Neal Stephenson (links) liefert erste Inhalte für das offene Metaversum, Peter Vessenes (rechts) bringt die Blockchain-Expertise ein.

Foto: Lamina1

Wenn Mark Zuckerberg und andere CEOs multinationaler Tech-Konzerne von dem "Metaversum" sprechen, dann verwenden sie dabei einen Begriff, der in diesem Jahr genau 30 Jahre alt wurde. Denn erstmalig wurde er vom Science-Fiction Autor Neal Stephenson in dessen Roman "Snow Crash" verwendet, welcher 1992 erschien und Entwicklungen wie Hyperinflation, Viren, digitale Währungen und eben eine zweite, virtuelle Realität wegnahm – wohlgemerkt in einer Zeit, in der es weder Bitcoins noch Social Networks gab. Selbst das World Wide Web steckte damals noch in den Kinderschuhen.

Nun hat Stephenson sich das Ziel gesetzt, ein eigenes Metaversum zu bauen, das im Gegensatz zu den Projekten der Tech-Konzerne Offenheit als oberste Maxime hat und die Erstellung von Inhalten demokratisieren soll, sodass die Kreativen angemessen für ihr Schaffen belohnt werden. Der Name dieses Projekts lautet "Lamina1", und Stephensons Co-Gründer ist ein Urgestein der Kryptoszene: Peter Vessenes hatte zuvor die Bitcoin Foundation mitbegründet und begleitet die digitalen Währungen bereits seit ihren frühen Jahren.

Eine Chain, sie alle zu befreien

Schrittweise wurden immer mehr Details über das Projekt der beiden ungleichen Partner bekannt, bevor man im September ein Whitepaper veröffentlichte, das die Pläne etwas detaillierter beleuchtet. Ein großer Fokus liegt darauf, wie die Blockchain das Rückgrat des offenen Metaversums bilden soll.

Demnach sollen auch auf der Blockchain von Lamina1 Token generiert werden, allerdings im umweltfreundlicheren Proof-of-Work-Verfahren, auf das zuletzt auch die Ethereum-Blockchain umgestellt wurde. Doch man möchte noch weiter gehen: Für jeden Miner sollen entsprechende Anforderungen im Energieverbrauch vorgeschrieben werden.

Vessenes hatte zuvor in einem Interview mit dem "Cointelegraph" auch angedeutet, dass man auch eine "Proof of Integration" andenke, bei der Kreative dafür belohnt werden, dass sie Inhalte generieren, die von anderen verwendet werden. "Wenn Sie digitale Objekte erstellen, die von Lamina1-Teilnehmern in einem Spiel verwendet werden, erhalten Sie dafür Token vom System", sagt Vessenes. Generell soll es hier auch Smart Contracts und digitale Identitäten geben – ein großer Fokus liegt aber darauf, die Kreativbranche zu demokratisieren und Designer zu entlohnen, ohne dass Konzerne als Mittelmänner dazwischenstehen.

Neal Stephenson macht den ersten Schritt

Den ersten Schritt zur Erschaffung originellen neuen Contents setzt Stephenson selbst: Unter dem Schlagwort "THEEE METAVERSE" wird er dem Whitepaper zufolge eine interaktive virtuelle Welt erschaffen, welche auch eine eigene Geschichte erzählen wird – ein recht großes Versprechen angesichts der Tatsache, dass zahlreiche CEOs des Silicon Valley "Snow Crash" als ihre Inspiration zitieren.

Dabei soll es aber eben nicht bleiben. Andere Kreative sollen ebenfalls Objekte, Orte und Geschichten entwickeln – zudem versteht man dem Whitepaper zufolge unter "Offenheit" auch die Möglichkeit, die eigene Blockchain mit anderen zu verschränken. Auch soll es einfach sein, die Lamina1-Blockchain im Rahmen eines sogenannten "Fork" aufzuteilen.

In einem Bericht der "Washington Post" wird angemerkt, dass Stephenson zwar hauptsächlich für seine Romane bekannt ist, aber auch ausgiebige Erfahrungen in der Tech-Welt nachweisen kann. So war er als Chief-Futurist im Augmented-Reality-Unternehmen Magic Leap tätig, zudem war Stephenson der erste Angestellte in Jeff Bezos' Weltraumunternehmen Blue Origin. Weniger ruhmreich war sein Gehversuch im Gaming-Segment: Die Entwicklung des 2012 groß angekündigten Schwertkampfspiels "Clang" musste zwei Jahre später wieder eingestellt werden.

Ambitionierter Zeitplan

Beobachter urteilen allerdings, dass Lamina1 ein deutlich ambitionierteres Projekt ist als das monothematische "Clang" – und sein Erfolg ist ebenso ungewiss wie das Fruchten der Zuckerberg'schen Pläne. Das ändert aber nichts daran, dass das Team im Whitepaper einen recht ambitionierten Zeitplan vorlegt.

Demnach soll es noch im Dezember 2022 eine erste Version des dazugehörigen Browsers und erste Design-Demos geben, erste Software Development Kits (SDKs) für externe Entwickler sollen im Jänner 2023 folgen. Für Februar ist eine "Open Metaverse Conference" in Los Angeles angekündigt. Das Mainnet soll schließlich im zweiten oder dritten Quartal 2023 stehen.

Wie immer gilt bei solchen Zeitplänen: Änderungen vorbehalten. Im Blick behalten sollte man das Vorhaben aber auf jeden Fall. Nicht zuletzt, weil die Inhalte des berühmten Autors dem Konzept des Metaversums vielleicht jenen Wow-Effekt verpassen könnten, den es zum Abheben braucht. (Stefan Mey, 21.10.2022)