Wirkungsvolles Lächeln muss nicht von Herzen kommen, Hauptsache, die Mundwinkel zeigen nach oben – zumindest wenn es nach einer aktuellen Studie geht. Im Bild: US-Präsident Biden mit der Senatorin Tammy Duckworth.

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"Lach doch mal!" ... "Wie wär's mit einem Lächeln?" – Wer solche nervig-übergriffigen Aufforderungen durch gut gelaunte Mitmenschen zu hören bekommt, wird dadurch wohl wenig Heiterkeit verspüren. Es sei denn, er oder sie tut genau das Geforderte: hebt die Mundwinkel an und grinst der Frechheit entgegen. Denn auch ein aufgesetztes Lächeln kann die Laune verbessern, berichtet ein internationales Forschungsteam in einer aktuellen Studie – und will damit eine alte Debatte in der Psychologie entscheiden.

Beeinflusst unser Gesichtsausdruck tatsächlich die Gefühlslage? Die sogenannte Facial-Feedback-Hypothese geht schon auf Überlegungen von Charles Darwin zurück. Der britische Naturforscher vermutete in den 1870er-Jahren, dass sich der Ausdruck von Emotionen auf die Intensität der empfundenen Gefühle auswirken dürfte – nicht nur im positiven Sinne: Auch traurige oder wütende Gesichtsausdrücke könnten die jeweilige Gefühlslage verstärken, so die Annahme. Die Erforschung des Phänomens brachte im Lauf der Zeit allerdings sehr unterschiedliche Ergebnisse.

Lachen mit Gary Larson

In den 1980er-Jahren sorgte eine kuriose Studie für Aufsehen, die lange als bahnbrechend galt. Sie ergab, dass Versuchsteilnehmer Gary-Larson-Cartoons lustiger fanden, wenn sie beim Lesen einen Stift zwischen ihre Zähnen hielten, der die Lippen nicht berühren durfte. Die Forschenden argumentierten, dass durch diesen Trick dieselben Muskeln zum Einsatz kämen wie beim Lächeln, und werteten das Resultat als Bestätigung für die Facial-Feedback-Hypothese.

Als die Cartoon-Stift-Studie 2016 einer umfangreichen Wiederholung unterzogen wurde, fiel das Ergebnis aber keineswegs eindeutig aus. Eine Meta-Analyse von mehr als 100 anderen Studien zum Thema Facial Feedback kam 2019 wiederum zum Schluss, dass es wahrscheinlich doch einen Rückkopplungseffekt geben dürfte. Die Diskussion war damit neuerlich entbrannt.

Gesichtsmuskel im Test

Ein internationales Team um Nicholas Coles von der Stanford University hat nun versucht, neues Licht auf das potenzielle Phänomen zu werfen und dabei einen breiteren Konsens in der Fachwelt herzustellen. "Anstatt ewig weiter über Twitter und in Fachjournalen zu streiten, was Jahrzehnte dauern würde und wahrscheinlich nicht sehr produktiv wäre, sagten wir uns: Wir müssen einen Weg finden, der beide Seiten zufriedenstellt – Befürworter und Gegner der Hypothese."

Die Ausgangslage der Studie, die kürzlich im Fachblatt "Nature Human Behaviour" veröffentlicht wurde, sah am Ende so aus: Fast 4.000 Probandinnen und Probanden aus 19 Ländern wurden in drei Gruppen eingeteilt. Ein Drittel der Teilnehmenden bekam wie schon bei der Larson-Studie einen Stift in den Mund, ein weiteres Drittel musste die Gesichtsausdrücke von lächelnden Schauspielerinnen und Promis auf Fotos nachahmen. Die übrigen Studienteilnehmer wurden angehalten, die Wangen anzuheben und die Mundwinkel möglichst in Richtung ihrer Ohren zu bewegen (nur durch Gesichtsmuskelkraft, ohne manuelle Nachhilfe).

Stimmungsaufhellender Gesichtsausdruck

Jede der drei Gruppen wurde dann noch einmal geteilt: Einer Hälfte wurden während der Durchführung der gesichtsmuskelfordernden Aufgabe Fotos von Welpen, Katzenbabys, Blumen und anderen eher positiv konnotierten Sujets gezeigt. Die andere Hälfte blickte derweil auf einen leeren Bildschirm. Dann sollten die Teilnehmenden einen neutralen Gesichtsausdruck einnehmen und bekamen abermals Tierbilder beziehungsweise leere Bildschirme zu sehen.

Nach jeder Aufgabe mussten die Probandinnen und Probanden angeben, wie sie sich fühlten (und zwischendurch mathematische Aufgaben lösen, um das wahre Ziel der Studie zu verschleiern). Das Ergebnis: Der Stift-im-Mund-Test hatte nur wenig Wirkung auf das Gefühlsleben der Studienteilnehmer. Die Testpersonen, an denen die anderen beiden Grinse-Varianten erprobt wurden, zeigten sich dagegen merklich fröhlicher. Der Effekt sei zwar nicht riesig, aber doch bemerkbar gewesen, sagte Coles.

Die Muskeldehnung eines Lächelns könne demnach tatsächlich stimmungsaufhellend wirken, eine gerunzelte Stirn dagegen wütender, sagte der Wissenschafter. "Also muss das bewusste Erleben von Emotionen zumindest teilweise auf Körperempfindungen beruhen." Warum aber der Test mit dem Stift zwischen den Zähnen kein eindeutiges Ergebnis brachte, sei noch nicht ganz klar. Auch wenn die Lachmuskeln dabei beansprucht würden, sei das Zusammenbeißen der Zähne, das dabei erforderlich ist, womöglich ein Störfaktor, vermutet der Forscher. Seine Empfehlung: immer schön locker lächeln. (David Rennert, 21.10.2022)