Die Verhandlungen zwischen Silvio Berlusconi, Giorgia Meloni und Matteo Salvini (v. li.) verliefen nicht immer harmonisch.

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Es war ein historischer Tag für Italien. Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik hat eine Frau den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten: Giorgia Meloni. Die 45-jährige Römerin aus dem Arbeiterquartier Garbatella war bei den Wahlen vom 25. Februar mit ihren Fratelli d'Italia mit 26 Prozent stärkste Partei im neugewählten und um einen Drittel seiner Mitglieder verkleinerten Parlament geworden.

Ihre beiden Koalitionspartner in der neuen Regierung, die rechtspopulistische Lega von Matteo Salvini und die Forza Italia von Silvio Berlusconi, mussten sich mit je etwas mehr als acht Prozent begnügen. Bei den letzten Wahlen hatten die Fratelli d'Italia noch lediglich vier Prozent der Stimmen erzielt.

Dass Meloni von Staatspräsident Sergio Mattarella den Regierungsauftrag erhalten würde, war angesichts ihrer zahlenmäßigen Übermacht innerhalb der Rechtskoalition nicht viel mehr als eine Formalität. Und so ist am Ende alles sehr schnell gegangen: Meloni ist am Freitag um halb fünf Uhr mit ihrem weißen Fiat 500 vor dem Quirinalspalast, dem Amtssitz des Staatspräsidenten, vorgefahren und hat gleich ihre Ministerliste mitgebracht.

Diese ist von Mattarella offenbar auf Anhieb akzeptiert worden: Salvini übernimmt damit den Posten des zweiten Vizepremiers und des Infrastrukturministers, sein Parteikollege Giancarlo Giorgetti wird Wirtschaftsminister. Wie erwartet wird Antonio Tajani, der ehemalige Präsident des Europaparlaments und langjährige Vertrauter Berlusconis, trotz der unsäglichen Äußerungen des Forza-Italia-Chefs über Russland und die Ukraine Außenminister. Tajani hatte am Donnerstag entsprechend bekräftigt, dass Italien auch mit der neuen Regierung ein verlässlicher Partner der EU und der Nato bleibe und auf der Seite von Kiew stehen werde. Der parteilose Matteo Piantedosi wird Innenminister, und Guido Crosetto, Mitbegründer der postfaschistischen Brüder Italiens, übernimmt das Verteidigungsministerium.

Giorgia Meloni und der Fiat.
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Die neue Regierungschefin und ihr Kabinett werden am Samstag vor Mattarella ihren Amtseid leisten und die Ernennungsurkunde entgegennehmen. "Ich habe ziemlich klare Vorstellungen. Wir sind bereit, und wir wollen so schnell wie möglich loslegen", hatte Meloni nach den Konsultationen beim Staatsoberhaupt selbstbewusst erklärt.

Streit um Ministerposten

Damit erhält Italien unter der ersten Frau an der Regierungsspitze die am weitesten rechts stehende Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Verteilung der Posten im Kabinett hatte in den Wochen nach den Wahlen zu wochenlangen, zum Teil erbitterten Streitereien unter den Koalitionsparteien geführt.

So bestand Lega-Chef Salvini darauf, in das Innenministerium zurückzukehren, das er schon zwischen 2018 und 2019 geführt hatte. Gegen Salvini läuft wegen seiner damaligen Amtsführung noch ein Prozess wegen Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch. Berlusconi, gegen den wegen seiner Sexskandale ebenfalls noch Strafverfahren laufen, wollte das Justizministerium durch eine Vertraute geführt sehen. Ein Auge hatte der Medienunternehmer und Multimilliardär auch auf das Ressort Kommunikation geworfen.

Berlusconi nicht erfreut

Meloni hatte die Forderungen ihrer Bündnispartner abgeschmettert – und damit sowohl bei Salvini als auch bei Berlusconi heftige Frustrationen ausgelöst. Berlusconi bezeichnete die designierte neue Ministerpräsidentin in der Folge als "anmaßend, selbstherrlich, arrogant und beleidigend". Mit ihr könne man sich nicht einigen.

In der durchschaubaren Absicht, Meloni zu beschädigen, hat der Ex-Premier in den letzten Tagen seine enge Freundschaft mit Russlands Diktator Putin herausgestrichen und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj die Schuld für den Krieg in die Schuhe geschoben. Der Streit ging so weit, dass Meloni drohte, die Verhandlungen um die Bildung der Regierung platzen zu lassen.

Wer wird Außenminister?

Das erklärte Ziel der ersten Ministerpräsidentin Italiens war von Anfang an, ein kompetentes Team zusammenzustellen, um die Mehrfachkrise von Inflation, Krieg, steigenden Zinsen und horrenden Energiepreisen wirksam begegnen zu können: Sie will im In- und Ausland eine "bella figura" machen. Gleichzeitig beabsichtigt sie mit der Auswahl ihrer Ministerinnen und Minister, die Bedenken bezüglich ihrer Bündnistreue zur Nato und zur EU zu zerstreuen. Dem Koalitionsfrieden zuliebe ist Meloni jedoch – wie ihre Liste zeigt – nicht darum herumgekommen, bei der Zusammensetzung ihres Kabinetts Kompromisse einzugehen. (Dominik Straub aus Rom, red, 22.10.2022)