfen Läden lediglich 72 Stunden in der Woche geöffnet haben, sofern sie nicht an Bahnhöfen oder Tankstellen stehen – selbst wenn keine Mitarbeiter dort arbeiten. Haider ringt deshalb um Ausnahmen für die automatisierten Miniläden – derzeit noch ohne Erfolg.

Nischenprodukt

Bei Experten wie Heinemann hält sich die Euphorie bei den Miniläden ohnehin in Grenzen. "Das ist derzeit ein ziemliches Nischenprodukt, weil die Verkaufsfläche meist sehr klein und der Umsatz gering ist", sagt er. Zudem lasse sich vor allem die Belieferung noch nicht automatisieren. Die Distanzen bei der Belieferung von relativ wenigen Produkten seien vor allem in ländlichen Regionen oft groß. Was sich betriebswirtschaftlich nicht rechne, könne auch nicht über längere Zeit bestehen.

Auch Haider gibt zu, dass "einige Standorte noch nicht dort sind, wo sie hinmüssen". Den Grund dafür sieht er aber in den beschränkten Öffnungszeiten und der geringen Bevölkerungs- und damit Kundinnenzahl mancher Gemeinden.

Produkte aus der Region

Unternehmen wie Dorfladenbox wollen zumindest das Problem längerer Belieferungen der Miniläden überwinden. Das Start-up entwickelt kleine gelbe Container, die derzeit etwa in Regau oder Mondsee aufgestellt sind. Betreten werden die Selbstbedienungsläden ebenfalls per App und QR-Code, bezahlt wird über eine eigene App. Im Gegensatz zur Unibox stehen im Sortiment aber nur Produkte von Landwirten und Betrieben aus der Region, wie etwa Eier, Milch oder Speck.

Auch in der Dorfladenbox wird meist nur noch mit einer App bezahlt.
Foto: Dorfladenbox

"Im Durchschnitt befinden sich die Lieferanten alle in einem Umkreis von zwanzig Kilometern zur Box", sagt Patrick Schoyswohl, einer der Gründer der Dorfladenbox, zum STANDARD. Kunden und Lieferanten sollen über die App einsehen, welche Produkte es gerade in der jeweiligen Dorfladenbox gibt und wie lange die Transportwege ihrer Produkte sind. Neigt sich ein Produkt im Container dem Ende zu, wird der Landwirt im Umkreis automatisch für eine Nachlieferung verständigt. Ziel sei es, auch die Landwirte besser zu unterstützen und regionale Produkte automatisiert anzubieten, die nicht teurer sind als im Supermarkt, sagt Schoyswohl.

Hohe Dichte an Supermärkten

Mit dem Sortiment von Supermärkten können die Miniläden aber nicht mithalten, sagt Cordula Cerha, Handelsexpertin an der WU Wien, zum STANDARD. Österreich habe im EU-Vergleich eine relativ hohe Dichte an Supermärkten. Viele Menschen, die halbwegs mobil sind, würden die Bequemlichkeit eines herkömmlichen Supermarkts bevorzugen. Mehr als ein punktuelles Phänomen – nämlich dort, wo es wirklich an Nahversorgern fehlt – werden die Miniläden daher nicht sein. Funktionieren können solche Ideen meist nur, wenn Menschen aus persönlichem Engagement bereit sind, mehr Geld in solche Projekte zu stecken, sagt Cerha.

Neue Technologien in Supermärkten setzen sich generell nur dann durch, wenn es tatsächlich einen Zusatznutzen gibt, sagt die Expertin: Wenn es etwa Geld oder Zeit spart. "Da gab es in der Vergangenheit viel technischen Schnickschnack." Auch was die Überwachung per Kameras oder die Registrierung vor Betreten der Läden betrifft, wie es etwa bei Amazon Go passiert, ist die Expertin skeptisch: "In Österreich wollen viele ja noch nicht einmal eine Kundenkarte haben, weil sie dadurch Daten hergeben."

Sozialer Austausch

Nicht zuletzt habe das Einkaufen auch eine soziale Komponente: "Gerade in Corona hat sich gezeigt, dass vor allem ältere Menschen nach wie vor gerne einkaufen gehen, um sich auch mit den Mitarbeitern auszutauschen. Das ist eine Art soziale Versorgung, die auch am Land eine große Rolle spielt", sagt Cerha.

Wie sieht der Supermarkt der Zukunft dann aus? Das Einkaufen werde auf jeden Fall bequemer für Kunden sein, es werde mehr elektronische Preisanpassungen geben, um Kosten zu sparen, und vielleicht einige Systeme, bei denen Waren automatisch im Einkaufskorb erfasst werden, sagt die Expertin. Ganz ohne Mitarbeiter werden viele Supermärkte aber auch in naher Zukunft noch nicht auskommen.

Dynamisches Pricing

Ähnliches hört man vom österreichischen Handelsverband. "Die klassische Kassenzone verschwindet, dafür gewinnen "Scan-and-Go"-Systeme an Popularität", sagt Geschäftsführer Rainer Will zum STANDARD. Auch elektronische Preisschilder und dynamisches Pricing werden an Bedeutung gewinnen, etwa um die Preise von Produkten kurz vor dem Verfallsdatum automatisch zu senken. Mitarbeiter werde es künftig dennoch brauchen: Um dann etwa auch Zusatzleistungen wie Barista-Kaffee oder Produkt-Verkostungen im Supermarkt anzubieten, sagt Will.

Was die automatisierten Miniläden betrifft, sieht Handelsexperte Heinemann diese als Testlabor für die Unternehmen, um zu sehen, ob sich das Konzept eines Tages auch in größerem Stil umsetzen lässt. Supermärkte, die künftig allein auf Selbstbedienungskassen setzen, werde es in Zukunft jedenfalls noch deutlich mehr geben – sowohl auf dem Land als auch in der Stadt, sagt er. (Jakob Pallinger, 22.10.2022)