Mit ihrem Kräfteverhältnis im Nationalrat kann die ÖVP jedenfalls die Themen bestimmen oder auch abdrehen.

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Die Grünen sind mit großen Vorhaben und Ansprüchen in diese Regierungsbeteiligung gegangen: Es gibt ein paar wesentliche Forderungen nach Reformen, die die Grünen auch als Grundlage und Rechtfertigung ihrer Regierungsbeteiligung sehen. Neben einer ökosozialen Steuerreform und dem Kampf gegen den Klimawandel sind es vor allem Maßnahmen gegen die strukturelle Korruption.

Die Grünen verstanden sich als Kontrollpartei, die auf Sauberkeit und Transparenz setzte. In der Koalition mit einer Partei, die wöchentlich von neuen Enthüllungen erschüttert wird, leidet auch das eigene Bild. Zentrale Punkte des Antikorruptionsbegehrens waren auch entscheidende Forderungen der Grünen. Umgesetzt wurden davon nur kleine Schritte, aber immerhin wurde bereits einiges auf den Weg gebracht.

Erledigt:

Die Verlängerung der Kronzeugenregelung, die heuer ausgelaufen wäre. Die Fälle der Meinungsforscherin Sabine Beinschab, der bereits Kronzeugenstatus zugestanden wurde, und von Thomas Schmid, der einen solchen zumindest anstrebt und bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt hat, zeigen, dass die Regelung sinnvoll ist, um bestehende Verdachtsmomente aufklären zu können.

So gut wie erledigt:

Im Juli wurde im Parlament ein neues Parteiengesetz beschlossen. Der Rechnungshof wird gestärkt und wird künftig Einschaurechte in Bezug auf Parteifinanzen erhalten, die Offenlegungspflichten werden umfangreicher. Für Parteispenden gibt es neue Regeln, bei Verstößen hohe Strafen. Ein öffentlich einsehbares Register soll den Bürgerinnen und Bürgern Informationen zu allen in Österreich registrierten Parteien verschaffen. ÖVP und Grüne sehen in dem neuen Gesetz einen "Meilenstein". Skeptischer gab sich die Opposition, obwohl die SPÖ letztendlich zustimmte. Experten sehen das Gesetz als immer noch zu lasch an. Tritt im Jänner 2023 in Kraft.

Auf Schiene:

Im Justizministerium gibt es bereits einen konkreten Vorschlag zur Einführung eines General- oder Bundesstaatsanwaltschaft. Diese Änderung in der Hierarchie soll die Staatsanwaltschaft aus dem politischen Einflussbereich herausführen und so die Unabhängigkeit der Justiz sicherstellen. Ministerweisungen wären dann nicht mehr möglich. Experten warnen aber davor, wie diese Diskussion läuft: Auf der einen Seite soll eine Persönlichkeit als oberstes Organ die Unabhängigkeit garantieren, allerdings werde laut Korruptionsexperte Martin Kreuter immer noch versucht, über einen "Generalstaatsanwalt" einen "starken Mann" zu installieren, der WKStA und Co an ein Gängelband nehmen könne und erst recht politische Wünsche durchsetze. Eine Forderung des Volksbegehrens lautet, an der Spitze der Bundesstaatsanwaltschaft – gemäß dem Prinzip, möglichst wenig Macht in einer Hand zu bündeln – keine Einzelperson zu installieren, sondern ein aus mehreren Personen bestehendes Kollegialorgan.

Ebenfalls auf Schiene:

Es wird zu einer Neuregelung der Medienförderung kommen: Die Regierung hat ihren Entwurf für eine neue, zusätzliche Medienförderung, die journalistische Arbeitsplätze und Qualität unterstützen soll, präsentiert. Sie ist mit 20 Millionen Euro pro Jahr dotiert. Zudem im Medienpaket enthalten: neue Regeln für Regierungswerbung. Öffentliche Stellen müssen Buchungen und ihre Ziele erklären. Die Regierung hält das für einen großen Wurf und ein europaweites Vorzeigemodell. Die Initiatoren des Antikorruptionsvolksbegehrens kritisieren dagegen, dass bei den Inseratenkosten keine Obergrenzen vorgesehen sind und weiterhin Medien gefördert werden sollen, die sich nicht der Qualitätssicherung durch den Presserat unterwerfen. Der Gesetzesentwurf ist in Begutachtung.

Vorbereitet:

Es existiert bereits ein Ministerialentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz, mit dem Whistleblowerinnen und Whistleblower besser geschützt werden sollen. Damit soll die "Bereitschaft zu rechtmäßigem Verhalten in Lebensbereichen von besonderem öffentlichem Interesse durch Schaffung von Regelungen zum Schutz von Hinweisgeberinnen/Hinweisgebern vor Vergeltungsmaßnahmen" erhöht werden. Whistleblower sollen besser definiert werden und vor dem faktischen Druck der Anfeindungen und der Verfolgung aufgrund von Rechtsvorschriften geschützt werden. Die parlamentarische Begutachtungsfrist endete im Juli, der Gesetzesentwurf liegt wieder im Wirtschaftsministerium.

Offen:

Das Informationsfreiheitsgesetz sollte das Amtsgeheimnis ablösen und für Transparenz im öffentlichen Bereich sorgen. Es ist ein Kernanliegen der Grünen, eine wesentliche Forderung des Antikorruptionsvolksbegehrens und vieler zivilgesellschaftlicher Initiativen. Zuständig für die Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Sie konnte sich bisher aber vor allem gegen den innerparteilichen Widerstand nicht durchsetzen: Der mit den Grünen fertig verhandelte Gesetzesentwurf liegt seit mehr als einem Jahr. Ihr Parteifreund und Kanzler Karl Nehammer ist dagegen. Er argumentiert seine Ablehnung mit der Befürchtung, dass "Querulanten" mit ihren Anfragen die Verwaltung lahmlegen könnten. Der Widerstand kommt vor allem aus den Ländern: Kleine Gemeinden könnten vom Aufwand überfordert werden, behaupten die schwarzen Landeshauptleute. Das Grundrecht auf Information, das vielen als selbstverständlich erscheint, bleibt damit eine illusorische Wunschvorstellung.

Fazit:

Es wurden Maßnahmen gesetzt, um Korruptionsbekämpfung zu forcieren, aber längst nicht alle Möglichkeiten ausgelotet. Der Kampf gegen Korruption und für Transparenz ist aber nicht nur auf gesetzlicher Ebene zu führen. Das ist auch ein ethischer Anspruch und eine Haltung. Dem kommt diese Regierung nicht in einem glaubhaften Ausmaß nach. Das wäre ein Argument für Neuwahlen. (Michael Völker, 22.10.2022)


Die Zahl der Menschen, die nicht mitbestimmen dürften, steigt in Österreich. Braucht es ein Wahlrecht für Ausländer, mehr Einbürgerungen, oder besteht kein Grund zur Sorge um die Demokratie?
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