Trainer Christian Ilzer und Sturm Graz passen einfach zusammen. Gemeinsam wurde an einer Erfolgsgeschichte gestrickt.

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Christian Ilzer ist "absolut detailverliebt". Der 45-jährige Trainer von Sturm Graz bezeichnet sich als "Arbeiter mit Hang zur Perfektion". Wobei es den perfekten Fußball nicht gibt, nicht geben kann. "Das liegt daran, dass ich Entscheidungen zum Teil auch nach Bauchgefühl, nach dem Spürsinn treffe. Das ist dann rational nicht erklärbar."

Es gibt in schnelllebigen Zeiten Beziehungen, Konstellationen, die dauerhaft zu passen scheinen. Otto Rehhagel und Werder Bremen war eine, Jürgen Klopp und Liverpool ist eine, die Partnerschaft zwischen Christian Streich und Freiburg ist fast schon kitschig. Ferdinand Feldhofer und Rapid war hingegen nur eine kurze Affäre.

Ilzer widerspricht im Gespräch mit dem STANDARD dieser These nicht, schränkt aber ein: "Ich habe auch zu Hartberg und zum WAC gepasst." Bei der Wiener Austria ist der Steirer allerdings gescheitert. "Ich will diese Zeit trotzdem nicht missen."

Seit Sommer 2020 werkt er in Graz, Sturm hat sich zur zweiten Kraft in Österreichs Fußball gemausert. "Red Bull Salzburg bleibt der Ligakrösus, auf Dauer können die sich nur selbst schlagen." Ilzer sieht sich "nicht als Erfinder von Sturm", aber man prägt einander, profitiert voneinander. Das liegt an der harmonischen Zusammenarbeit mit Sportgeschäftsführer Andreas Schicker und dem gesamten Betreuerstab. "Wir haben idente Auffassungen und Ideen. Es ist schon eine eigene, spezielle Geschichte, wir haben ein Projekt auf Schiene gebracht."

Vor rund zwei Jahren lag der Markwert des Kaders bei 13 Millionen Euro, nun sind es mehr als 30. Der Däne Rasmus Höjlund zählt logischerweise nicht mehr dazu, er wurde um circa 17 Millionen an Atalanta Bergamo verkauft. Ilzer bevorzugt den "effektiven, wuchtigen, präzisen Fußball. Mit hoher Geschwindigkeit. Ziel ist immer das gegnerische Tor, die Wege dorthin können durchaus kurz sein."

Energiespender

Das Scouting funktioniert, Fehlkäufe überlässt man anderen Klubs. Der Trainer legt großen Wert auf den Charakter eines neuen Spielers. Wer passt zu Sturm? "Er muss ein Gewinnergen haben, süchtig nach dem Wettkampf sein. Er muss Energie geben, darf sie nicht absaugen." Ilzer lehnt Selbstdarsteller prinzipiell nicht ab. "Das klingt immer so negativ. Wenn einer begreift, dass der Klub größer als der Einzelne ist, dann kann er ruhig ein Selbstdarsteller sein."

Auf nationaler Ebene siegt Sturm nahezu permanent. In der Europa League gab es zwei Unentschieden gegen Lazio Rom, ein Betriebsunfall war lediglich das 0:6 bei Feyenoord Rotterdam. "Darauf hätte ich gerne verzichtet, aber es war letztendlich ein Vorwärtsscheitern."

Die Dreifachbelastung zehrt an den Kräften, die Grazer kriechen zwar nicht am Zahnfleisch daher, "aber man muss behutsam sein. Du musst so rotieren, dass die Automatismen und die Hierarchien nicht verloren gehen. Auch da trifft man Bauchentscheidungen."

Am Samstag kommt es zum Schlager in und gegen Salzburg (17 Uhr live auf Sky), im Fall eines Sieges würde Sturm sogar die Tabellenführung übernehmen. Was Ilzer überhaupt nicht ausschließt. "Wir machen keinen Kniefall. Erreichen wir unser Toplevel, sind drei Punkte sogar realistisch." In der zweiten Runde wurde in Graz 2:1 gewonnen, beide Tore erzielte Höjlund, vor dem muss sich Salzburg nicht mehr schrecken. Allerdings ist dessen dänischer Landsmann, der 19-jährige William Böving, auch kein Lapperl.

Gerüchte und Fokus

Ilzer, der nie die "Red-Bull-Schule" besucht hat, betrachtet Sturm nicht als Taschenbuchausgabe des Serienmeisters. "Wie sind eine eigene Geschichte, kopieren nichts, gehen unseren Weg. Aber natürlich machen die das sehr gut." Deutsche Medien berichteten, dass Ilzer ein Thema bei Schalke 04 sein soll. Er selbst weiß davon wenig bis nichts. "Absolut nur Gerüchte, mein Fokus liegt auf Sturm." Schicker reagierte so: "Bei uns hat sich niemand gemeldet. Wir halten klar fest, dass wir auf keinen Fall darüber nachdenken, Christian Ilzer abzugeben." Er hat einen Vertrag bis 2024.

Salzburgs Trainer Matthias Jaissle hat "großen Respekt vor Sturm und Ilzer. Ich habe immer gesagt, diese Saison wird für uns kein Selbstläufer." Ilzer freut der verbale Blumenstrauß. "Den Respekt haben wir uns erarbeitet." In der vergangenen Saison führte Salzburg nach zwölf Runden mit elf Punkten Vorsprung auf Sturm. Nun sind es zwei. Ilzer sagt: "Man kann nicht leugnen, dass wir näher gekommen sind." (Christian Hackl, 22.10.2022)

Voraussichtliche Aufstellungen

Red Bull Salzburg – Sturm Graz (Salzburg, Red Bull Arena, SR Ebner).
Bisheriges Saisonergebnis: 1:2 (a). 2021/22: 3:1 (a), 4:1 (h), 1:0 (h), 1:2 (a).

Salzburg: Köhn – Dedic, Pavlovic, Wöber, Bernardo – Seiwald, Gourna-Douath, Sucic, Kjaergaard – Sesko, Adamu

  • Es fehlen: Capaldo (Knie), Fernando (Oberschenkel), Koita (Oberschenkel), Tijani (rekonvaleszent)
  • Fraglich: Ulmer (Adduktoren), Solet (Oberschenkel), Kameri (im Aufbautraining)

Sturm: Siebenhandl – Gazibegovic, Affengruber, Wüthrich, Dante – Hierländer, Gorenc-Stankovic, T. Horvat, Prass – Ajeti, Böving

  • Es fehlt: Demaku (Schulter)