Dem Gutachten des Kunsthistorikers Klaus Ertz zufolge soll Jan Brueghel der Jüngere das Gemälde Ende der 1660er-Jahre geschaffen haben. Schätzwert: 25.000 bis 50.000 Euro-

Foto: im Kinsky

Nein zum Modernismus, ja zum Kunsthandwerk: Wer auch immer sich für den Kunstgeschmack von König Charles III. interessiert, bekam dieser Tage ein paar Hinweise kredenzt. Er habe einen ästhetisch stark ausgeprägten Geschmack, und sein Leitmotiv sei, das "Beste" zu bewahren und für die Zukunft zu sichern, wie das Magazin The Art Newspaper skizzierte.

Ein Spleen des neuen Monarchen? In Sandringham, jenem Landsitz in der Grafschaft Norfolk, wo sich die Royals traditionell zu Weihnachten einfinden, müssen vor seinen Besuchen gewisse Familienporträts von den Wänden genommen werden, so heißt es. Welche das genau sind, blieb vorerst (leider) ein Geheimnis.

Detail aus der Allegorie auf die Geschichte Englands: Im Vordergrund verweist das "Bild im Bild" auf die Hinrichtung Charles I 1649; im Hintergrund steht das Panorama Londons in Flammen (1666).
Foto: im Kinsky

Gewirkte Glorifizierung Charles II

Bekannt ist hingegen, dass er mit der bereits am Abend des Todes seiner Mutter verlautbarten Wahl des Regentennamens automatisch seine gekrönten Namensvettern in Erinnerung rief. Wie berichtet, wäre ihm der Tradition gemäß jeder seiner eigenen Taufnamen zur Verfügung gestanden. Also auch Philip, Arthur oder George. Stattdessen eben Charles nebst römisch Drei als Appendix. Dabei repräsentieren die Epochen der Namenskollegen I und II nicht die glorreichsten Kapitel der britischen Geschichte.

Stellvertretend dafür stehen auch zwei Kunstwerke im aktuellen Angebot des Auktionshauses "im Kinsky". Beide stammen aus dem Besitz der 2021 verstorbenen Unternehmerin Erna Weidinger, deren Sammlung am 8. 11. versteigert wird. Darunter die gewirkte Glorifizierung von Charles II. hoch zu Ross und in Begleitung antiker Götter vor dem Panorama von London.

Die knapp drei mal fünf Meter große Tapisserie, deren unterer Rand irgendwann beschnitten wurde, entstand laut Katalogangaben im 17. Jahrhundert in der Werkstatt von Michiel Walters, einer der führenden Manufakturen der damals von den Habsburgern regierten Stadt Antwerpen. Anhaltspunkte zu diesem Wandteppich finden sich in Aufzeichnungen der Werkstatt, in denen 1679 eine Folge von acht Tapisserien mit Pferdedarstellungen nach Entwürfen von Abraham Diepenbeeck erwähnt ist. Der Schätzwert des Mitte der 1970er-Jahre bei einer Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse erworbenen Stücks beläuft sich auf 25.000 bis 50.000 Euro.

Am linken Bildrand haben sich dämonische Wesen versammelt und ein Wildschwein speit Dokumente, deren Aufschriften (u.a. "timor pesta fame", "falsi testimoni") auf Plagen und Unrecht verweisen.
Foto: im Kinsky

Pestepidemie & Großbrand Londons

Die düsteren Episoden während der Regentschaft Charles’ II., eines Vorfahren sowohl von Prinzessin Diana wie auch von Queen Consort Camilla, blieben in der textilen Verherrlichung freilich ausgespart: einerseits die verheerende Pestepidemie von 1665, der allein in London an die 70.000 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen; andererseits der "Große Brand" von 1666. Letzterer zerstörte weite Teile der Innenstadt der überbevölkerten Metropole und stoppte zeitgleich die Epidemie endgültig, da praktisch alle verseuchten Ratten und Ungeziefer in den Flammen verbrannten.

Beide Ereignisse und auch solche, die auf Charles I. Bezug nehmen, sind dagegen auf einem Gemälde dokumentiert, das, laut einem Gutachten des deutschen Kunsthistorikers Klaus Ertz, Ende der 1660er-Jahre von Jan Brueghel dem Jüngeren (1601–1678) geschaffen wurde. Die Sammlerin Erna Weidinger hat es im Dezember 1989 bei Christie’s in London für umgerechnet knapp 14.000 Euro (exkl. Aufgeld) ersteigert, nun soll es zwischen 25.000 und 50.000 Euro einspielen.

Die Glorifizierung von Charles II: Die Tapisserie entstand etwa um 1660/1670 in der Werkstatt von Michael Wauters, einer der führenden Manufakturen Antwerpens.
Foto: im Kinsky

Enthauptung Charles I

Als Allegorie auf die Geschichte Englands Mitte des 17. Jahrhunderts greift die Komposition den damals dominierenden Kampf zwischen Protestanten und Katholiken, Monarchie und Republik, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltausübung auf: Etwa in der Schilderung der Schrecken des Krieges, symbolisiert von Mars, der eine Mutter an den Haaren davon schleift. Im Hintergrund frisst sich die Feuersbrunst durch das Stadtpanorama Londons, darüber ist der große Komet (C/1665 F1) erkennbar, der rückwirkend sowohl für die Pest als auch den Großbrand verantwortlich gemacht wurde.

Am rechten Bildrand ist als "Bild im Bild" die Enthauptung König Charles’ I. im Jahr 1649 vor der Banqueting Hall in London erkennbar. Ein Fuchs haucht dort die Worte "Hier opfern wir" ("Hic adoperamur"), während ein maskierter Genosse, den Henker darstellend, gemeinsam mit einem geifernden Hund die Szene der Hinrichtung betrachtet. Bei dem Hund könnte es sich um eine Anspielung auf Charles’ parlamentarischen Gegenspieler Thomas Fairfax handeln, der in niederländischen Stichen als "Bluthund" Oliver Cromwells dargestellt wurde, wie Kunsthistoriker Ertz erläutert.

Auftraggeber im Exil

Der linke Bildrand bietet wiederum tierischen und dämonischen Wesen eine Bühne, um auf die Strafen für das menschliche Handeln zu verweisen. Eine insgesamt ungewöhnliche Komposition, die Brueghel vermutlich auf Bestellung schuf. Aus welchem Umfeld der einstige Auftraggeber wohl kam? Einen Hinweis hat Gerlinde Gruber, Kuratorin für Flämische Malerei am Kunsthistorischen Museum in Wien, parat: Während des Englischen Bürgerkriegs (1642 bis 1649) waren einige Engländer nach Antwerpen geflüchtet. Etwa auch William Cavendish, ehemaliger Befehlshaber der königlichen Armeen. In seinem Antwerpener Exil lebte der royalistische Flüchtling gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Schriftstellerin Margaret Lucas, einige Zeit im Rubenshuis, dem ehemaligen Wohnhaus des 1640 dort verstorbenen Peter Paul Rubens. (Olga Kronsteiner, 21.10.2022)